Tourismus als Türöffner Kuba reformiert sich heimlich
03.09.2010, 09:30 UhrKuba, das nach dem Willen der Brüder Fidel und Raul Castro immer sozialistisch bleiben soll, beschreitet klammheimlich den Weg wirtschaftlicher Reformen. Ohne große Ankündigungen zeigen sich erste Anzeichen eines Minikapitalismus. Das hat auch Auswirkungen auf den Tourismus, eine der wichtigsten Einnahmequellen Kubas: Viele Golfplätze mit luxuriösen Appartementanlagen und Hotels werden gebaut.

Marode Wirtschaft, marode Häuser: Mit gelockerten Regeln und Tabubrüchen soll der Karren aus dem Dreck gezogen werden.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der Hinweis stand schon Mitte August in der "Gaceta Oficial", dem Amtsblatt in Havanna. Dass Ausländer in Kuba Grund und Boden erwerben dürfen, dass Kubaner selbst angebautes Obst und Gemüse in den Straßen verkaufen dürfen, wurde von einer breiteren Öffentlichkeit aber erst Ende des Monats bemerkt. Kurz zuvor hatte Wirtschaftsminister Marino Murillo die für Kubas Regierung außergewöhnliche Erklärung abgegeben, der Staat könne sich nicht um alles kümmern.
"Es öffnet sich eine Tür, eine Perspektive", begrüßte der oppositionelle Publizist und Ökonom Óscar Espinosa die Zulassung von mehr Privatinitiative im Wirtschaftsleben des sozialistischen Karibikstaates. "In Kuba wird mit einem sehr hartnäckigen Tabu gebrochen. Und es öffnet sich eine Serie vom Möglichkeiten und Chancen", sagte er. Aber man müsse abwarten, schränkte er ein.
Staat hat versagt
Hinter dem heimlichen Schwenk in der Wirtschaftspolitik steht das Eingeständnis, der Staat habe versagt und nicht mehr die Hoffnung, den Karren mit der Last der untergehenden Planwirtschaft aus dem Dreck zu ziehen. 90 Prozent der Wirtschaft Kubas sind in Staatshänden, sagte Murillo vor Journalisten, nur die "harten Wirtschaftsbereiche" sollten künftig vom Staat geführt werden.
Zaghafte frühere Veränderungen wie etwa die Verteilung von Brachland an Bauern haben nicht den gewünschten oder keinen Erfolg gehabt. Die Produktivität in Industrie und Landwirtschaft ist auf einem Tiefststand. Nach wie vor verdient ein Kubaner im Monat umgerechnet nur 15 Euro. 2009 hat Kuba für 1,5 Milliarden Dollar Lebensmittel importiert, das sind rund 80 Prozent seines Bedarfs an Agrarprodukten. Und aktuell lassen die steigenden Preise etwa für Weizen Schlimmes befürchten.

Die Produktivität in der Landwirtschaft ist auf einem Tiefststand - und nicht nur da.
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In der ersten Hälfte dieses Jahres ist die kubanische Lebensmittelproduktion nach offiziellen Angaben um 7,5 Prozent gesunken. Besonders hart betroffen sind die Kartoffelernte, die um 30,8 Prozent sank, die Produktion von Zitrusfrüchten ging um 29,7 Prozent und die der Bohnen um 27 Prozent zurück. Dagegen nahm die Reisernte nur um 1,7 Prozent ab.
Tourismus als Türöffner
Angesichts dieser Lage ist Kuba vor allem auf Investitionen aus dem Ausland angewiesen. Dem Tourismus wird dabei offensichtlich die Rolle eines Türöffners zugewiesen. Er ist neben der Nickelförderung eine der wichtigsten Einnahmequellen Kubas. In der ersten Jahreshälfte hat er leicht zugenommen.
Anfang des kommenden Jahres soll der Bau von insgesamt 16 Golfplätzen beginnen, auf denen luxuriöse Appartement-Anlagen und Hotels entstehen sollen. Um die nötigen Investoren außerhalb Kubas zu finden, wurde in einem ersten Schritt beschlossen, dass Ausländer den Grund und Boden 99 Jahre nutzen dürfen - nicht nur 50 wie bisher.
Weitere Gesetzesvorhaben, die ausländische Investoren anlocken sollen, liegen bereits in der Schublade. "Juristisch gesehen ist das sehr kompliziert", sagte Tourismusminister Manuel Marrero jetzt in Havanna. "Es geht um acht juristische Instrumente." Dem Vernehmen ist das unter anderem die Klärung von Einwanderungsfragen: Sollen Ausländer auf einem kubanischen Golfplatz eine Wohnung erwerben, muss auch die Rechtssicherheit gewährleistet werden. Vor allem müssen ausländische Käufer das Recht haben, dauerhaft in Kuba zu wohnen - bei ungehinderter Ein- und Ausreise.
Quelle: ntv.de, Franz Smets, dpa