Reise

Tierschützer fordern Boykott Krieg um römische Droschken

Mitten im heißen römischen Sommer ist ein "Krieg um die Droschkenkutschen" entbrannt. Auch bei 35 oder mehr Grad stehen die Kutscher mit ihren geschmückten Droschken vor dem Pantheon oder an der Spanischen Treppe und warten auf zahlungskräftige Touristen. Im Lärm und den Abgasen der Tiber-Metropole zieht das Pferd dann die internationale Kunden durch die pittoresken Gassen aus antiker Zeit.

Nun hat die Tradition der Droschkenkutschen die Tierschützer auf den Plan gerufen. Sie fordern die Touristen auf, die romantische Kutschfahrt durch die Ewige Stadt zu boykottieren - die Pferde litten unter der schlechten Behandlung der Kutscher. Die Fahrer sehen ohnehin schwarz für ihre Zukunft. Ist ihre Arbeit noch zeitgemäß?

Gequälte Pferde

Schon Friedrich Nietzsche zerriss es das Herz. Am Droschkenstand von Turin umarmte der kranke Philosoph schluchzend ein Pferd, das von seinem Kutscher geschlagen worden war. Er brach zusammen und kam in eine Nervenklinik. Das war 1889. Was die noch etwas mehr als 40 Droschkenkutschen in Rom angeht, so hat die Tierschutzorganisation ENPA gleich eine ganze Liste angeblicher Übeltaten zusammengestellt, um ihren Boykottaufruf zu untermauern: Etliche Pferde blieben über Wochen ohne Auslauf in viel zu kleinen Ställen, der römische Smog und die vom Autoverkehr verstopften Straßen seien eine Qual für die Tiere. Und manche Kutscher scherten sich auch nicht um das Verbot, den Pferden in glühender Mittagshitze Schwerstarbeit abzuverlangen.

Das Glück liegt in Rom nicht mehr auf dem Rücken der Pferde. "Die Droschkenfahrt ist eine anachronistische Tradition, die keinen Sinn mehr macht, und die armen Pferde zahlen den Preis dafür", prangert die Präsidentin der Tierschützer, Carla Rocchi, den Touristenspaß an: "Diese Tiere sind gezwungen, Kutschen zu ziehen, die für eine Stadt vergangener Zeiten bestimmt gewesen sind." Nachts würden sie unzulänglich untergebracht - in einem Schlachthof. Das ist auch der Ort, der manchen Kutschpferden statt einer verdienten Pension droht.

Aus Klischees befreien

Im Krieg der Worte halten die römischen Kutscher dagegen: "Wir versorgen unsere Pferd so, als wären es unsere Söhne." Von den noch 43 "Botticelle"-Kutschern demonstrierte etwa die Hälfte vor einigen Tagen in der römischen Juli-Hitze auf einer Piazza dagegen, "dass wir beschuldigt werden, ohne dass es Beweise dafür gibt." Doch die römische Zeitung "Il Messagero" singt bereits das Abschiedslied für diese Tradition der Tiber-Metropole: "Das Ende einer Periode steht an. Wenn die Pferde sprechen könnten, dann wären sie die ersten, die uns zustimmen würden." Das Argument: Italiens Hauptstadt müsse sich aus jenen Klischees befreien, in die sie sich in vielerlei Hinsicht selbst verstrickt habe. Also keine Kutschfahrten mehr umgeben von den Touristenbussen, im Stau der Stadt am Rand des Verkehrsinfarkts?

Auch Droschkenkutscher Enrico Pilo sieht seine Zukunft düster: "Es ist heute wirklich schwierig, diese Arbeit zu tun, wir sind in Rom ja auch nur noch etwas mehr als 40." Und er wird nostalgisch: "Vor 80 Jahren waren unsere Kutschen in Rom doch unbestritten die Königinnen des öffentlichen Verkehrs." Da konnte es auch noch nicht passieren, dass ein großzylindriges Fahrzeug eine Kutsche rammte, so wie unlängst am Tiber-Ufer. Das dreijährige Vollblutpferd Legoli lag in einer Blutlache und musste mit einer Spritze von seinem Leiden erlöst werden. Ob der Boykottaufruf sich auswirkt? Und was wird aus den Kutschern? Tierschützerin Rocchi sähe es am liebsten, dass Roms Bürgermeister Gianni Alemanno ihnen allen eine Taxilizenz gibt.

Hanns-Jochen Kaffsack, dpa

Quelle: ntv.de

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