Volleyballer verpassen Olympia Das bittere Ende für den "Hammer Schorsch"
11.01.2020, 09:57 Uhr
Bereits beim zweiten Ballwechsel verletzte sich Georg Grozer. Er spielte zwar weiter, war aber offenbar nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte.
(Foto: imago images/Bernd König)
In fast allen Belangen unterlegen: Die deutschen Volleyballer haben im finalen Kampf um das Olympia-Ticket keine Chance gegen Frankreich. Die Niederlage schmerzt aber gleich doppelt: Denn in Berlin endet nun auch die erfolgreichste Ära des Männer-Teams.
Ulrich, der 100 Mal für Deutschland ans Netz gegangen ist, steht mit seiner roten Trainingsjacke der deutschen Volleyball-Nationalmannschaft auf der Tribüne der Max-Schmeling-Halle im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg und feuert die Mannschaft in schwarz an. Seine Frau Sabine hält es schon lange nicht mehr neben ihrem Mann. Sie tigert nervös oben auf dem Gang entlang, wo sich ihr Weg immer wieder mit dem ihrer Schwiegertochter Stefanie kreuzt. Auch sie ist vom Geschehen auf dem Spielfeld gezeichnet, lässt sich aber nichts anmerken, weil die beiden Söhne Jakob und Anton ihre Aufmerksamkeit verlangen. Drei Generationen einer Familie, die mit einem Protagonisten unten auf dem Parkett mitleiden: Lukas Kampa, Spielmacher und Kapitän der Nationalmannschaft.
Der Mann mit der Nummer elf hat im Herbst seiner Karriere noch eine Mission: Er will zu den Olympischen Spielen in Tokio, dafür sind er und seine Kollegen bereit, ihr Herz auf dem Spielfeld zu lassen. 2012 in London war Kampa bereits dabei und landete mit dem deutschen Team auf Rang fünf, 2016 scheiterten die Männer des Deutschen Volleyball-Verbands vor den Spielen in Rio denkbar knapp. Nun sollte es also unbedingt noch einmal klappen. Es ist die letzte Chance, die Karriere mit einem späten Sahnehäubchen zu veredeln. Einen weiteren Olympiazyklus wird es für den 33-Jährigen Regisseur des deutschen Angriffsspiels mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr geben.
Am Ende hat all das Daumendrücken nicht geholfen, Deutschland musste vor rund 7000 Besuchern gegen einen wie entfesselt aufspielenden Widersacher in eine 0:3 (20:25, 20:25, 23:25)-Niederlage einwilligen. Während die Franzosen euphorisch übereinander herfielen, sank Außenangreifer Christian Fromm zu Boden und konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Libero Markus Steuerwald half dem Kollegen auf die Beine. Er und seine Mitstreiter können Berlin nach einem starken Turnier, in dem sie sechs Konkurrenten – unter anderem Europameister Serbien und Vize-Europameister Slowenien – hinter sich ließen, absolut erhobenen Hauptes verlassen.
"Danke, dass Du so viele Bälle versenkt hast"

Lukas Kampa sagt über Georg Grozer: "Danke, dass Du so viele Bälle versenkt hast. Es war mir eine Ehre und eine Freude, Dir die Bälle zuzuspielen."
(Foto: imago images/Annegret Hilse)
Doch was nutzt das am Ende? Die Olympischen Spiele, sie finden ohne die deutsche Mannschaft statt. Der italienische Bundestrainer Andrea Giani sah "viele Gründe" für die deutliche Niederlage: "Block, Defense, Service, da waren uns die Franzosen überlegen." Die Pleite war aber nicht nur das Ende des Tokio-Traums, sondern auch das Ende einer Ära. Georg Grozer, der beste Volleyballer, der jemals für Deutschland ans Netz gegangen ist, wird seine Karriere in der Nationalmannschaft, die er bereits vor vier Jahren beendet hatte, nun endgültig ausklingen lassen. Nach dem Spiel mochte sich "Hammer Schorsch" nicht äußern, zu groß war beim gebürtigen Ungarn die Enttäuschung, zu tief ging der Schmerz. Dafür äußerste sich sein Kumpel Lukas Kampa, der seinen Worten – dem Anlass angemessen – den nötigen Pathos verlieh: "Danke, dass Du so viele Bälle versenkt hast. Es war mir eine Ehre und eine Freude, Dir die Bälle zuzuspielen."
Das Spiel begann für die Gastgeber mit einer echten Schrecksekunde, gleich im zweiten Ballwechsel stieß Georg Grozer mit dem Franzosen Nicolas Le Goff zusammen und blieb liegen. Es konnte nach einer Behandlungspause weitergehen, Grozer sprang, traf, humpelte aber und sein Blick nach draußen offenbarte: "Richtig gut geht es mir nicht." Dabei spielte auch eine psychische Komponente eine Rolle, wie Grozers Freund und Weggefährte Kampa einräumte: "Es ist natürlich kein guter Start, wenn man gleich zu Spielbeginn seinen wichtigsten Angreifer auf dem Boden liegen sieht." Doch zur Ursache für die Niederlage wollte der Spielmacher die Szene nicht machen: "Georg hat sich mit Schmerzen durchgebissen. Das hat uns sicher nicht den Sieg gekostet, Georg hat trotzdem überragend gespielt."
Gereicht, um den letzten großen Traum zu verwirklichen, hat es nicht. Und deshalb wird die Olympia-Qualifikation in Berlin auch zur Zäsur eines Teams, die für den deutschen Volleyball viel erreicht hat: Platz fünf beim olympischen Turnier 2012 in London, WM-Bronze 2015 in Polen (die erste Medaille bei Weltmeisterschaften seit dem Sieg des DDR-Teams 1970) und EM-Silber 2017 ebenfalls in Polen. Diese Erfolge bleiben untrennbar mit den Namen Georg Grozer und Lukas Kampa verbunden, den Säulen der Nationalmannschaft dieser Ära.
Während sich Grozer definitiv festgelegt hat und einen erneuten Rücktritt vom Rücktritt kategorisch ausschließt, befindet sich sein Weggefährte Kampa noch in der Findungsphase. Wenige Minuten nach dem Aus gegen die Franzosen mochte der Profi, der sein Geld im polnischen Wegiel verdient, zu seiner Zukunft in der deutschen Auswahl nichts Verbindliches sagen. Grundsätzlich hege er schon den Wunsch, künftig mehr Zeit mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen zu verbringen, "aber abschließende Gedanken habe ich mir noch nicht gemacht. Ich werde jetzt erst Mal mit Bundestrainer Andrea Giani, dem Verband und mit meiner Familie sprechen."
Quelle: ntv.de