Stars trauern um Jerry West Der Mann, der Vorlage für das NBA-Logo war, ist tot
13.06.2024, 21:01 Uhr
Jerry West wird als NBA-Legende weiterleben.
(Foto: IMAGO/Icon Sportswire)
Jerry West prägte mehr als 60 Jahre das NBA-Geschehen wie nur wenige Akteure vor und nach ihm. Der Erfolg war im Gepäck, wo immer es ihn hinzog. Er errichtete Dynastien und war Mentor für die besten Basketballer aller Zeiten. Jetzt ist "Mr. Clutch" im Alter von 86 Jahren gestorben.
Er war der Mann, der als Vorlage für das NBA-Logo herhielt. Er prägte mehr als 60 Jahre in der Association - erst als Spieler, dann als Coach, Manager und Funktionär. Er war der Architekt der vielleicht größten Dynastie im Basketball, machte aus maroden Klubs Winner und Champions, und wurde gleich dreimal in die Ruhmeshalle des Basketballs aufgenommen. Basketball-Ikone Jerry West verstarb am Mittwoch im Alter von 86 Jahren.
"Jerry West war ein Basketball-Genie und mehr als 60 Jahre eine prägende Figur in unserer Liga", sagte NBA-Commisioner Adam Silver. "Er war nicht nur NBA-Champion und All-Star in allen 14 Saisons als Spieler, sondern auch ein unübertroffener Wettkämpfer, der die größten Momente genoss. Eben 'Mr. Clutch'. (...) Jerrys vier Jahrzehnte bei den Lakers, als Cheftrainer und im Front Office, festigten seinen Ruf als eine der größten Führungskräfte in der Sportgeschichte. Ich habe meine Freundschaft mit Jerry und das Wissen, das er immer mit mir über Basketball und das Leben geteilt hat, sehr geschätzt. Im Namen der NBA sprechen wir Jerrys Frau Karen, seiner Familie und seinen vielen Freunden in der NBA-Community unser tiefstes Beileid aus."
Die versammelte NBA-Diaspora offerierte gestern ihre Beileidsbekundungen. West hat alle Generationen von Basketballern, seit Bestehen der Liga, entscheidend beeinflusst. Michael Jordan schrieb: "Ich bin tief bestürzt von Jerrys Ableben. Er war ein wahrer Freund und Mentor, war wie ein älterer Bruder für mich. Ich schätzte seine Freundschaft und seine Weisheit sehr. Ich habe mir immer gewünscht, ich hätte mich mit ihm messen können, aber je besser ich ihn kennenlernte, desto mehr wünschte ich mir, sein Teamkollege gewesen zu sein. Ich habe seinen Blick auf Basketball immer bewundert, wir waren uns in vielem sehr ähnlich. Mein Beileid an seine Frau und seine Söhne. Wir werden ihn für immer vermissen. RIP, Logo."
Immer All-Star, endlich Champion
Earvin "Magic" Johnson, der unter West seine größten Erfolge feierte, sagte: "Jerry West war mehr als ein General Manager, er war ein großartiger Freund und Vertrauter. Er war in meinen größten Momenten, wie den fünf NBA-Titeln, ebenso da wie in meinen dunkelsten, als ich meine HIV-Diagnose öffentlich machte und wir stundenlang in seinem Büro geweint haben. Mehr als nur ein Basketballspieler und Funktionär, war er vor allem ein großartiger Mann, ein Anführer, der seine Familie und Freunde über alles liebte. Heute ist ein trauriger Tag für Basketball-Fans auf der ganzen Welt."
Nachdem er an der heimischen West Virginia Universität als College-Spieler brillierte - unter anderem als wertvollster Spieler des Final Four 1959 - drafteten ihn die Lakers 1960 an zweiter Stelle. Der Umzug von Minneapolis nach Los Angeles im selben Sommer war der Beginn einer unvergleichlichen Profilaufbahn in Purple & Gold. Vor seiner ersten NBA-Partie gewann er an der Seite von Oscar Robertson Gold für die USA bei den Olympischen Spielen in Rom.
