Real fürchtet Kahn Capellos letztes Spiel?
19.02.2007, 13:32 UhrVor dem Krisengipfel auf großer Bühne fürchten die einstmals "Galaktischen" von Real Madrid den alten Titan: "Dies ist der Feind. Das Monster kehrt ins Bernabeu-Stadion zurück", schrieb die spanische Zeitung "Marca" und druckte auf der Titelseite ein gigantisches Foto von Bayern Münchens Torhüter Oliver Kahn. Mit schlammverschmutztem Gesicht und kämpferischer Mimik verbreitet immerhin der Kapitän des schwächelnden deutschen Meisters noch immer Angst und Schrecken.
Nicht zuletzt, weil Real vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen die Bayern am Dienstagabend selbst in der Krise steckt: 24 Stunden vor dem Spiel berichtet der spanische Radiosender Cadena COPE, Real-Trainer Fabio Capello habe seinen Rücktritt erklärt und werde im Achtelfinalhinspiel zum letzten Mal bei Real auf der Bank sitzen. "Uns ist davon nichts bekannt", dementierte umgehend Reals Vorstandssprecher Miguel ngel Arroyo. Er wollte aber nicht bestätigen, dass Capello am kommenden Wochenende im Lokalderby gegen Atltico Madrid noch auf der Trainerbank sitzen wird.
In solch schwierigen Zeiten setzt der spanische Rekordmeister auf die "Unterstützung" von Kahn. "80.000 Fans bitten ihn um einen Patzer", ließ die "Marca" wissen und funkte wie so oft in den vergangenen Wochen SOS.
Real-Stürmer Ruud van Nistelrooy verweist da lieber auf die offensichtlichen Baustellen bei den Bayern. "Die haben gleich mehrere Probleme", lästerte der Niederländer, der einst mit einem Wechsel nach München liebäugelte. Für van Nistelrooy, in dieser Champions-League-Saison bislang viermal erfolgreich, soll das Duell mit der Kahn-Elf zum Wendepunkt werden. "Das ist das wichtigste Spiel des Jahres für uns. Wir müssen eine Runde weiterkommen, um wieder Selbstvertrauen zu bekommen", forderte "Van the Man" und will sich von den Negativschlagzeilen nicht beeindrucken lassen.
Auch Madrids Torhüter Iker Casillas hält von den martialischen Parolen der Presse vor "der Schlacht Europas" ("AS") nicht viel. Der 25-Jährige spricht viel lieber von "einem Duell auf Augenhöhe zwischen zwei Topklubs". Doch die Voraussetzungen sind diesmal gänzlich andere als gewöhnlich.
Beide Clubs patzten
Symptomatisch, dass die Bayern ihre Generalprobe bei Alemannia Aachen (0:1) verpatzten, während auch die "Königlichen" nach der Nullnummer gegen Abstiegskandidat Betis Sevilla nur Negativschlagzeilen ernteten. Vier Punkte beträgt der Rückstand von Real auf Spitzenreiter FC Barcelona. Die Fans auf die Barrikaden bringt aber die Art und Weise, wie das zusammengewürfelte Starensemble im heimischen Estadio Santiago Bernabeu agiert.
Nur zwölf Treffer in zwölf Heimspielen der Primera Divison sind ein Armutszeugnis und der Beweis der destruktiven Spielweise unter Trainer Fabio Capello. "Wir bekommen oft nur zwei, drei Chancen pro Spiel. Da muss man als Stürmer hundertprozentig konzentriert sein", lamentierte van Nistelrooy, während Madrids Ex-Trainer Vicente Del Bosque in der Berliner Tageszeitung "Die Welt" lästerte: "Es fehlt an Schnelligkeit, es fehlt an Dominanz. Alle sind sich einig, dass Real nicht gut Fußball spielt."
Als Sündenbock gilt vor allen Dingen Capello: Längst wird spekuliert, dass der Einzug ins Viertelfinale der "Königsklasse" eine Bedingung für die Zukunft des Italieners beim 29-maligen Meister ist. Der Coach des B-Teams von Real, Miguel "Michel" Gonzalez, soll bei einer möglichen Trennung von Capello als Interimstrainer bereit stehen.
