Neuer Doping-Skandal? 20 Deutsche verdächtigt
15.01.2008, 15:53 UhrEtwa 20 deutsche Sportler stehen offenbar unter Verdacht, in einem Labor in Wien Blutdoping betrieben zu haben. Laut ARD-Informationen handelt es sich um Sportler aus den Bereichen Biathlon und Skilanglauf, die zumindest zum Teil zur Weltspitze gehören.
Insgesamt werden mindestens 30 Sportler als Kunden der Blutbank verdächtigt, darunter die Radsportler Georg Totschnig (Österreich), früher beim deutschen Gerolsteiner-Team, Michael Rasmussen (Dänemark), Michael Boogerd (Niederlande) und Denis Menchov (Russland). Totschnig bestreitet die erhobenen Vorwürfe.
"Die Hand ins Feuer kann man nie legen, weil man nicht 24 Stunden mit den Athleten zusammen ist. Aber ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass jemand aus unserer Mannschaft sich auf diese Weise einen Leistungsvorteil verschafft", sagte Biathlon-Bundestrainer Uwe Müssiggang. Er hätte zum ersten Mal in der vergangenen Woche durch Zeitungsberichte von den Verdachtsmomenten erfahren und wisse ansonsten nichts.
Behle legt "die Hand ins Feuer"
Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle hatte schon zuvor am Rand der Tour de Ski alle Verdächtigungen zurückgewiesen: "Leute wie Werner Franke denken, dass alle dopen, aber wir beweisen das Gegenteil. Unsere Erfolge sind sauber, ich lege für meine Sportler die Hand ins Feuer."
Das österreichische Gesundheits-Ministerium hatte zuvor bestätigt, dass es Ermittlungen gegen ein in Wien ansässiges Blutbank-Unternehmen eingeleitet habe. Nach Erkenntnissen der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA steht "Human Plasma" im Verdacht, Beihilfe zum Blutdoping geleistet zu haben. Staatssekretär Reinhold Lopatka bestätigte die Einleitung eines Verfahrens.
Angerer bietet Transparenz
Auslöser war laut dem Wiener "Kurier" ein Schreiben des damaligen WADA-Chefs Dick Pound an das Ministerium vom 23. November, in dem der Kanadier darauf hinwies, dass nach WADA-Informationen Sportlern in der Firma Blut abgenommen und in Blutplasma zum Zweck der Reunfusion umgewandelt werde. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe. Der amtierende Langlauf-Gesamtweltcupsieger Tobias Angerer bietet jede Zusammenarbeit mit den Dopingfahndern an: "Meinetwegen können die Kontrolleure mein Blut einfrieren und in zehn Jahren wieder auftauen. Es gibt nichts zu verbergen. Ich bin der Beste auf sauberem Weg, das spricht für den Sport."
Gesamtweltcup-Spitzenreiter Axel Teichmann verwies darauf, dass die deutschen Sportler mit ihren unabhängigen Blutvolumenmessungen über das normale Maß hinaus den Antidopingkampf betreiben würden: "Es hat in unserem Sport wie in anderen Sportarten auch schwarze Schafe gegeben. Aber der Generalverdacht ist ungerecht." Die Internationale Biathlon-Union IBU hatte in den letzten Tagen angekündigt, die bisher üblichen Grenzwerte für den Hämoglobingehalt im Blut abzuschaffen. Ein zu hoher Hämoglobinwert kann, aber muss kein Hinweis auf Blutdoping sein. Der Heidelberger Doping-Experte Werner Franke kritisiert den Plan als "Freifahrtsschein für alle Betrüger" und "Unfug."
Blutplasma-Chef bestreitet Vorwürfe
Der Leiter der Wiener Blutplasma-Firma, Lothar Baumgartner, bezweifelt die Angaben: "Ich kenn keinen einzigen dieser Herren." Baumgartner forderte Namen der ärztlichen Mitarbeiter, die an den Manipulationen beteiligt gewesen sein sollen. Er wisse nichts von den Vorgängen in der Firma. Sollten in der Filiale in Wien-Alstergrund tatsächlich Doping-Praktiken durchgeführt worden sein, so sei dies unter "Missbrauch der Räumlichkeiten" hinter seinem Rücken geschehen.
Quelle: ntv.de