Reise

Parallelwelt im Untergrund Kölner Judenviertel wird Museum

Blick in die Ausgrabungsstätten und Bauarbeiten an der Archäologischen Zone. (Archivbild von Juli 2009)

Blick in die Ausgrabungsstätten und Bauarbeiten an der Archäologischen Zone. (Archivbild von Juli 2009)

(Foto: picture alliance / dpa)

Köln bekommt jetzt auch ein jüdisches Museum, aber es wird ganz anders als in Berlin oder München: Kernstück wird das wieder freigelegte Judenviertel aus dem Mittelalter - einzigartig in Europa.

Einmal tat sich in Köln die Erde auf und verschlang das Historische Stadtarchiv. Diesmal tat sich die Erde auf und gab ein Wunder frei: das mittelalterliche Judenviertel, mit Überresten von Synagoge, Kultbad, Hospital, Bäckerei, Tanz- und Hochzeitshaus. Mitte Juli 2011 hat sich der Stadtrat dafür entschieden, das Ganze mit einem Museum zu überbauen.

Weit über 50 Millionen Euro wird das kosten - davon muss die Stadt 37 Millionen selber aufbringen. Dieses Geld hat sie eigentlich nicht, aber das ist eben das Risiko, wenn man gräbt: Findet man was, kann man es schlecht wieder zuschütten - auch wenn manche Kölner das am liebsten so hätten. Sie trauern ihrem schönen Rathausplatz nach, der nun auf den ersten Blick ähnlich verheerend aussieht wie die Einsturzstelle des Stadtarchivs: nur Schutt und Trümmer.

"Schlagzeilen in der ganzen Welt"

Die Grabung werde "in der ganzen Welt Schlagzeilen machen", sagte in der vergangenen Woche ein international renommierter Kenner jüdischer Architektur, der aus den USA angereiste Professor Samuel Gruber. "Ich glaube, Sie haben sich bisher noch nicht richtig bewusst gemacht, was Sie hier gefunden haben."

Die mutmaßliche Weltsensation unter dem Rathausplatz führt den spröden Namen "Archäologische Zone". Kaum jemand kann sich darunter etwas vorstellen. "Wozu denn noch ein weiteres Jüdisches Museum?", fragen viele Kölner. Aber mit den Museen in Berlin oder München ist das Projekt in ihrer Stadt nicht zu vergleichen.

Das Köln des Mittelalters

Um das zu erkennen, muss man nur mal aus dem Panoramafenster im dritten Stock des unmittelbar benachbarten Wallraf-Richartz-Museums auf die Ausgrabungsstelle hinabschauen: Ein Labyrinth von Gassen und Stiegen tut sich da auf - es ist das Köln des Mittelalters. Man sieht sofort: Die Straßen waren damals viel schmaler, denn in einer rundum befestigten Stadt war jede Elle Platz überaus kostbar.

Richtig faszinierend wird's, wenn man hinuntersteigt auf das mittelalterliche Straßenniveau und durch die Ruinenlandschaft wandert. Diese Mauern wurden vor tausend Jahren gebaut. Aber das ist es nicht allein. Es geht eben nicht um irgendein beliebiges Viertel der größten deutschen Stadt zur Zeit der Ritter und Minnesänger - es ist der Bezirk der ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen.

"Mischlingsstadt, ein wundervoller Mix"

Für den Amerikaner Gruber war Köln schon im Mittelalter eine "Mischlingsstadt, ein wundervoller Mix". Das Judenviertel lag nicht etwa am Rand, sondern genau im Zentrum der Handelsmetropole. Doch es hat einige Zeit gedauert, bis die Kölner Parteien das touristische Potenzial ihrer Historie erkannt haben. Gruber war es, der nachdrücklich darauf hinwies, dass die Jüdischen Museen in Amsterdam und Prag jedes Jahr viele hunderttausend Besucher anzögen. Und die verfügen nicht über eine solche unterirdische Stadt.

Doch die meisten Kölner bleiben skeptisch. Wohl auch deshalb, weil die jüdische Geschichte bisher keinen Platz im kollektiven Bewusstsein der Stadt hat. Köln - das ist doch Karneval und Kirche. Es dürfte kaum einen Ort geben, an dem die Wiederkehr des ewig Gleichen mit solcher Hingabe zelebriert wird wie in der Frohsinnskapitale am Rhein. Gruber meint: "Mir scheint, dass Köln noch Nachholbedarf hat, was Informationen zu seiner jüdischen Geschichte betrifft."

Quelle: ntv.de, Christoph Driessen, dpa

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