Sport

Presseschau zur Tour Abgeschrieben

Die jüngsten Ereignisse der Tour de France sorgen für Ärger, Enttäuschung und neue Vorwürfe. Laut einer aktuellen forsa-Umfrage für n-tv halten am 23. und 24. Juli nur 11 Prozent der Deutschen den Radsport noch für glaubwürdig. Diese Stimmung zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten und findet ein Echo in der Presse.

Das Hamburger Abendblatt berichtet, wie die Zuschauer den inzwischen ausgeschiedenen "spritzigen Dänen" Michael Rasmussen mit einem gellenden Pfeifkonzert an der Strecke empfingen, und kommentiert: "Groß stören wird Rasmussen, dessen Anwesenheit selbst Tour-Chef Patrice Clerc "bedauert", das nicht. Vielleicht kennt er die Umfrage, nach der vier von fünf Franzosen zwar nicht an einen ehrlichen Sieger glauben, aber 52 Prozent die Tour dennoch lieben. Na, denn: Der Radsport ist tot - und die Karawane zieht weiter.

Das findet auch die Lausitzer Rundschau aus Cottbus: "So leid es einem für die sicher auch zahlreich vertretenen sauberen Fahrer tut - die diesjährige Doping-Tour ist komplett verpfuscht. Sie kann abgesagt werden."

Die Sächsische Zeitung aus Dresden schöpft Hoffnung angesichts der "nicht enden wollenden Dopingskandale". Es müsse nicht zum totalen Absturz der Tour kommen: "So paradox es scheinen mag, die diesjährige Tour de France ist wahrscheinlich die sauberste, seit es Doping gibt. Dass auch die vermeintlich Großen der Szene wie Winokurow erwischt werden, macht deutlich, wie engmaschig das Netz der Fahnder geworden ist. Zudem geht in diesem Jahr erstmals ein tiefer Riss durch das Fahrerfeld, wie sich gestern zu Beginn der 16. Etappe zeigte: Noch nie sind einige Profis mit mehreren Minuten verspätet gestartet, um ihre gemeinsame Einstellung für einen sauberen Radsport zu demonstrieren."

Auch das Flensburger Tageblatt kann den Dopingfällen noch eine positive Seite abgewinnen: "Die gute Nachricht ist, dass die halbherzig gestartete Anti- Doping-Maschine endlich zu greifen beginnt. Der bittere Teil der Nachricht ist aber, dass die Tour diesen Skandal wohl nicht mehr überleben wird. Zu zerrissen ist nicht nur das Fahrerfeld mit seinen Managern und Verbandsfürsten selbst in der Dopingfrage. Auch für die Sponsoren, die Millionen in die Farce vom ehrenwerten Wettkampf der weltbesten Waden gegen den Berg, die Uhr und den inneren Schweinehund investiert haben, können sich dieses schizophrene Spektakel unmöglich länger bieten lassen."

Das Mindener Tageblatt hat bereits den Leistungssport im Allgemeinen aufgegeben: "Seit Jahren versinkt der Radsport - und ist dabei nur die grellbunte Spitze eines weit in die Tiefe des Leistungssports ragenden Eisbergs - im Dopingsumpf. Skandal um Skandal verliert gerade die Höllentour im Besonderen auch noch das letzte Restchen Glaubwürdigkeit. Und trotzdem wird offenbar gedopt, was die Blutbeutel und die Pillenröhrchen hergeben. Erklärbar ist das eigentlich nicht mehr."

Der Autor wundert sich, ob die Dopingmittel auch die Hirnstruktur und Weltwahrnehmung der Sportler beeinflussen. Fatalistisch blickt er dem Ende der Tour entgegen: "Im klassischen Drama bietet die Krise die Chance zur Katharsis, zur Läuterung und Befreiung. Den Punkt hat der Radsport wohl schon lange verpasst. Im Moment hat man als Zuschauer eher den Eindruck, einen Kamikazeflug zu verfolgen. Welchem Ziel die konsequente Selbstvernichtung dienen soll, ist allerdings nicht ersichtlich."

Der Berliner Tagesspiegel sucht kein Ziel, sondern kritisiert einen Kontrollverlust: "Nicht alles, was zur Farce taugt wie gerade die Tour de France, darf zu nichts führen. Wozu gibt es einen Ehrenkodex im Sport, wenn er nicht zu Ehren kommt? Wozu gibt es die Verabredung weltweiter Dopingkontrollen, wenn Kontrolleure nicht weltweit unangemeldet kommen können? Rom ist auch wegen seiner Zügellosigkeit untergegangen. Den Gladiator gibt es aus gutem Grund nicht mehr. Der Sport, schwer gestürzt vom Podest, hat seine Chance. Und wir wollen doch gerade in diesen Zeiten hoffen dürfen. Auf, sagen wir: Doping für die Seele."

Die Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg fühlt sich zwar ebenfalls ans alte Rom erinnert, stimmt jedoch viel weniger versöhnliche Töne an: "Würde das in der Politik, in der Wirtschaft, oder irgendwo sonst passieren, das Publikum hätte längst die Daumen gesenkt. Die Akteure wären wegen vorsätzlicher, andauernder Täuschung davongejagt, die Veranstaltung beendet worden. Aber die Tour de France fährt weiter. Vor der Idee, dass nur ein spektakulärer Abbruch der peinlichen Veranstaltung und ein radikaler Neubeginn den Radrennsport retten könnte, schrecken alle Verantwortlichen zurück. Es stimmt, die Kontrollen sind wirkungsvoller geworden. Aber die Tour 2007 hat ihre Unschuld restlos verloren, sie kann für den Radsport nichts mehr tun."

So schnell gibt die Ostthüringer Zeitung aus Gera das Rennen nicht verloren und macht einen Vorschlag, um das Ansehen des Sports doch noch zu retten. Sie sucht die Ursache für die Dopingfälle nicht im sportlichen Ehrgeiz der Fahrer, sondern in deren Gewinnsucht: "Wer Radrundfahrten nicht vollends zum Wettrennen im Zeichen Dr. Frankensteins verkommen lassen will, muss jetzt auf die Bremse treten. Die entscheidende Rolle dabei spielen Sponsoren. Wenn denen ihr Geld zu schade ist, können alle jene, die bei unlauteren Mitteln keine Skrupel haben, nicht mehr auf Reichtum hoffen. Das, und nur das wirkt. Medien werden berichten, so lange es Nachrichten gibt. In welcher Menge, in welcher Aufmachung das ist eine ganz andere Frage. Glaubwürdigkeit ist ein hohes Gut. Das gilt auch für die Tour de France, für Sport überhaupt."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen