Nur das Original zählt Venedig bleibt einzigartig
12.01.2008, 11:33 Uhr Gondeln, idyllische Kanäle, die Rialto-Brücke und der zauberhafte Markusplatz: Venedig ist nicht nur für frisch Verliebte und Hochzeitspaare eines der romantischsten Reiseziele der Welt. Für manche Bewohner anderer Kontinente ist dieser Traum im Süden Europas jedoch so gut wie unerreichbar. Aber überall möchten die Menschen ein bisschen Venedig für sich haben - deshalb ist die norditalienische Stadt mitsamt ihrer mächtigen Palazzi und dem Campanile von Südamerika bis China bereits 97 Mal kopiert worden. Dies zumindest errechnete der Journalist Guido Moltedo, Herausgeber eines gerade in Italien erschienen Büchleins mit dem Titel "Welcome to Venice".
Unter den Nachahmern ist Las Vegas, jene Wüstenstadt im US-Bundesstaat Nevada, in der seit jeher nichts unmöglich scheint. Dort eröffnete 1999 der Self-Made-Milliardär Sheldon Gary Adelson sein Mega-Resort "The Venetian" mit 36 Stockwerken und mehr als 3.000 Zimmern. Die originalgetreue Reproduktion der Lagunenstadt samt Seufzerbrücke und Dogenpalast kostete rund eine Milliarde Euro. Frisch in einer der zahlreichen "Wedding Chapels" vermählte Brautleute können sich in dem Hotel sogar mit echten Gondeln durch künstliche Kanäle kutschieren lassen. "Wir wollen den Gästen den Luxus und die Dekadenz der venezianischen Paläste vermitteln", sagte Adelson zu seinem Projekt.
Dem wollte das aufstrebende China in nichts nachstehen - und deshalb konstruierte Adelson dort prompt das "Venetian Resort Macao", das Ende August 2007 eröffnet wurde. "Sozusagen eine Kopie der Kopie", meinte die italienische Zeitung "La Stampa".
Ob Wüste oder Meer - "Venice" kann überall errichtet werden
Einen Hauch von Venedig gibt es auch in zahlreichen Staaten Mittel- und Südamerikas. Jedoch geht es hier mehr um die Idee Venedigs, um Fragmente der Faszination, die die Stadt am Canal Grande ausmacht. So hatten venezianische Emigranten bereits 1891 in Brasilien Nova Veneza gegründet, einen Ort im Urwald zwischen Bananenstauden und Orchideen, in dem heute 12.000 Menschen leben. Das einzige, was hier wirklich an das italienische Original erinnert, ist eine schwarze Gondel, die auf dem Dorfplatz prangt.
Insgesamt gibt es allein in Brasilien 22 Orte, die nach der Lagunenstadt benannt sind, in Kolumbien sind es 16, in Mexiko 4. Auch Nicaragua, Ecuador, Guatemala, Costa Rica, Bolivien, El Salvador und Peru haben ihre eigenen "Venezia"-Remakes - zumindest was das Ortsschild betrifft.
Das wohl berühmteste "Venice" außerhalb Venedigs befindet sich dagegen an der Pazifikküste von Kalifornien. Was viele Surfer und Strandgänger im US-Sonnenstaat nicht wissen ist, dass der heute legendäre Hippie-Ort ursprünglich im Jahr 1900 vom Tabak-Millionär Abbot Kinney erdacht wurde. Er kaufte das Stück Land, das für ihn Ähnlichkeiten mit dem echten Venedig aufwies, und engagierte Architekten, um seine Wunschstadt mit zahlreichen Brücken und künstlichen Kanälen zu erbauen. "Er fuhr sogar selbst nach Italien und wollte 36 echte Gondolieri samt ihren Booten nach Amerika bringen", schrieb "La Stampa".
Jedoch schlug das gesamte Projekt fehl, etliche Kanäle wurden wieder zugeschüttet. Bereits 1925 wurde Venice dem nahe gelegenen Los Angeles eingemeindet. In den 60er Jahren kamen die Poeten, die Künstler und die Musiker der Beat Generation und machten die Gemeinde zu einem Kultort. Insgesamt gibt es in den USA 32 an Venedig angelehnte Ortschaften, in Kanada immerhin eine.
Aber auch Europa hat sein kleines Stück Venedig, und zwar in London. Dort liegt "Little Venice", jener charmante Stadtteil, in dem die Menschen auf Hausbooten leben und sich das Leben rund um die Kanäle abspielt. Der Schriftsteller Robert Browning (1812-1889) hatte das reizende Viertel einst auf den Namen des italienischen Vorbilds getauft. Aber so sehr sich Architekten, Träumer und Millionäre weltweit auch bemühten - die morbide Romantik und der großartige Glanz der Jahrhunderte, den das Original ausstrahlt, bleiben unerreicht.
Quelle: ntv.de, Carola Frentzen, dpa