Ansturm der Urlauber erwartet Libanon für Frieden gerüstet
15.06.2008, 12:59 Uhr"Die Tinte unter dem Abkommen von Doha war noch nicht trocken, da hörte das Telefon nicht mehr auf zu klingeln", sagt Mary Schwairi. Der Hotelmanagerin aus Beirut ist anzuhören, wie sehr sie über die Einigung der Parteien im Libanon erleichtert ist. "Golf-Araber, Europäer ... Wir sind bis zum Ende des Sommers ausgebucht." Nicht nur das teure Phoenicia-Hotel in der libanesischen Hauptstadt ist bei Urlaubern wieder gefragt. Nach Krieg und Bürgerkrieg kehrt der Libanon wieder auf die touristische Landkarte zurück.
2006 waren es die Angriffe Israels gegen die Hisbollah, 2007 der Kampf gegen die Anhänger der radikal-islamischen Untergrundgruppe Fatah el Islam, und dieses Jahr brachten Zusammenstöße der verschiedenen Volksgruppen das Land an den Rand eines neues Bürgerkriegs. In drei aufeinanderfolgenden Jahren wurde der Fremdenverkehr, einst wichtige Einnahmequelle des kleinen Landes am Mittelmeer, zum Opfer von Gewalt und politischer Unsicherheit. Erst mit der Einigung von Doha, die Ende Mai den Weg zur Wahl eines Staatspräsidenten ebnete, gingen auch wieder Hotel- und Reisebuchungen in der "Schweiz des Nahen Ostens" ein.
Tourismusbranche atmet auf
"Der Tourismus kommt mit großen Schritten zurück", sagt Hotelsprecherin Schwairy. "Wir sind ausgebucht mit Kurztrips, längeren Aufenthalten, Konferenzen und Hochzeiten von Libanesen, die zurück in ihr Land kommen." Auch der für Tourismus zuständige Interimsminister Joseph Sarkis erwartet für die Sommersaison die höchsten Gästezahlen seit Jahren. "Bis Ende April hatten wir wegen der Sicherheitslage nur 280.000 Besucher im Land. Jetzt rechnen wir mit 1,3 bis 1,6 Millionen - so vielen, wie wir schon für 2006 erwartet hatten."
Für 2006 war mit Tourismuseinnahmen in Höhe von umgerechnet 2,8 Milliarden Euro gerechnet worden - nach dem israelischen 34-Tage-Krieg in den Hauptreisemonaten Juli und August war es nach offiziellen Angaben nur ein Drittel. Im Jahr darauf wurden Touristen durch die Kämpfe im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr el Bared im Norden der zweitgrößten Stadt Tripoli abgeschreckt. Die anhaltende politische Krise zwischen Regierung und Opposition, die Anfang Mai dieses Jahres schließlich in Zusammenstößen mit 65 Toten gipfelte, hätte das vorläufige Aus für den wichtigen Wirtschaftszweig Fremdenverkehr bedeuten können. Erst das Abkommen in Doha am 21. Mai brachte neue Hoffnung für die Innenpolitik - und den Tourismus.
Stimmung entspannt sich
"Gegenüber dem Vorjahr erwarten wir 30 Prozent mehr Gäste", sagt Tourismusminister Sarkis. "Die Hotels stellen neue Mitarbeiter ein, die Fluggesellschaften planen zusätzliche Flüge." 40 Prozent der Urlauber sind nach Angaben des Ministers Araber, die meisten aus Jordanien. 25 Prozent kommen demnach aus Europa. "Natur und die Liebe zum Leben sind die größten Attraktionen des Libanon", sagt Sarkis. "Die Araber kommen wegen des angenehmen Klimas, der Nachtklubs und der Restaurants, die Europäer wegen der archäologischen Stätten."
Dass die Zeichen auf Entspannung stehen, beweisen auch die Musikfestivals von Beiteddine und Baalbek, die nach zweijähriger Zwangspause in diesem Juli zum ersten Mal wieder stattfinden sollen. Für Ende Juli planen die Veranstalter in Beirut außerdem einen Auftritt des international erfolgreichen Popsängers Mika, der aus dem Libanon stammt. An seinem Geburtsort kann der 24-Jährige seinen Charterfolg "Relax, Take It Easy" singen.
Zu den beliebten Reisezielen im Libanon gehört die Stadt Aley am Fuß des Schuf-Gebirges. Anfang Mai wurde dort schwer gekämpft, jetzt rüstet sich die Stadt für die Verdopplung ihrer Einwohnerzahl über die Sommermonate. "Restaurants und Cafs, die für zwei Jahre geschlossen waren, haben in den letzten Tage in Rekordzeit wieder geöffnet", sagt Esam Ebeid von der Stadtverwaltung. Viele Libanesen im Ausland besitzen hier Häuser, die Immobilienpreise steigen bereits wieder. "Wir hatten schon mit schwer bewaffneten Kämpfern in der Stadt gerechnet", sagt Ebeid. "Zum Glück können wir jetzt wieder Touristen willkommen heißen."
Lamia Radi, AFP
Quelle: ntv.de