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Das Phänomen Super Bowl Das größte Regionalliga-Finale der Welt

Tom Brady, der größte Football-Spieler aller Zeiten.

Tom Brady, der größte Football-Spieler aller Zeiten.

(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Der Super Bowl steht vor der Tür und elektrisiert Menschen rund um den Planeten. Es ist das Endspiel der größten Liga der Welt. Der Sport selbst aber ist amerikanischer als jeder andere. Die NFL speist sich nahezu ausschließlich aus den heimischen Talentschmieden. Und wird doch als Vorbild wahrgenommen.

Besucher der Fachmesse dmexco erwarten Neuigkeiten und Informationen zum Thema Digitales Marketing. Die Veranstaltung steht außerhalb ihrer Blase selten im Licht der Öffentlichkeit. 2012 kam es zur Ausnahme von der Regel. Uli Hoeneß, damals noch der große Macher des FC Bayern München, war zu einer Podiumsdiskussion geladen, im Wortsinn. Die "Abteilung Attacke" der Fußball-Bundesliga lieferte. "Borussia Dortmund ist eine relativ regionale Sache." Boom. Fußballdeutschland stand Kopf. Zur Erinnerung: 2012 wurde der BVB zum zweiten Mal hintereinander deutscher Meister. Heute unvorstellbar. Es ist der letzte Titelträger, der nicht Bayern München heißt.

Andere Sportligen sind da spannender. Viel spannender. In der NFL, der besten Football-Liga und der größten Sportliga der Welt, gab es seit 2012 acht verschiedene Teams, die den Super Bowl gewinnen konnten. Der Super Bowl ist das größte Einzel-Sportevent auf diesem Planeten. Ungefähr seit diesem Zeitraum erfreut sich die Liga auch in Deutschland wachsender Beliebtheit. In der Nacht zu Montag deutscher Zeit ist es wieder so weit: In Los Angeles treffen sich die Cincinatti Bengals und die Los Angeles Rams zum Super Bowl (ab 0.30 Uhr/ Sat1. und im Liveticker auf ntv.de). Und Millionen Deutsche werden das Spiel viele Stunden lang vor dem Fernseher zelebrieren. Fans der Rams oder der Bengals dürften in der Minderheit sein. Selbst Football spielen die wenigsten.

Mehr Wrestlemania als Champions League

Wie immer, wenn Deutschland plötzlich einen neuen Sport neben dem Fußball entdeckt, wird er im ersten Reflex mit Fußball verglichen. So reiht sich in die Liste der Sportarten, von denen der Fußball Dinge lernen kann, auch der American Football ein. Genauer gesagt, die US-amerikanische NFL, eine andere relevante Liga gibt es nicht. Draft-System, Playoffs, Salary Cap, Schiedsrichter, Trades. Am besten, der Fußball übernimmt alles. Die Begeisterung für First Downs und Field Goals zeigt jedoch auch, dass viele Sport-Fans eben vor allem einen sportlich spannenden Wettbewerb sehen wollen. Den bietet die NFL definitiv und den bietet die Bundesliga definitiv nicht mehr.

Die voranschreitende Kommerzialisierung, die im Fußball ausdauernd und leidenschaftlich von den ortsansässigen Ultra-Gruppen kritisiert wird, scheint weit weniger Menschen zu stören. Zumindest kann die NFL, in der jede Statistik von einem anderen Weltkonzern präsentiert wird, dafür kein Maßstab sein. Insbesondere der Super Bowl ist so viel mehr Event als Sport, dass er eher mit Wrestlemania, dem Premiumprodukt des Showsports Wrestling, als dem Endspiel um die Champions League zu vergleichen ist. Ein Finale, in dem die Halbzeitshow und Werbespots gesellschaftlich die gleiche Relevanz haben wie das Endergebnis (oder gar eine höhere?), wäre in allen anderen Wettbewerben undenkbar.

