Olympia 2008 China trumpft auf
07.08.2007, 00:00 UhrChina will die Sommerspiele 2008 zu einem sportlichen und organisatorischen Höhepunkt der olympischen Geschichte machen. Ein Jahr bevor das Olympische Feuer neuen Olympiastadion entzündet wird, laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verteilt Bestnoten: "Ausgezeichnete Fortschritte sind gemacht worden", bescheinigte der Vorsitzende der IOC-Koordinierungskommission, Hein Verbruggen, den Organisatoren beim jüngsten Kontrollbesuch.
Lob und Kritik
Anders als 2004 in Athen läuft der Bau der Wettkampfstätten nach Plan. Die spektakulären neuen Stadien und Sportanlagen "haben uns den Atem geraubt", sagte Verbruggen. Der Yachthafen von Qingdao, die Reiterstadien in Hongkong sowie die Fußball-Arenen in Shanghai, Tianjin, Qinhuangdao und Shenyang - in insgesamt 39 Anlagen geht es vom 8. bis 24. August 2008 in 28 Sportarten um 302 Medaillensätze aus Gold, Silber und Bronze.
Allerdings ist auch die Luftverschmutzung in Peking ziemlich Atem beraubend. Der Smog hüllt die 15-Millionen-Metropole in grauen Dunst, obwohl "grüne" Spiele versprochen worden waren. Die Stadtregierung will aber mit radikalen Maßnahmen, die vielleicht nur in einem System wie in China möglich sind, den Himmel aufklaren und die Straßen freimachen: Eine Million Autos werden Fahrverbot bekommen, die meisten Fabriken vorübergehend stillgelegt. "Gute Verkehrsbedingungen zu schaffen, gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben", sagte der Vizepräsident des Organisationskomitees BOCOG, Jiang Xiaoyu.
Kostspielige Bauten
Mit fast vier Milliarden Yuan (400 Millionen Euro) wird die 30 Jahre alte U-Bahn renoviert und um zwei Linien ausgebaut. Wie hoch die Kosten für die Spiele insgesamt werden, weiß niemand. Chinesische Funktionäre betonen, alles liege im Plan, weigern sich aber, eine konkrete Zahl für die Investitionen zu nennen. "Weniger als in Athen oder Sydney", will der Chefingenieur des Baukomitees, Wu Jingjun, weiß machen, damit keinerlei Kritik aufkommen soll. Schließlich leben in China heute immer noch mehr als 100 Millionen Menschen in Armut.
Fest steht lediglich, dass gewaltige Summen aus den Rekorderlösen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) für die Vergabe der Fernsehrechte (USA/NBC 894 Millionen Dollar, Europa/EBU 443 Millionen) in die BOCOG-Kasse fließen. Was nicht ohne Einfluss auf das Programm geblieben ist: Die attraktiven Finals im Schwimmen und Turnen finden auf Druck von NBC vormittags und damit in der amerikanischen Prime Time statt. Europäer müssen um 04.00 Uhr vor dem Bildschirm sitzen, wenn sie live dabei sein wollen.
Politisches Rahmenprogramm
Die kommunistische Führung wirft ihr volles Gewicht in das Vorhaben und mobilisiert alle nötigen Mittel, damit die Spiele ein Erfolg werden. Gleichwohl fährt nicht jeder Bulldozer, der die Hutong-Gassen platt walzt und das traditionelle Gesicht Pekings zerstört, auch für Olympia. Die Hauptstadt ist nur Spiegelbild der am schnellsten wachsenden großen Volkswirtschaft, die China mit zweistelligen Wachstumsraten zur viertgrößten Wirtschaftsmacht katapultiert hat. Das Land steht voll hinter Olympia. Als 100.000 freiwillige Helfer gesucht wurden, meldeten sich eine halbe Million.
Allerdings drohen politische Kontroversen um China - sei es um seine Rolle in der Flüchtlingskrise im sudanesischen Darfur oder die Menschenrechtskritik - die Spiele zu überschatten. Schon der Fackellauf ist umstritten. Dass die olympische Flamme durch Tibet auf den höchsten Berg der Erde, den Mount Everest, getragen werden soll, erzürnt jene, die Chinas Herrschaft über das größte Hochland der Erde kritisieren. Auf Druck des IOC hat die Regierung in Peking zwar die Bewegungsfreiheit ausländischer Korrespondenten gelockert, den eigenen Journalisten aber keine neuen Freiheiten zugestanden.
Störungsfreie Sicherheit
Während der Spiele wird der bisher wohl größte Olympia-Einsatz von Sicherheitskräften erwartet. Neben rund 100.000 Polizisten ist Chinas Militär in einem Maße mobilisiert, das deutlich über frühere Spiele in anderen Ländern hinausgeht. "Wenn etwas schief geht, werden wir den historischen Schaden haben", erinnerte BOCOG-Vize Jiang Xiaoyu angesichts der gewachsenen weltweiten Terrorgefahr an die tragischen Erfahrungen Deutschlands mit dem Anschlag 1972 in München.
Der Sicherheitseinsatz, bei dem zusätzlich 900.000 Bürger der Hauptstadt ein wachsames Auge auf ihre Nachbarschaften werfen werden, richtet sich auch gegen erwartete Protestaktionen. All jenen, die anlässlich der Spiele in Peking etwa gegen Chinas Tibetpolitik, die Verfolgung muslimischer Uiguren in Xinjiang oder das Verbot der Kultbewegung Falun Gong demonstrieren wollen, soll schon die Einreise verweigert werden. Es gelte, Störungen durch Organisationen zu verhindern, "die während der Olympischen Spiele Druck auf Chinas Regierung ausüben wollen", schrieb die Staatsagentur Xinhua.
Von Andreas Landwehr, dpa
Quelle: ntv.de