Reise

Hoffen auf Touristen und Wüstenstrom Urlaub in Tunesien kann helfen

Zum Jahreswechsel hoffte Deutschland mit den meist jungen Tunesiern, die genug von politischer Unterdrückung hatten. Tunesien gelang als erstem nordafrikanischen Land der Sturz der autoritären Führung. Doch der Übergang zur Demokratie ist schwer - mehr Touristen könnten helfen.

Die deutsche grüne Europaabgeordnete Barbara Lochbihler, Grünen-Chefin Claudia Roth und der deutsche Botschafter in Tunesien, Horst-Wolfram Kerll, beim Gang durch die Altstadt von Tunis. (am 28. April)

Die deutsche grüne Europaabgeordnete Barbara Lochbihler, Grünen-Chefin Claudia Roth und der deutsche Botschafter in Tunesien, Horst-Wolfram Kerll, beim Gang durch die Altstadt von Tunis. (am 28. April)

(Foto: dpa)

Tunesien kann zum demokratischen Vorzeigestaat in Nordafrika werden - oder es stolpert beim Übergang. Mehr als drei Monate nach dem Sturz von Diktator Zine el Abidine Ben Ali arbeitet das Land im Aufbruch fieberhaft auf die freie Wahl am 24. Juli hin. Doch ob Tunesien zum Modell für den arabischen Raum wird, ist ungewiss. Viele der jungen, gut ausgebildeten Tunesier sind ohne Job - systematische Folterungen, Bespitzelung und Korruption noch nicht voll aufgearbeitet. Der darbenden Tourismusbranche könnte auch eine Rückkehr deutscher Urlauber an die als sicher geltenden Mittelmeerstrände helfen.

Hupende Autos, kleinere Demonstrationen für bessere Lebensbedingungen, gut gefüllte Teestuben, Cafés, Restaurants, Läden und jede Menge junge Leute auf den Straßen - Tunis wirkt lebhafter als Berlin und München zusammen im April nach der Jasmin-Revolution. Doch Claudia Roth steht erstmal unverrichteter Dinge vor einer Holztür in einem schmucklosen Haus. Dann springt die Tür auf. Der tunesische Grünen-Chef Abdelkader Zitouni führt die deutsche Grünen-Vorsitzende in ein staubiges kleines Büro mit vergilbten Aktenordnern. Seiner Partei fehlt es sichtlich an Geld - nicht aber am Elan.

Urnengang unter erschwerten Bedingungen

"Es kann keine Demokratie geben, wenn es keinen Wirtschaftsaufschwung gibt", sagt Zitouni. "Unter Ben Ali waren wir eine kleine, unterdrückte Gruppe von 50 Leuten." Jetzt wollen die auf 800 Mitglieder angewachsenen Grünen als eine von rund 70 Parteien bei den unter Hochdruck vorbereiteten Wahlen antreten.

Grüne unter sich: Claudia Roth und Abdelkader Zitouni, in seinem Büro in Tunis. (Bild vom 27. April 2011)

Grüne unter sich: Claudia Roth und Abdelkader Zitouni, in seinem Büro in Tunis. (Bild vom 27. April 2011)

(Foto: dapd)

Es ist ein Urnengang unter erschwerten Bedingungen. Die wenigsten der Parteien sind in der Bevölkerung tief verankert. Die Regeln werden noch in einer überparteilichen Kommission ausgehandelt. Auf den Listen müssen zur Hälfte Frauen stehen, so weit ist man schon, auch dürfen keine Amtsträger der Ben-Ali-Partei RCD dabei sein. Im Wahlkampf wollen sich die Verfechter einer Modernisierung gegen ein Erstarken islamischer Kräfte stemmen.

Doch der Schritt zu einem erfolgreichen Tunesien ist mit gelingenden Wahlen allein nicht getan. "Seit 1987 haben Ben Alis Familie, sein Umfeld und normale Polizisten Korruption in Tunesien zu einem richtigen System aufgebaut", sagt der Präsident des noch jungen Anti-Korruptionsnetzwerks, Chamari Taoufik. Viele schuldig gewordene Beamte seien noch im Dienst - die Taten noch nicht aufgearbeitet. Ähnlich ist es mit den Heerscharen von Spitzeln unter Ben Ali. Und die Anwältin und Aktivistin Radhia Nasraoui erhebt schwere Vorwürfe gegen ungenannte Polizisten: "Überall im Land haben wir noch immer Fälle von Leuten, die gefoltert werden."

Armut und Arbeitslosigkeit

Viele in dem Elf-Millionen-Einwohner-Land sind ohne Job - bei vielen Jungakademikern überwiegt Perspektivlosigkeit. Im Landesinneren ist die Armut groß. Zugleich fliehen immer mehr Libyer vor dem Krieg in ihrer Heimat über die Grenze. Allein an einem Tag kamen jetzt 500 Familien mit Kindern über den Grenzübergang Dhahiba, darunter viele Verletzte. Insgesamt waren 200.000 Menschen über die libysche Grenze gekommen, darunter Gastarbeiter, die vielfach in ihre afrikanischen Heimatländer geschickt wurden. Tunesiens Übergangsregierung fordert Hilfe. "Alleine können wir den Ansturm nicht bewältigen", sagt Gesundheitsministerin Habiba Zahi Ben Romdhane. Die EU streitet derweil über rund 25.000 tunesische Migranten, die sich in Europa ein leichteres Leben erhoffen.

Ein leerer Strand am 16. Januar 2011 im Urlaubsort Sousse: Nach den Unruhen in Tunesien hatten fast alle westlichen Touristen das Land verlassen, nur ein Teil davon ist zurückgekehrt.

Ein leerer Strand am 16. Januar 2011 im Urlaubsort Sousse: Nach den Unruhen in Tunesien hatten fast alle westlichen Touristen das Land verlassen, nur ein Teil davon ist zurückgekehrt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Doch ist der Aufbruch an vielen Stellen spürbar. Fast jede Elternversammlung an der Schule verwandelt sich in Kürze in eine Grundsatzdebatte zur politischen Zukunft, erzählt ein Vater. Auch großindustrielle Zukunftshoffnungen gibt es - etwa auf ein gigantisches Desertec-Solarkraftwerk ähnlich wie es unter marokkanischer Wüstensonne auch für die europäische Stromversorgung geplant ist. "Bis Ende 2012 wollen wir es auf den Weg bringen", sagt Koordinator René Buchler, der Ex-Siemens-Chef für Tunesien.

An den Traumstränden von Djerba, Sousse oder Monastir kommen erste Urlauber zurück, doch es sind noch vergleichsweise wenige. Alleine von Tunesiens Tourismus hängen rund 800.000 Stellen ab. Claudia Roth - einem Hang zu Massentourismus sonst unverdächtig - ruft auch Bundesbürger dazu auf, wieder verstärkt herzukommen: "Die, die Urlaub machen wollen, sollten nach Tunesien kommen - das ist auch eine Form von Unterstützung."

Quelle: ntv.de, Basil Wegener, dpa

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