Der Youngster etablierte sich dank seiner Athletik, Wurfgenauigkeit und Abwehrstärke direkt vom ersten Tag an als einer der besten Guards in der besten Liga der Welt. West stand in jeder seiner 14 Profisaisons für die Lakers im All-Star Team und in den Playoffs, wurde zwölfmal ins All-NBA Team und fünfmal ins All-Defensive Team gewählt. Er beendete seine Karriere mit 27,0 Punkten, 5,8 Rebounds und 6,7 Assists im Schnitt.
West bleibt bis heute der einzige Finals MVP (1969) aus dem Verlierer-Team. Bis heute hat niemand mehr Punkte in den Finals erzielt als West (1.679). Jahr für Jahr scheiterten er und seine Lakers an den übermächtigen Boston Celtics. 1972 gelang ihm in achten Anlauf endlich der so ersehnte Triumph in den Finals, als er an der Seite von Wilt Chamberlain, Elgin Baylor und Gail Goodrich die Championship-Trophäe gewann.
Der beste Funktionär aller Zeiten
Insgesamt neunmal stand West in den NBA Finals. Nur Bill Russell, Sam Jones und Kareem Abdul-Jabbar kommen dort insgesamt auf mehr als Wests 55 Einsätze. Nur Michael Jordan (33,4) und Kevin Durant (29,3) haben einen höheren Karriere-Scoring-Schnitt in den Playoffs als Wests 29,1 Punkte pro Partie (Minimum 75 Einsätze). Als er seine aktive Karriere 1974 beendete, war er drittbester Korbjäger aller Zeiten, hinter Chamberlain und Robertson. Selbst heute rangiert er mit seinen 25.192 Zählern immer noch unter den Top-30 Scorern aller Zeiten.
Nach seinem Rücktritt vom aktiven Basketball 1974 arbeitete West auf Wunsch des damaligen, visionären Lakers-Besitzers Jack Kent Cooke als Scout und Assistenztrainer. Zwischen 1976 und 1979 übernahm er das Amt des Lakers-Cheftrainer, gewann 145 von 246 Partien und führte Purple & Gold in die Conference Finals. Nach drei Jahren als Talent-Begutachter avancierte er 1982 zum General Manager - und baute in dieser Rolle die ikonische "Showtime"-Dynastie um Johnson, Abdul-Jabbar und James Worthy auf. Die Lakers gewannen fünf Meisterschaften in den 1980er Jahren und begeisterten mit einem elektrisierenden, zuvor nie da gewesenen Basketball. Der Coach der Truppe war Pat Riley. "Ich liebe Jerry West. Wir liebten es, gemeinsam Lakers zu sein. Das war uns heilig", verkündete der heutige Präsident der Miami Heat, in einer emotionalen Hommage an seinen alten Weggefährten.
"Wir reiften Seite an Seite und teilten die besten und schlechtesten Momente im Leben. Wir können nur hoffen, im Leben jemanden zu treffen, der uns vehement verändert. Jerry war diese Person für mich. All diese Momente und Erinnerungen überkommen mich heute, in einem Wasserfall aus Tränen. Als wäre es gestern gewesen, dass wir nach dem Shootaround Burgers und Milchshakes und Vanillepudding mit Sahne genossen, bevor wir ein Mittagsschläfchen hielten, vor dem abendlichen Spiel."
In den 1990er-Jahren, nach dem Ende der Showtime-Lakers, erneuerte West einmal mehr seine geliebten Lakers, als er innerhalb weniger Wochen für die Draft-Rechte an einem 17-jährigen Highschool Spieler tradete und Kobe Bryant nach Los Angeles holte. Zusammen mit Shaquille O'Neal bildete er bald ein schier unbezwingbares Star-Duo, gecoacht von Phil Jackson, den West 1999 verpflichtete. Die Lakers gewannen in den Jahren 2000, 2001 und 2002 weitere drei Titel in Folge. West wird offiziell nur der erste angerechnet, weil er im Sommer 2000 seine Position als Lakers-Manager nach 18 Jahren im Amt niederlegte. Wer jedoch den seither letzten "Threepeat" orchestrierte, darüber bestehen in der NBA-Gemeinde keine Zweifel.
