Kostenlose Unterkunft "Dachgeber" für Radfahrer
16.11.2004, 12:06 UhrBerthold Müller gewährt fremden Radfahrern auf der Durchreise das, was er selbst seit vielen Jahren in Anspruch nimmt: ein kostenloses Quartier und einen Ansprechpartner in der Fremde. Denn Berthold Müller ist ein "Dachgeber".
Einer von rund 2.500 Menschen in Deutschland, die zu dem besonderen Netzwerk gehören. "Ich habe bereits einige Radtouren durch ganz Deutschland unternommen und dabei jedes Mal andere Dachgeber genutzt", erzählt der 62-Jährige aus Bad Driburg (Kreis Höxter). Denn die Mitgliedschaft funktioniert nach dem Gegenseitigkeitsprinzip: Wer anderen Unterkunft gibt, erhält selbst in der Fremde ein kostenloses Quartier. Laut Müller kommt es vor, dass in manchen Regionen keine Anlaufstellen vorhanden sind, etwa in kleineren Orten.
Müllers Fazit lautet: "Generell kommt man gut weiter damit." Und neben der Kostenersparnis biete das Netz der Dachgeber noch weitere Vorteile. "Man wird sehr gastfreundlich empfangen, ist nicht allein und erhält viele nützliche Tipps", sagt der Bad Driburger. Er selbst habe in den vergangenen zehn Jahren rund einem Dutzend Radfahrern Unterkunft gewährt - und dabei nur positive Erfahrungen gesammelt.
Das Prinzip ist einfach. "Die Gäste müssen sich spätestens bis zum Morgen des Tages, an dem sie bei jemandem übernachten wollen, telefonisch melden", erläutert der Initiator des Dachgebers, Wolfgang Reiche. Telefonnummern und Adressen entnehmen sie einem Verzeichnis, das der Bremer seit der Gründung des Netzwerks 1987 jedes Jahr neu auflegt und nur Mitgliedern gegen eine Schutzgebühr zukommen lässt.
Zudem kann man dort weitere Details über mögliche Dachgeber finden: Ob sie Nichtraucher sind, ob die Möglichkeit zum Zelten besteht, ob Tiere erwünscht oder Fremdsprachenkenntnisse vorhanden sind. Denn neben Wanderern und Nutzern öffentlicher Verkehrsmittel steht das Netz auch Radfahrern aus dem Ausland offen. Genau so, wie Reiche es bei einer Tour durch Australien erlebt hat. "Dort habe auch ich von einem Netz aus Dachgebern profitiert und die Idee mit nach Deutschland gebracht." Außerdem wisse er von ähnlichen Netzen in Österreich, der Schweiz und den Niederlanden.
Reiches Netzwerk wird vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Bremen unterstützt. "Wir betrachten es sogar als ADFC- Produkt, da Wolfgang Reiche bei uns Mitglied ist", erklärt der Leiter Politik und Medien des ADFC, Karsten Klama. Ein Missbrauch ist Reiche bislang nicht bekannt. Um das zu vermeiden, empfiehlt er den Mitgliedern nachzuschauen, ob der Dachsuchende im Verzeichnis steht und ob er seine Identität mittels eines Personalausweises bestätigen kann. "Außerdem besteht immer die Möglichkeit, jemandem im Zweifelsfall die Unterkunft zu verweigern", sagt Reiche.
Als "grundsätzlich nette Idee" bewertet die Pressereferentin von Nordrhein-Westfalen Tourismus, Eva Gerling, das System der Dachgeber. "Das macht den Urlaub sehr preisgünstig - gerade in der jetzigen Zeit, wo die Menschen jeden Euro umdrehen." Bekannt ist der Dachgeber auch Knut Dinter, Pressesprecher vom Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) in Detmold. "Für uns stellen die Dachgeber jedoch keine Konkurrenz dar. Wir haben eine ganz andere Ausrichtung."
Quelle: ntv.de