Sport

"Das ist ein absolutes Unding" Beachvolleyballer wüten gegen Termin-Irrsinn

Am Ende ihrer Kräfte: Laura Ludwig (l.) und Kira Walkenhorst.

Am Ende ihrer Kräfte: Laura Ludwig (l.) und Kira Walkenhorst.

(Foto: dpa)

Die Weltmeisterinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst scheiden bei den Deutschen Meisterschaften früh aus und hadern mit der Termin-Willkür der Verbände. Die prügeln vier Höhepunkte in nur fünf Wochen durch.

Jürgen Wagner war geladen. Der Trainer wollte gerade zu einer Generalkritik ansetzen, musste das jedoch unterbrechen, um seine Spielerin zu trösten. Kira Walkenhorst tauchte am Eingang zum VIP-Bereich neben dem Center Court in Timmendorfer Strand auf, die Augen von vielen Tränen gerötet, sie benötigte dringend Zuspruch. Wagner nahm seinen Schützling lang und innig in die Arme. Kein Wort des Vorwurfs, nur Mitgefühl.

Es ist schwierig zu akzeptieren, in einem Turnier frühzeitig zu scheitern, das man unter normalen Umständen mit großer Sicherheit gewinnt. Olympiasieger, Weltmeister, Europameister, Gewinner de s World Tour Finals – Laura Ludwig und Kira Walkenhorst haben im Beachvolleyball alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt und ihre Sportart bei den Frauen auf ein neues Niveau gehoben. Bei den Deutschen Meisterschaften im Ostseebad Timmendorfer Strand werden sie in den Statistiken für das Jahr 2017 auf Rang fünf notiert und nicht wie gewohnt ganz oben.

"Wer so plant, hat keine Ahnung"

Das ist außergewöhnlich, hat aber Gründe. Und damit zurück zur Wagnerschen Generalkritik. Es sei ein "absolutes Unding, die vier Saisonhöhepunkte innerhalb von fünf Wochen durchzuziehen", schimpfte der Mann aus dem Ruhrgebiet, der die Dinge gewohnt klar und analytisch auf den Punkt brachte: "So etwas gibt es in keiner anderen Sportart. Wer so was plant, hat keine Ahnung vom Sport. Aber wenn die Verbände nicht in der Lage sind zu kooperieren, hast du keine Chance."

Der Zorn von Wagner ist nachvollziehbar, wenn man sich den Terminplan anschaut, der den Spitzenathleten in diesem Sommer zugemutet wurde: Zuerst die WM in Wien bei tropischen Temperaturen mit über 60 Grad im Stadion auf der Donauinsel, direkt im Anschluss die EM in Lettland, das World Tour Final im Tennisstadion am Hamburger Rothenbaum und dann auch noch obendrauf als Höhepunkt der nationalen Tour die Deutschen Meisterschaften in Timmendorfer Strand. Es ist ein Irrsinn, der nicht nur der Leistung abträglich ist, sondern auch die Gesundheit gefährdet.

Verbände verheizen Kapital

Viel zu viel, um immer auf der Höhe zu sein, wie Laura Ludwig findet: "Es ist gar nicht möglich, das voll durchzuziehen. Du kannst dich gar nicht richtig erholen, deine Energie geht dir flöten." Solche Worte aus dem Mund eines Energiebündels wie der Abwehrspielerin Laura Ludwig, deren Kraftreserven unerschöpflich scheinen, sollten alle Entscheidungsträger zum Nachdenken animieren. Es ist ein gefährlicher Kurs, auf dem sich der Weltverband FIVB, der europäische Verband CEV und der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) befinden, wenn sie das größte Kapital verheizen, das sie haben: Die Athleten.

Zudem ist es kontraproduktiv, in einer derart boomenden Sportart nicht dafür zu sorgen, dass die Besten der Zunft bei den großen Turnieren in Bestform agieren können. Man stelle sich einmal vor, im Fußball würden WM, EM, Confed Cup und das Champions-League-Finale innerhalb weniger Wochen durchgeprügelt. "Die Leute würden auf die Barrikaden gehen", sagt Wagner, "und das zu Recht."

Was im Milliarden-Business Fußball unmöglich erscheint, wird den Beachvolleyballern zugemutet. Laura Ludwig und Kira Walkenhorst gewannen zwar ihr Heimspiel in Hamburg und wurden als erstes europäisches Frauenteam Weltmeister, doch beim nationalen Gipfel stießen sie an ihre Grenzen. Körper und Geist waren so ausgelaugt, dass viel von dem, was in bester Verfassung automatisch funktioniert, nicht mehr klappte. Das Aus kam gegen Melanie Gernert und Tatjana Zautys, zwei Spielerinnen, die unter normalen Umständen gegen solche Ausnahmekönner chancenlos sind.

Die Akkus sind leer

Im Lager der Olympiasieger und Weltmeister herrschte Trauer, aber auch "Erleichterung, dass es jetzt vorbei ist", sagte Kira Walkenhorst: "Wir haben gestern schon gemerkt, dass der Akku leer ist. Es war ein geiles, aber auch ein extrem hartes Jahr", berichtete die Blockerin, die Einblick in ihre Gefühlwelt gab: "Du versuchst Tag für Tag, gegen die Müdigkeit anzukämpfen und du merkst, dass es von Tag zu Tag schwieriger wird."

Dass sie unter solch extremen Umständen auf den Sandplatz gehen muss, macht Laura Ludwig ratlos und wütend: "Wir versuchen in einem extrem professionellen Umfeld alles, um Beachvolleyball zu promoten und einem breiten Publikum zu zeigen, dass wir einen technisch, athletisch und taktisch hochattraktiven Sport ausüben. Aber mit dieser Terminierung ist das nicht möglich." Die 31-Jährige Berlinerin spricht von "fehlender Wertschätzung, wenn man uns nicht die Zeit gibt, uns adäquat zu regenerieren".

Die stets fröhliche Abwehrspielerin sagte, sie werde nun versuchen, "Timmendorf als Zuschauerin zu genießen. Das ein oder andere Weinchen trinken, das kenne ich ja hier sonst nicht." Ihre Partnerin Kira Walkenhorst sagt, sie habe sich "noch nie so sehr auf den Urlaub gefreut". Auch in ihrer Freizeit zieht es die Essenerin an den Strand: "Aber nur hinlegen und keinen Ball anfassen."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen