Trotz Krise "immer auf Stand-by" Chaotische Torturen schlauchen Rad-Profis
09.11.2020, 16:32 Uhr
Ein letzter Sprint, dann ist Schluss.
(Foto: imago images/Sirotti)
Der Radsport schafft, wovor andere kapitulieren: Viele Fahrer verschiedener Nationen treffen sich zu Wettkämpfen. Auf offener Straße, in Hochrisikogebieten. Der Aufwand und der Mut werden belohnt: die strikte "Rennblase" hält. Doch die Saison zehrt an allen.
Pascal Ackermann lag in den Armen seiner Teamkollegen und brüllte seine pure Freude in den Himmel über Madrid. "Danke Jungs!", schrie der deutsche Radprofi nach dem Sieg auf der Schlussetappe der Vuelta im Herzen der spanischen Hauptstadt. Nicht alle der 142 Fahrer, die am Sonntag Madrid erreichten, konnten derart ausgelassen feiern wie Bora-hansgrohe-Sprinter Ackermann oder der slowenische Gesamtsieger Primoz Roglic (Jumbo-Visma). Doch ein Gefühl einte die Radprofis über alle Grenzen hinweg: Erleichterung.
Die chaotische und von der Corona-Pandemie stark beeinflusste Saison hatte endlich ein versöhnliches Ende gefunden. "Ich würde das als großen Erfolg für unseren Sport werten. Man muss den Veranstaltern ein großes Kompliment machen", sagte Bora-Teammanager Ralph Denk dem SID: "Sie haben hart zu kämpfen gehabt mit den Regierungen, damit sie schlussendlich die Genehmigungen für die Rennen bekommen."
Im März hatte die Pandemie auch den Radsport in die Knie gezwungen. Nach dem Abbruch der Fernfahrt Paris-Nizza - gewonnen durch Ackermanns Teamkollegen Maximilian Schachmann - war vorerst Schluss. An Radrennen war nicht zu denken, je nach Wohnort war den Fahrern sogar das Training im Freien verboten. Rennen in Europa fanden nicht vor Ende Juli statt, die WorldTour wurde erst mit dem italienischen Eintagesrennen Strade Bianche am 1. August wiederaufgenommen.
"Sogenannte Corona-Pause war keine Pause"
Die lange Zwangspause kostete Kraft, nicht zuletzt nagte die lange Ungewissheit an den Fahrern. Die Teams hätten unterschätzt, "dass die sogenannte Corona-Pause keine Pause war", sagte Denk: "Die Rennfahrer waren immer auf Stand-by. Wenn du auf Stand-by bist, kannst du einfach nicht regenerieren." Viele sehnten sich nun danach, dass jetzt Schluss sei: "Es war eine anstrengende Saison für die Rennfahrer." Der Aufwand, den alle Beteiligten betrieben, zahlte sich aus. Die drei großen Landesrundfahrten Tour de France, Giro d'Italia und Vuelta erreichten ihr Ziel, vier von fünf Monumenten wurden ausgefahren, dazu diverse prestigeträchtige Eintages- und Etappenrennen beendet. Das Konzept der strikten "Rennblase" erwies sich als wirksam.
Auch wirtschaftlich wurden so schwerste Folgen für die extrem von Sponsorengeldern abhängige Sportart abgewendet. "Wir stehen im Radsport im Vergleich zu anderen Sportarten sehr gut da", sagte Denk. Es sei aktuell ein großer Vorteil, "dass wir ein kompletter Fernsehsport und nicht auf zahlende Zuschauer angewiesen sind". Denk blickt deshalb optimistisch ins kommende Jahr, obwohl etwa die für Januar in Australien geplante Tour Down Under bereits ersatzlos gestrichen worden ist. "Wir gehen davon aus, dass in Europa ganz normal Rennen gefahren wird. So laufen unsere Planungen", sagte er.
Kommt nichts dazwischen, macht die WorldTour in Europa 2021 beim belgischen Eintagesrennen Omloop Het Nieuwsblad am 27. Februar erstmals Station. Zuvor soll die UAE Tour in den Vereinigten Arabischen Emiraten (21. bis 27. Februar) stattfinden.
Quelle: ntv.de, Emanuel Reinke, sid