Lebende Legenden Becker bezwingt Stich
26.08.2002, 11:28 UhrEin strenger Leibwächter geleitete Boris Becker zum Hintereingang, Michael Stich ging dagegen mitten durch den Reporter - Pulk und gab entspannt Fernseh-Interviews. Auch nach dem sportlichen Wiedersehen der beiden besten deutschen Tennis-Profis war es wie früher: Mehr Wirbel um Becker, Bemerkenswertes von Stich - auch über Becker: "Ich hoffe, dass er das Leben leben kann, das er leben will und dass man ihn dies auch lässt", sagte Stich.
Es schien, als würde Becker nur deswegen wieder regelmäßig zum Schläger greifen, weil ihm auf dem Tennisplatz Erfolge und Zuspruch sicher sind - so wie am Sonntag in Berlin, wo ihm und Stich bei Eintrittspreisen zwischen 12 und 95 Euro 7.000 Fans zujubelten. Zusätzlich verfolgten zwei Millionen Fernseh-Zuschauer das Duell der Mittdreißiger, die den Gewinn ihren Stiftungen zukommen lassen. "Ich hätte nicht gedacht, dass der Zuspruch noch so groß ist", gestand Becker, "aber wenn die richtigen Leute auf dem Platz stehen, gibt es offenbar immer noch einen Boom."
Die Nachfolger Thomas Haas, Nicolas Kiefer und Rainer Schüttler, die Stich beim Daviscup als Kapitän betreut, können daran nicht anknüpfen. Die Voraussetzungen für bessere Zeiten seien inzwischen aber geschaffen, versicherte Becker: "In drei bis fünf Jahren werden wir etwas ernten." Es sei immer schwierig, so erfolgreichen Vorbildern nachzueifern, befand Stich, fügte aber hinzu, selbst Haas fehle die Konstanz. "Ich kann das Image nicht aufpolieren, das müssen die Spieler über Enthusiasmus im Daviscup erreichen. Wenn sie sich zusammenraufen und ein gemeinsames Ziel haben, dann stellt sich auch der Erfolg ein", sagte Stich, der mit Rivale Becker 1992 Olympia-Gold im Doppel holte. Inzwischen gebe es im Leben der beiden keine Berührungspunkte, fügte der Elmshorner ohne hörbare Wehmut hinzu. Den Ehrgeiz, eine solche sportliche Begegnung zu wiederholen, habe er nicht. Allerdings schlossen weder Stich noch Becker eine Wiederholung aus.
Der Berliner German-Open-Turnierdirektor Eberhard Wensky hat zudem einen Ländervergleich des deutschen Duos mit den US-Altstars John McEnroe und Jimmy Connors über zwei Tage angeregt. Solche Figuren und ihre Geschichten sind in der jetzigen Szene rar. "Man hat als 35-Jähriger eben mehr zu berichten", meinte Becker vieldeutig. Der dreimalige Wimbledon-Sieger sieht sich erst am Anfang einer zweiten Karriere, doch welche Pläne er schmiedet, behielt er für sich. Der Leimener ließ zumindest durchblicken, wie sehr die privaten Schwierigkeiten an ihm zu nagen scheinen: "Zum Glück gibt es das Ausland, wo das Privatleben privat bleibt. Aber ich bin Deutscher, ich liebe dieses Land und lebe auch hier."
(Von Robert Semmler, dpa)
Quelle: ntv.de