Mehr Erfolge, mehr Titel
Zwischen 2002 und 2007 übernahm West als General Manager die katatonischen Memphis Grizzlies, die zu jenem Zeitpunkt in jedem Jahr ihres Bestehens (seit 1995) immer mehr als 70 Prozent ihrer Spiele verloren hatten. West suchte die neue Herausforderung, einen weitaus weniger glamourösen Klub als die Lakers zu managen. Er führte die Grizzlys zu ihren ersten erfolgreichen Saisons überhaupt, den ersten drei Playoff-Teilnahmen der Franchise-Historie, und wurde dafür mit dem "Executive of the Year Award" für den besten Manager des Jahres ausgezeichnet - zum zweiten Mal nach 1995, damals noch als Laker.
2011 stieß er als Teil der Geschäftsleitung zu den Golden State Warriors hinzu. Der damals neue Teambesitzer Joe Lacob wollte West unbedingt mit an Bord haben, um die lange maroden Warriors von Grund auf umzugestalten und in einen Winner zu verwandeln. West war an allen Personalentscheidungen beteiligt und half dank seiner einzigartigen Erfahrung und Expertise, den Grundstein für eine Dubs-Dynastie zu legen. Die Selektion von Klay Thompson mit dem elften Pick im Draft ging ebenso von West aus wie die Verpflichtung von Kevin Durant als Free Agent - eine der besten Transaktionen in der Geschichte der NBA. Golden State erreichte fünfmal in Folge und sechsmal in acht Jahren die NBA Finals und gewann vier Meisterschaften (2015, 2017, 2018, 2022).
West verließ die Warriors nach ihrer zweiten Meisterschaft - "einer der traurigsten Tage meines Lebens", wie er später selbst sagte - und heuerte 2017 bei den L.A. Clippers an, wo er seither als Vorstandsmitglied und Berater arbeitete. Er war entscheidend an der Verpflichtung von Paul George und Kawhi Leonard beteiligt und etablierte die Clippers als einen der seither erfolgreichsten Klubs der Liga. Nur vier Teams haben seit der Saison 2017-18 mehr Partien gewonnen als die Clippers, die 2021 zum ersten Mal in ihrer Franchise-Historie die Conference Finals erreichten.
Royale Basketball-Eminenz
Es fallen nur wenige Personen in der Historie der NBA ein, die mehr Tragweite und Einfluss hatten. Bis ganz zum Schluss galt West als absolute Basketball-Eminenz. Bei Summer League Spielen in Las Vegas saß er regelmäßig am Spielfeldrand, und begrüßte einen Spieler nach dem anderen, die allesamt auf ihn zukamen, um ihm die Hand zu schütteln. Darunter auch LeBron James. "Ich werde unsere Gespräche wirklich vermissen, mein lieber Freund", twitterte James. "Meine Gedanken und Gebete gehen an deine wunderbare Familie. Liebe für immer, Jerry. Ruhe in Frieden, Kumpel."
West war für seine Eigenwilligkeit, Hartnäckigkeit und seinen nervösen Perfektionismus bekannt. Nur ganz selten war er mit seiner eigenen Leistung zufrieden. Zeitgenossen nannten ihn den größten Wettbewerber, den sie je getroffen hatten, einen Besessenen, der es hasste zu verlieren und nichts als Großartigkeit akzeptierte. Als Kind warf er auf einen Korb, der an die Seite eines Schuppens genagelt war, oft, bis seine Finger bluteten. Ging der Wurf daneben, musste er dem einen Abgrund hinunterrollenden Ball oft minutenlang hinterherrennen.
Später verriet West, in seinen Memoiren "West by West: My Charmed, Tormented Life", dass Basketball seine Therapie war. Darin schilderte er einen lebenslangen Kampf gegen Depressionen, ausgelöst von einem missbräuchlichen Vater und einer Kindheit ohne Liebe und voller Wut. Er fühlte sich oft wertlos, und um dem entgegenzuwirken, habe er seine gesamte Energie stets gänzlich in den Basketball gesteckt.
"Ich war ein Träumer", sagte West einst. "Meine Familie hatte nicht viel, aber ich starrte immer von unserer Veranda auf die Appalachen vor unserem Haus und fragte mich, was ich wohl auf der anderen Seite sehen würde, wenn ich es jemals bis auf die Spitze des Berges schaffen würde. Nun, ich habe es auf die andere Seite geschafft, und meine Träume wurden wahr. Alles dank dieses springenden Balls..."
Quelle: ntv.de