Paris im Sommer Geschlossene Fensterläden
15.08.2007, 11:22 UhrLaut, stinkig, quirlig - so präsentiert sich die Schöne an der Seine elf Monate im Jahr den Parisern und den Millionen von Touristen. Mitte August jedoch ist die französische Kapitale nahezu ein Paradies der Stille: Rollläden sind heruntergelassen, auch bei Tausenden von bürgerlichen Appartements, und die sonst doch so bunten und vielbesuchten Märkte in Paris verwaist.
Auch der frühere amerikanische Präsident Bill Clinton musste Anfang dieser Woche beim Shopping mit Tochter Chelsea deshalb auf Nummer sicher gehen. Die beiden bummelten durch die Rue de Buci im einstigen Künstlerviertel Saint-Germain-des-Prs. Also dort, wo doch immer etwas los ist, wegen der Touristen aus aller Welt - im tiefsten August gehört die Seine-Metropole ihnen. Paris ist verreist.
Rad statt Metro
Die Stadt erscheint leer wie sonst nie, und die Luft rein. Das aber nicht nur, weil die tägliche Blechlawine derzeit fast ausbleibt - denn rette sich wer kann, nach dem Motto sind die Pariser vor dem miesen Wetter gen Süden geflohen. Auch die neue "Vlib"-Attraktion mit 10.600 Leih-Fahrrädern an 750 in der Stadt verteilten Parking-Stationen trägt zu einer weniger verpesteten Luft über Paris bei.
Eineinhalb Millionen Rad-Ausleihen hat es im ersten Monat der Aktion bereits gegeben, nahezu 50.000 Pariser haben langfristig einen der städtischen Drahtesel abonniert - das kostet 29 Euro im Jahr, ein Spottpreis verglichen mit der Metro. Und es bringt der Umwelt etwas.
Wer in diesem Monat nicht das Weite suchen konnte, der hat jetzt wenigstens ein Erfolgserlebnis. Er findet als Autofahrer problemlos einen Parkplatz. Sonst muss er meist einige stressende Runden in seinem Viertel drehen und dann noch mit anderen den Kampf um die endlich erspähte schmale Lücke für das Gefährt aufnehmen.
Komplikationen beim Einkaufen
Während die Metropole also in angenehmer Trägheit versunken ist und man nicht nur in den Parks und Gärten ein wenig Stille finden kann, bringt das "Ferienloch" auch Lauferei mit sich. Denn etliche Bäcker und Schlachter haben die Rollläden herabgelassen, da der August trotz aller Bemühungen, die Urlaubszeiten im Sommer zu entzerren, der Reisemonat par excellence bleibt. Man muss also in vielen Fällen schon weiter gehen für ein annehmbares Baguette.
Was immer man braucht, und sei es eine Kopie aus dem kleinen Laden nebenan oder die Tageszeitung vom Kiosk, das kostet jetzt oft einiges mehr an Weg. Dafür bietet Paris im August neben der angenehmen Atmosphäre Jazz-Festivals und - sofern das Wetter mitspielt - Strandvergnügen auch ohne Seine-Bad an "Paris-Plage", einen ungestörten abendlichen Spaziergang auf dem Mars-Feld am Eiffelturm oder im Bois de Boulogne.
In diesem Sommer ohne Hundstage verfärben sich schon die Blätter der Kastanien, die Bäume der Stadt liefern aber immer noch ordentliche grüne Farbtupfer. Wer jetzt allein ist, trifft den ebenfalls daheim gebliebenen Nachbarn im Caf oder Bistro. Und er genießt die relative Einsamkeit. Anfang September ist Paris dann wieder wie gewohnt - laut, stinkig und quirlig.
Von Hanns-Jochen Kaffsack, dpa
Quelle: ntv.de