"Es verändert dich als Mensch" Caster Semenya bricht ihr schmerzhaftes Schweigen
09.12.2023, 12:40 Uhr
Beim ISTAF in Berlin war Semenya regelmäßig zu Gast, im Olympiastadion hatte sie bei der WM 2009 ihren ersten großen Titel gewonnen.
(Foto: imago/Chai v.d. Laage)
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt Caster Semenya, dass die Regeln des Leichtathletik-Weltverbandes sie diskriminieren. Die zweifache Olympiasiegerin fühlt sich dazu verpflichtet, öffentlich gegen "die Mächtigen" vorzugehen.
Leichtathletik-Olympiasiegerin Caster Semenya will nach langem Schweigen ihre Stimme erheben und Veränderungen im Sport anstoßen. "Die Stimme der Athleten zählt nichts, das Sagen haben die Mächtigen. Es geht darum, dass die Athleten an erster Stelle kommen müssen", sagte Semenya, die ihre aktive Karriere mittlerweile beendet hat, im "Sportschau"-Interview.
Sie wolle ein "Vorbild für die Jungen sein", damit sie sich "nicht mehr verstecken, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Und sich nicht mehr von den Mächtigen ausbeuten lassen. Das ist jetzt meine Aufgabe, ich bin glücklich, dort wo ich bin. Man kann mir verbieten, weiter Wettkämpfe zu bestreiten, aber nicht zu leben, als Individuum", ergänzte Semenya, die lange Zeit keine Interviews gegeben hatte.
Die Südafrikanerin hatte 2012 und 2016 Olympia-Gold über 800 Meter gewonnen, 2009, 2011 und 2017 wurde sie Weltmeisterin - seit 2019 aber darf sie wegen der sogenannten Testosteron-Regel nicht mehr bei internationalen Rennen über ihre Paradestrecke antreten. Semenya führt in diesem Zuge einen Rechtsstreit mit dem Schweizer Bundesgericht.
"Wir brauchen eine neue Führung"
Semenya hatte dabei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen juristischen Teilerfolg erzielt. Die darauffolgende Berufung der Schweizer, die vom Leichtathletik-Weltverband World Athletics (WA) unterstützt werden, wird nun vor der höchsten EGMR-Kammer endgültig verhandelt und dort somit entschieden, inwieweit die Testosteron-Regel von WA diskriminierend ist.
"So wie jeder Mensch das Recht hat zu leben, so hat er auch das Recht, an der Welt des Sports teilzuhaben. Das herrschende System aber im Weltsport ist das alte Muster von Ausgrenzung, Missbrauch und Diskriminierung. Wir brauchen eine neue, universelle Sprache, eine andere Führung. Wenn der Sport für alle da sein soll, wie es immer behauptet wird, dann müssen wir dies vorantreiben", sagte Semenya.
Die Medikamenten-Einnahme während ihrer aktiven Karriere sei "die Hölle" gewesen, schilderte sie, "du arbeitest in einem Tunnel ohne Licht. Es verändert alles. Es verändert deine Gefühle. Du fühlst dich jeden Tag schwach. Du bist jeden Tag krank. Aufgebläht", führte die 32-Jährige aus und ergänzte: "Du isst ununterbrochen. Du nimmst zu. Es verändert dich einfach als Mensch. Das ist nicht das Leben, das man haben will."
Quelle: ntv.de, tsi/sid