Verein "Birkenzweig" setzt sich ein Urlaub mit Schwerbehinderten
03.06.2008, 16:10 UhrWeite Landschaften, wunderschöne Wälder und glitzerndes Wasser - Mecklenburg-Vorpommern ist ein Urlaubsparadies, das immer mehr Touristen für sich entdecken. Familien mit schwerstbehinderten Angehörigen allerdings bleiben davon oft ausgeschlossen.
Es fehlt an Betreuung und geeigneten Ferienwohnungen. Das will der neu gegründete Verein "Birkenzweig" in der Region um Feldberg an der Mecklenburgischen Seenplatte ändern. "Entweder man gibt das behinderte Familienmitglied ab und fährt allein in den Urlaub oder alle machen Urlaub, aber einer muss immer im Haus bleiben", beschreibt Berit Schmid-Voigtländer das Dilemma, in dem die Familien stecken. Gemeinsam mit ihrem Mann Dirk Schmid hat sie deshalb den Verein ins Leben gerufen. Die beiden Ärzte wollen eine Lanze brechen für Familien, die sich rund um die Uhr um ihre schwerstbehinderten Angehörigen kümmern. Deren eigenes Leben bleibe oft auf der Strecke, denn selbst gemeinsame Spaziergänge sind wegen der intensiven Betreuung unmöglich - auch im Urlaub.
Das eigene Schicksal bewog das Ärzte-Ehepaar aus Feldberg zu ihrem Engagement. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes vor vier Jahren mussten die beiden lange um das Leben ihrer Tochter bangen. Immer wieder hörte die Kleine auf zu atmen, weil ihr Gehirn noch nicht vollständig entwickelt war. Ein Jahr lang wussten die Eltern nicht, ob sie überlebt oder jemals sprechen und laufen kann. "Wir hatten das Glück, das andere Eltern nicht hatten", sagt Berit Schmidt- Voigtländer heute, da auch ihr zweites Kind gesund ist. Ihren Job als Allgemeinmedizinerin aber hat sie vorerst aufgegeben, um nun ihre schwer kranke Mutter zu pflegen, die im Rollstuhl sitzt.
Aus eigener Erfahrung weiß das Ärzte-Ehepaar, dass auch gesunde Menschen Betroffene oft isolieren. "Niemand will im Restaurant ein sabberndes, lallendes Kind neben sich haben. Man wird gebeten, sich wegzusetzen", sagt Dirk Schmid. Ähnlich sei es oft bei Ferienanbietern. Eine große Menge an Windeln oder Apparate, die den Schwerstbehinderten das Leben erleichtern, schreckten viele Vermieter ab, berichtet er. Hinzu komme, dass eine durchschnittliche Ferienwohnung den Ansprüchen Behinderter selten genügt. Nach Auskunft des Wirtschaftsministeriums in Schwerin können Investitionen in behindertengerechte Ferienanlagen gefördert werden.
Darum will sich der "Birkenzweig"-Verein nun kümmern. Um die Pflege von Schwerstbehinderten im Urlaub zu organisieren, wollen die bislang 14 Mitglieder ehrenamtliche Betreuer gewinnen. Sie sollen in Absprache mit den Familien die Betreuung der Kranken übernehmen, stundenweise oder auch mal einen Tag, als Aufsicht oder professionelle Pflegekraft. Bei einem Sanitätsdienst können spezielle Betten gemietet werden. Ferien-Vermieter und Krankenkassen hätten sich bereits interessiert gezeigt, sagt Berit Schmid-Voigtländer. Einige Zeit werde es aber noch dauern, bis "Birkenzweig" alle Details geklärt hat.
Unterstützt wird der "Birkenzweig"-Verein von "start social", einer Initiative unter Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ein professioneller Unternehmensberater berät bei der Umsetzung des Vorhabens. Und auch erste Interessenten für einen Urlaub an der Seenplatte gibt es schon.
Quelle: ntv.de