"Real bleibt Real"
Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld lässt sich von den Problemen des Gegners, der die Deutschen nicht nur bei den jährlichen TV-Einnahmen (55 Millionen Euro) um mehr als das Doppelte übertrifft, aber nicht beeindrucken: "Real bleibt Real. Das ist ein Mythos. Sie haben unheimlich Gutes geleistet", schwärmte Hitzfeld - mit Blick in die Vergangenheit. In den sieben bisherigen K.o. -Duellen mit den Bayern konnten sich die "Königlichen" viermal durchsetzen. Auch bei den letzten beiden Vergleichen 2002 (Viertelfinale) und 2004 (Achtelfinale) waren die Madrilenen die strahlenden Sieger.
Allerdings plagen den Tabellen-Vierten der Primera Division personelle Sorgen. Ob Außenverteidiger Sergio Ramos (Verletzung am rechten Knöchel) spielen kann, steht noch nicht fest. Auch sein Abwehrkollege Roberto Carlos ist nach einem Muskelfaserriss in der rechten Wade noch nicht hundertprozentig fit, soll aber eingesetzt werden. Definitiv fehlen werden die verletzten Mahamadou Diarra und Cicinho. David Beckham darf trotz seiner Roten Karte in der Ligapartie gegen Sevilla am Wochenende in der Champions League auflaufen.
Magath sieht FC Bayern im Vorteil
Ausgerechnet Felix Magath sieht in seiner Entlassung einen womöglich entscheidenden Vorteil für Bayern München. "Der Trainerwechsel sollte den Ausschlag für den FC Bayern geben, dadurch scheint mir eine neue Stimmung in die Mannschaft hineingekommen zu sein", schreibt der 53 Jahre alte Fußballlehrer, der beim deutschen Rekordmeister vor drei Wochen Ottmar Hitzfeld weichen musste, in einer Kolumne für das Fachblatt "kicker".
Er sehe die Bayern im Achtelfinale gegen Real "im Vorteil", weil sie in einer sportlich kritischen Situation im Gegensatz zum spanischen Rekordmeister gehandelt hätten. "Sie haben mit dem Trainerwechsel Ottmar Hitzfeld für Felix Magath etwas unternommen, während bei Real alles beim Alten geblieben ist; nach wie vor herrscht große Unruhe bei den Spaniern", erläutert Magath. Denn auch bei ihnen wird eben nicht "alles beim Alten" bleiben, wie die Berichte über den Rücktritt zeigen. Bis jetzt wollte man Trainer Capello nach Möglichkeit bis zum Saisonende im Amt halten, weil der Club dem Italiener sonst eine Entschädigung von 16 Millionen Euro zahlen müsste. Dieser Plan scheint an den lauten Forderungen der Fans nach der Entlassung Capellos zu scheitern.
Hoffnungsträger Podolski
Unterdessen hat Ottmar Hitzfeld Stürmer Lukas Podolski zum Hoffnungsträger des FC Bayern erklärt. "Er ist dem Druck gewachsen. Das hat er bei der WM bewiesen", sagte der Bayern-Trainer am Montag.
Hitzfeld hofft auf einen Befreiungsschlag des deutschen Fußball-Rekordmeisters im europäischen Krisengipfel. "Es geht darum Real auszuschalten. Dann wird sich der FC Bayern in Europa und Deutschland zurückmelden", sagte er. Auch Karl-Heinz Rummenigge hofft auf eine Trendwende: "Jetzt wird sich zeigen, wer die größeren Probleme hat", sagte der Vorstandschef.
In Spanien rettet sich die Tageszeitung "Marca" nach der trostlosen Nullnummer der einstmals "Galaktischen" von Real Madrid in puren Sarkasmus. "Madrid machte wieder ein fürchterliches Spiel. Aber verzweifelt nicht: Bayern ist noch schlechter", kommentierte das Blatt das 0:0 der "Königlichen" gegen Betis Sevilla.
Quelle: ntv.de