Gespött der Stadt vermieden Bayern wollen dreifach ernten
28.02.2008, 12:28 UhrSie umarmten sich und feierten, als hätten sie schon das begehrte Triple gewonnen. Dabei hatte der deutsche Fußball-Rekordmeister Bayern München gerade eben mit viel Mühe und nur dank eines genial verwandelten Elfmeters von Franck Ribery in der Nachspielzeit der Verlängerung (120.+2) beim 1:0 (0:0) n.V. eine Blamage im 204. Derby gegen Zweitligist 1860 München abgewendet.
Der 20. Einzug in ein Halbfinale im DFB-Pokal gegen die aufopferungsvoll kämpfenden und am Schluss bitter enttäuschten Löwen offenbarte jedoch deutlich die momentanen Schwächen der Bayern. Kapitän Oliver Kahn schlug deshalb nach dem Pokal-Krimi und vor dem Bundesliga-Spitzenspiel am Samstag (15.30 Uhr/live in Premiere) bei Schalke 04 erneut Alarm.
"Dieses Spiel hat exakt unser Manko gezeigt: Wir bestimmen das Spiel, aber es kommt nichts dabei heraus. Es ist momentan sehr zäh und schwierig", monierte der Keeper nach dem letzten Derby seiner Karriere.
Auch Manager Uli Hoeneß kritisierte wie bereits am Sonntag nach dem 1:1 gegen den Hamburger SV den fehlenden Killerinstinkt des Bundesliga-Spitzenreiters: "Wenn man so viele Chancen hat und das Tor nicht macht, muss man sich nicht wundern, wenn man 120 Minuten spielen muss."
Es war aber nicht nur die mangelhafte Chancenverwertung, die vor 69.000 Zuschauern Anlass zur Besorgnis gab. Vor allem in der ersten Hälfte eines keineswegs hochklassigen, aber immer spannenden Derbys mit drei Gelb-Roten (Luca Toni, Benjamin Schwarz, Markus Thorandt) und fünf Gelben Karten wurde wieder die Abhängigkeit der Bayern von Ribery deutlich.
Erst nach der Einwechslung des Franzosen (46.) schafften es die bis dahin spielerisch enttäuschenden "Roten" hin und wieder, die gut organisierte 1860-Abwehr in Gefahr zu bringen. "Ich bin nicht zufrieden. Wir hatten zuviele Ballverluste und zu wenig Bewegung", moserte Trainer Ottmar Hitzfeld.
Abgesehen von den Kritikpunkten war die Erleichterung bei den Bayern jedoch groß, sich nicht zum Gespött der Stadt gemacht zu haben. Er sei "sehr glücklich", meinte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. "Wenn wir verloren hätten, hätten wir uns wieder wochenlang etwas anhören müssen", sagte Hoeneß - und grinste als wäre der FC Bayern gerade zum 14. Mal Pokalsieger geworden.
Nun will der FC Bayern weiter "daran arbeiten, die Ernte in allen drei Wettbewerben einzufahren. Schon auf Schalke werden wir wieder angreifen", betonte Rummenigge. Auch Hitzfeld sieht trotz der hohen Belastung "gute Chancen. Wir sind gut trainiert und werden auch auf Schalke auf Sieg spielen."
Während die Bayern nach einem langen Pokalabend kurz vor Mitternacht einigermaßen entspannt aus der Arena schlenderten und zuvor noch durch Trainer Hitzfeld klarstellten, "dass wir immer die Nummer eins in der Stadt waren und auch bleiben werden", haderten die Sechziger mit ihrem Schicksal.
"Das ist schon sehr bitter, wenn man so bestraft wird", meinte Sportdirektor Stefan Reuter und spielte auf die entscheidende Szene der Partie an, als Chhunly Pagenburg in der Nachspielzeit Miroslav Klose gefoult hatte. Selbst in Zeitlupe war nicht genau zu klären, ob die Attacke vor oder im Strafraum war.
Peter Gagelmann (Bremen) entschied dennoch auf Strafstoß und zog sich den Zorn der Löwen zu. "Wenn ich das im Fernsehen sehe, bin ich schon wütend. Das ist eine waghalsige Entscheidung", schimpfte 1860-Trainer Marco Kurz.
Waghalsig war dann auch die Ausführung durch Ribery. Nachdem Gagelmann den zunächst verwandelten Elfmeter noch zurückgepfiffen hatte, lupfte Ribery den Ball bei der zweiten Ausführung lässig, eiskalt und laut Hoeneß "verrückt" in die Tormitte. "Solche Spieler gibt es ganz wenige auf der Welt, die das in einer mental so schwierigen Situation machen. Das ist legendär", lobte Kahn seinen Kollegen. Auch Hitzfeld bescheinigte dem 24-Jährigen, "ausgebufft und unheimlich frech" zu sein: "Er ist der Held des Spiels."
Die Verantwortlichen der Löwen waren indes "sehr stolz auf unsere tolle, junge Mannschaft. Wir haben uns viel Respekt erarbeitet", sagte Reuter. Die Leute wüssten jetzt, "dass München nicht nur rot, sondern auch blau ist", meinte Kurz und hoffte wie Reuter darauf, "dass wir das Selbstvertrauen auch in die Liga mitnehmen". Am Sonntag kommt Aachen in die Arena.
Die Bayern blickten ebenfalls voraus - und das nicht nur in Richtung Schalke. Am Sonntag findet die Auslosung der Halbfinals im DFB-Pokal statt. Nach seinem Wunschlos gefragt, sagte Hoeneß verschmitzt: "Jena - zu Hause."
Von Thomas Niklaus und Marco Mader, sid
Quelle: ntv.de