Brady ist kein globaler Sportheld

Ebenjenen Super Bowl hat keiner so oft gewonnen wie Tom Brady. Er gilt als Galionsfigur der NFL, nun geht er von Bord. Der Rücktritt kommt mit 44 Jahres keineswegs unerwartet. Doch zumindest für den Moment stellt der Rückzug des "GOAT" sogar den Super Bowl in den Schatten. Sebastian Vollmer, deutscher Football-Profi und zwischen 2009 und 2016 Teamkollege Bradys, stellt den ikonischen Quarterback in eine Reihe mit Michael Jordan und Muhammad Ali. Doch gehört jemand wie Brady dorthin?

Die Popularität betreffend dürfte Brady den zwei genannten außerhalb der USA weit hinterherhinken. Michael Jordan hat in den Neunzigern eine ganze Generation an jungen Menschen für den Basketball begeistern können. Die Chicago Bulls gehören bis heute zu den berühmtesten Sportmannschaften der Welt. Auf seinem Peak war Jordan einer der populärsten Menschen überhaupt. Muhammad Ali gilt vielerorts als größter Sportler aller Zeiten. Der Boxer wurde gleichermaßen für sein Talent im Ring wie sein Engagement außerhalb dessen weltbekannt. Vom Internationalen Olympischen Komitee wurde er 1999 zum "Sportler des Jahrhunderts" ernannt.

Bei Olympia war Tom Brady im Gegensatz zu Ali und Jordan, aber auch Messi, Phelps, Bolt oder Venus Williams nie. Auch wenn Bradys Errungenschaften sportartenübergreifend schwerlich mit denen Jordans oder Alis verglichen werden können, bleibt festzuhalten: Brady konnte sich nie mit der Welt messen, immer nur mit den USA. Schließlich ist American Football Randsportart und Massenphänomen zugleich. Eine Sportart, die nur in einem Teil der Erde verfolgt wird, dort aber sehr exzessiv. Es ist America's Game, aber eben NUR America's Game. In der Regel sind die Colleges des Landes die einzige Quelle für neue Spieler.

Liga braucht neue Märkte

Diese Exklusivität findet man in den anderen großen Sportligen der USA nicht. Die NBA ist innerhalb des Landes zwar bei weitem nicht so beliebt wie American Football, dafür erhält sie enormen Zulauf von den anderen Kontinenten. Mit Luka Doncic, Nikola Jovic und Giannis Antetokounmpo kommen gleich drei der besten Spieler aus Europa. Ähnlich ist die Lage im Eishockey. In der NHL tummeln sich etliche Kanadier und US-Amerikaner, dennoch wurde der deutsche Superstar Leon Draisaitl 2021 MVP der Liga, in Washington überholt der Russe Alexander Ovechkin wie besessen eine Torjäger-Legende nach der anderen. Selbst der stetig an Popularität einbüßende Baseball erfreut sich außerhalb der USA auch in Mittelamerika oder Japan einer großen Anhänger- und Spielerschaft.

Am ähnlichsten ist dem American Football noch der Schwestersport Rugby. Auch er verfügt, genau wie Basketball und Eishockey, über relevante internationale Turniere und einen festen Platz im Olympia-Katalog. Die NFL wirkt indessen sich selbst überlassen. Wie langfristig die Liga den Hype in Europa für sich nutzen kann, wird sich zeigen müssen. In den nächsten Jahren sollen neben dem inzwischen schon traditionellen London-Game auch Spiele in Deutschland stattfinden.

Bereits vor der Pandemie ging der Zuschauerschnitt in den USA drei Jahre in Folge nach unten. Dazu kommt die Diskussion um (Kopf-)Verletzungen und gesellschaftliche Skandale wie der Fall des Football-Coachs Brian Flores, der über Rassismus in der Liga klagt. Neues Publikum ist für die Liga daher wichtig. Ebenso wie neue Superstars, gerade nach dem Abgang Bradys. Sein Karriereende verkündete Tom Brady übrigens auf Instagram. Gut 11 Millionen Follower hat er auf der Plattform und damit in etwa so viele wie Borussia Dortmunds Marco Reus. Das passt. Schließlich sind beide Gesichter einer "relativ regionalen Sache".

Quelle: ntv.de

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