Darts-Sensation gegen van Gerwen Barneveld wird zum "Feierbiest reloaded"
30.12.2015, 11:37 Uhr
Die totale Feier-Eskalation: Raymond van Barneveld.
(Foto: imago/Action Plus)
Die Buchmacher sind sich einig: Raymond van Barneveld hat bei der Darts-WM keine Chance gegen Michael van Gerwen. Doch "Barney" schert das gar nicht. Er spielt auf allerhöchstem Niveau und zeigt danach ungeahnte Qualitäten.
Noch zwei Pfeile. Zwei gottverdammte Pfeile, dann ist die größte Sensation der Darts-WM 2016 perfekt. Raymond van Barneveld, der eine Saison zum Vergessen hinter sich hat, bekommt die Chance, Topfavorit Michael van Gerwen aus dem Turnier zu kegeln. Er bekommt sie, weil die Nerven des derzeit besten Pfeilewerfers des Planeten wackeln wie ein Lämmerschwanz. Ein für Profis eher solides 80-Punkte-Finish lässt van Gerwen aus. Bei van Barneveld stehen noch 96 Punkte auf der Uhr.
Der Weg diese abzuarbeiten ist klar: Der erste Pfeil in die Triple 20, der zweite in die Doppel 18. "Barney" tritt ans Oche – gemächlich, konzentriert. Der erste Pfeil sitzt, der Ally-Pally – das Wohnzimmer der Darts-Profis – tobt. Dann der Zweite. Drin. Das Ding ist durch. Raymond van Barneveld hat die Sensation geschafft (4:3 nach Sätzen), hat den Weltranglisten-Ersten entzaubert - und feiert danach auf der Bühne wie nie zuvor.
Ein kleines bisschen van Gaal ...
Der 48-jährige Niederländer, der bereits fünf Mal Weltmeister war, aber zuletzt eher formschwach, springt, schreit und reißt immer wieder die Arme hoch. "Barney" wird zum Feierbiest. Wie einst sein niederländischer Landsmann Louis van Gaal, der bei der Meisterfeier des FC Bayern den Münchener Rathaus-Balkon erzittern ließ. Minutenlang ließ sich van Barneveld am späten Dienstagabend von der berauschten Menge im legendärsten aller Darts-Tempel feiern.
Dabei fing die Achtelfinal-Partie gar nicht gut an für den Altmeister, der zuletzt 2007 Weltmeister und in der Weltrangliste bis auf Platz 16 abgerutscht war. "Nach dem ersten Satz habe ich mich gefragt, was ich hier mache. Ich habe nur so Okay-Darts gespielt und Michael war fantastisch. Im zweiten Satz habe ich richtig gut gespielt und habe dann auch angefangen, an mich zu glauben. 2:1 vorne, 2:2, 3:2 vorne - und dann kamen die Emotionen", sagte "Barney" den Kollegen von Sport1. "Normalerweise hüpfe ich nie auf der Bühne rum, aber heute könnt ihr mich Kangoroo Bob nennen."
"Es schmerzt mich sehr"
Ganz anders war die Laune bei Landsmann van Gerwen. Der wirkte schon auf der Bühne zunehmend genervt. Genervt davon, dass er ungewohnt viele gute Gelegenheiten liegen ließ. So bekannte er nach dem Match: "Raymond hat gut gespielt, ich habe okay gespielt. Ich habe zu viele Würfe in entscheidenden Situationen verpasst. Das kann man sich nicht erlauben, wenn Raymond so gut spielt. Es schmerzt mich sehr."
Dabei bewegten sich die beiden Niederländer sowohl im Average (105,78 van Gerwen - 100,44 van Barneveld) als auch in der Checkout-Quote (42,86 Prozent zu 33,33 Prozent) auf absolutem Weltklasse-Niveau und lieferten sich einen offenen Schlagabtausch, in dem van Gerwen nach gutem Beginn permanent unter Druck stand. Bereits im fünften Satz musste der Weltranglistenerste sein Leg gewinnen, um in der Partie zu bleiben. Am Ende ging er als bester Verlierer der WM-Geschichte in die Darts-Annalen ein.
"Raymond hat Eier aus Stahl"
Nach van Barnevelds Wahnsinnsleistung verbeugt sich die Darts-Elite vor dem Altmeister. Ex-Weltmeister Adrian Lewis schrieb bei Twitter: "Um eins klarzustellen... Raymond hat Eier aus Stahl." Kollege Stephen Bunting, der eine Runde zuvor an "Barney" gescheitert war, postete: "Gratulation für einen weiteren fantastischen Sieg und eine fantastische Leistung. Das war ein großartiges Spiel, gut gemacht." Und großartig soll es für den Niederländer weitergehen. Vor seinem Viertelfinal-Match gegen den immer stärker aufspielenden Engländer Michael "Bully Boy" Smith, erklärt van Barneveld: "Die Weltmeisterschaft bedeutet mir alles. Ich möchte noch einmal Weltmeister werden. Ich will es allen zeigen, ich will es mir zeigen."
Die Karten bei der WM werden nach dem Coup des Niederländers nun völlig neu gemischt - ohne einen ganz klaren Favoriten. Neben van Barneveld präsentiert sich Titelverteidiger Gary Anderson bislang absolut titelreif und gab erst einen Satz ab. Adrian Lewis hat bislang sogar eine komplett weiße Weste. Beide wurden bislang aber kaum gefordert. Verunsichert wirkt dagegen Darts-Legende Phil Taylor. Bisher hat der 16-malige Weltmeister weitestgehend enttäuscht und eher von den Schwächen seines Gegners profitiert, als durch eigene Stärke geglänzt. Doch die Wiederauferstehung von van Barneveld zeigt, bei dieser WM kann alles passieren.
Quelle: ntv.de