Reise

Berliner Szene-Symbol Tacheles kommt untern Hammer

In Berlins Mitte droht ein weiterer Ausverkauf der Subkultur. Das Areal mit dem Berliner Kunsthaus Tacheles - einst Symbol der Berliner Hausbesetzer-Ära, heute Besuchermagnet für szenehungrige Touristen - steht für 35 Millionen Euro zur Zwangsversteigerung an. Wer bietet mehr?

Noch geht es: Besucher im Hinterhof ...

Noch geht es: Besucher im Hinterhof ...

(Foto: dpa)

Das Kunsthaus Tacheles in Berlin-Mitte kommt am Montag (4. April) nach hartem Überlebenskampf endgültig unter den Hammer. Die HSH Nordbank lässt das gesamte Gelände an der Ecke zur teuren Friedrichstraße zwangsversteigern - ein verlockendes innerstädtisches Filetstück für potente Investoren.

Gut 35 Millionen Euro sind als Preis für das etwa 25.000 Quadratmeter große Areal vorgeschlagen, allein das Tacheles mit der zugehörigen Freifläche soll gute 3,5 Millionen kosten. Der große Haken: Die Nordbank will die denkmalgeschützte Kaufhausruine mit Künstlerateliers, Werkstätten und Theater nicht gesondert verkaufen, sondern nur im Paket.

Teilen ist "keine Option"

"Einen Teil herauszulösen, ist für uns überhaupt keine Option", sagt Sprecherin Gesine Dähn. "Wir haben verschiedene Interessenten für das Objekt. Aber alle haben uns übereinstimmend gesagt, dass für sie nur der Erwerb des Gesamtareals in Frage kommt."

Die Betroffenen hoffen gleichwohl noch auf eine Lösung. "Sollte es tatsächlich einen neuen Investor geben, werden wir schnellstmöglich Gespräche über den Erhalt des Kunsthauses aufnehmen", kündigt Katrin Maßmann als Sprecherin der "Gruppe Tacheles" an. "Da werden wir auch die Politiker in die Pflicht nehmen, ihre Lippenbekenntnisse in die Tat umzusetzen."

... und im Treppenhaus des Kulturzentrums "Tacheles".

... und im Treppenhaus des Kulturzentrums "Tacheles".

(Foto: dpa)

Tatsächlich hat sich vor allem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit für den Erhalt des prestigeträchtigen Kunstzentrums stark gemacht - immerhin zählen die Betreiber bis zu eine halbe Million Besucher pro Jahr. Wowereits Sprecher Torsten Wöhlert verweist darauf, dass das Gebäude im Grundbuch als Kunststandort festgeschrieben ist und unter Denkmalschutz steht. "Jeder Investor, der so ein riesiges Areal entwickeln will, weiß, dass er das nur mit der Stadt und nicht gegen die Stadt kann", sagt Wöhlert gelassen.

Wenig gute Erfahrungen mit Investoren

Allerdings haben die "Tachelesen" mit Investoren bisher wenig gute Erfahrungen gemacht. Als 1998 die auf Luxus-Immobilien spezialisierte Fundus-Gruppe das Areal übernahm, drohte der nach dem Mauerfall gegründeten Künstlergemeinschaft schon einmal das Aus. Erst auf massiven Druck hin kam ein Zehn-Jahres-Vertrag zustande, der den Nutzern die graffitiverschmierte Ruine zu einer symbolischen Miete von einer Mark überließ - allerdings auch die Instandhaltung.

Zehn Jahre später waren die Fundus-Träume von einer lukrativen Entwicklung des Geländes gescheitert. Die HSH Nordbank, selbst angeschlagener Hauptgläubiger des in Schieflage geratenen Unternehmens, ließ das Gelände unter Zwangsverwaltung stellen und versuchte mit allen Mitteln, die Künstler loszuwerden: Der Trägerverein musste wegen hoher Mietnachforderungen Insolvenz anmelden, mehrfach sollte das Wasser abgestellt werden, einige Räumungsversuche scheiterten.

Untereinander verstritten

Was die Lage zusätzlich erschwert: Die Nutzer sind untereinander zutiefst zerstritten. Ein Kreis um den früheren Vereinsvorsitzenden Martin Reiter fordert von der Stadt, das Gelände zu kaufen und so das Tacheles zu retten. Die erst im vergangenen Jahr gegründete "Gruppe Tacheles" bot dagegen kürzlich 2,84 Millionen Euro, um das Haus mit einem kleinen Stück Grund selbst zu übernehmen - freilich vergeblich.

Ob sich schon am Montag einen neuer Großbesitzer findet, ist vorerst offen. Sollten sich beim Amtsgericht Mitte die Gebote nicht mindestens auf die Hälfte des Schätzpreises belaufen (also rund 17,5 Millionen Euro), ist die erste Runde gescheitert. Zumindest im Ziel sind sich die Nutzer aber einig: "Ein Yuppie-Plagiat des Tacheles im Mitte-City-Stil darf es nicht geben. Wo Tacheles draufsteht, muss auch Tacheles drinsein."

Quelle: ntv.de, Nada Weigelt, dpa

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