Es war einmal ... Die Märchenstraße
27.04.2005, 10:58 UhrAuf den Spuren von Frau Holle, Aschenputtel oder den Bremer Stadtmusikanten bereisen jährlich eine Million Menschen die Deutsche Märchenstraße. Doch die älteste deutsche Ferienroute ist in die Jahre gekommen.
Seit sich vor 30 Jahren mehr als 60 Orte zwischen Hanau und Bremen zur Märchenstraße zusammenschlossen, haben sich die Reisebedürfnisse der Menschen gewandelt. Einen deutlichen Gästeschub bringt die Vermarktung der Sagen und Märchen der Gebrüder Grimm nur noch den wenigsten beteiligten Städten -und die Suche nach neuen Konzepte hat begonnen.
Vor allem Museen und Freilichtbühnen halten die Sagen der Gegend lebendig - wie in Polle an der Weser, wo das Jubiläumsjahr am 11. September mit dem Auftritt von einem Dutzend Märchenfiguren und einem großen Brauchtums-Markt gefeiert wird. "Alles unter 10.000 Gästen wäre mau", sagt Dietrich Müller, Organisator der Veranstaltung.
Doch gemessen an den Übernachtungszahlen hat das Weserbergland, die Ferienregion entlang der Märchenstraße, an Bedeutung verloren. Nur noch wenige Kommunen wie die Rattenfänger-Stadt Hameln sind mit ihrer Tourismus-Bilanz zufrieden. "2004 war ein sehr gutes Fremdenverkehrsjahr", bilanziert der Geschäftsführer der Hameln Marketing und Tourismus GmbH, Harald Wanger. Die Übernachtungen dort nahmen im Vergleich zum Vorjahr um 1,5 Prozent zu.
Hameln macht modernes Märchen-Marketing: Das vor 50 Jahren begonnene Rattenfängerfreilichtspiel wird seit dem Jahr 2000 vom Musical "Rats" ergänzt. Die Stadt pflegt so ihren Legenden-Ruf doppelt - zum Wohle des Tourismus: Von 1981 bis 2003 wuchs die Zahl der jährlichen Übernachtungen (in Betrieben mit mehr als acht Betten) um 63 Prozent. Landesweit betrug das Plus im Schnitt nur 45 Prozent.
Diese Erfolge aber bleiben an der Ferien-Route rar. Nur in Verden (plus 200 Prozent) und Göttingen (plus 57 Prozent) gab es in den letzten 20 Jahren ebenfalls überdurchschnittlich Zuwächse bei den Übernachtungszahlen - Verden wirbt mit Pferden und einem Märchen-Park, Göttingen setzt dagegen als Universitätsstadt in seiner touristischen Vermarktung kaum auf das Märchen-Thema. In Nienburg und Bückeburg lag der Gäste-Zuwachs immerhin noch leicht über dem landesweiten Schnitt, in Hannoversch-Münden (24,4) und Rinteln (8,6) dagegen deutlich darunter.
So fällt das Weserbergland touristisch immer weiter zurück. 1988 war die Region bei den Übernachtungszahlen noch auf Platz vier nach Harz, Inseln und Nordseeküste. Längst aber ist die Lüneburger Heide beliebter geworden als das Weserbergland und 2004 hat auch die Region Hannover-Hildesheim mehr Schlafgäste verzeichnet.
Auch im Ausland wird für die "German Fairy-tale Route" geworben - dort ist das bei den Kindern das deutsche "Es war einmal ... " beliebt und im vergangenen Jahr drehte ein Kinder-TV-Kanal aus China sogar eine ganze Serie über die Märchenstraßen. Doch im Inland hat die Geschäftsstelle der Märchenstraße in Kassel längst erkannt, dass neuer Schwung notwendig ist.
Das "Tourismusbarometer" der Sparkassen zeigt, woran der Märchenstraßentourismus leidet: 80 Prozent der Gäste der Region sind über 40. Organisationen wie Hotel-und Gaststättenverband vermissen moderne Projekte mit Hoteliers, "was mit Drive". Und in der Tourismus Marketing Niedersachsen sieht man die Märchenstraße sogar tendenziell unzeitgemäß: "Deutsche Kinder lesen kaum noch Märchen", sagt TMN-Chefin Carolin Ruh.
Intern berät die Arbeitsgemeinschaft Märchenstraße längst, wie neuer Schwung erzeugt werden kann. Aus den Orten sind Vorschläge zu hören, die von "Liebeswochenenden im Hotel oder Ballonfahrten" bis "Werbung aus einem Guss für alle statt hier fürs Schaumburger Land und dort für den Harz" reichen. Immerhin fand die Uni Göttingen 2003 heraus, wem die Märchenstraße ganz nebenbei nutzt. Die Route, erklärt die Expertise, belebe örtliche Gemeinschaft. "Wir müssen spielen", sagt auch Regisseur Müller aus Polle, "um die Jugend hier zu halten."
Quelle: ntv.de, dpa