n-tv.de-Interview "Das ist extrem"
27.10.2008, 13:48 UhrVanina Ickx ist Rennfahrerin und die Tochter des sechsfachen Le-Mans-Siegers, sowie zweifachen Formel-1-Vizeweltmeisters Jacky Ickx. Im Gespräch mit n-tv.de redet sie über die DTM, die Veränderungen der letzten Jahre im Motorsport und wie es ist, speziell als Frau in diesem von Männern dominierten Sport zu bestehen.
Frau Ickx, sie waren gestern beim DTM-Gesamtsieg des Audi-Piloten Timo Scheider dabei. Wie war die Stimmung?
Großartig. Alle waren aus dem Häuschen vor Freude. Das Team hat hart für diesen Erfolg gearbeitet und alle haben sich für Timo gefreut. Er ist ein liebenswerter Kerl, dem alle nach so langer Zeit diesen Titel gegönnt haben.
Wie viel Ihrer Leidenschaft für Motorsport haben sie von ihrem Vater geerbt?
Vermutlich schon mehr als dachte. Dabei war ich in meiner Kindheit und Jugend kaum interessiert in Motorsport. Ich habe eine sehr weibliche Kindheit erlebt. Mein Vater hat mich nur selten mit an die Rennstrecke genommen. Zu Hause hat er auch sehr wenig von seinem Beruf erzählt. Zum Motorsport kam ich daher auch erst spät und durch einen Zufall. Bis dahin habe ich mein Biologie-Studium beendet und nichts mit diesem Geschäft zu tun gehabt. Als kleines Mädchen habe ich nur seine Pokale wahrgenommen, weil die so groß und glänzend bei uns zu Hause in der Vitrine standen.
Wie kommt man denn durch Zufall zum Rennsport?
Eine Bekannte hat mich im Fitnessstudio angesprochen. Sie befand sich in einer Schwangerschaft und fragte mich, ob ich nicht ihr Cockpit solange übernehmen wolle. Natürlich auch wegen der erfolgreichen Karriere meines Vaters.
Mal Hand aufs Herz: Ist es nicht manchmal auch belastend immer mit dem Vater in Verbindung gebracht zu werden?
Nein, eigentlich nicht. Natürlich werde ich immer nach ihm gefragt, wie sie es ja auch schon getan haben. (Lacht) Aber für mich war es nie nervend oder belastend. Ich bin sehr stolz seine Tochter zu sein. Und ich glaube, er ist auch stolz auf mich und meinen Werdegang. Er hat nie Druck auf mich ausgeübt oder versucht meine Karriere zu beeinflussen. Seit ich selbst fahre, weiß ich wie hart dieser Beruf wirklich ist. Das hat meine Bewunderung für ihn noch gesteigert.
Gibt er Ihnen denn manchmal Tipps?
Prinzipiell ja, aber es hat sich im Motorsport vieles geändert seit seiner Zeit. Der Sport ist viel professioneller geworden. Neben der Arbeit auf der Strecke gehören viele andere Dinge mittlerweile einfach dazu. Dazu zählen Fitness und mentale Stärke. Deshalb sagt er selbst, dass er mir kaum Tipps geben kann. Aber natürlich habe ich immer seine Rückendeckung und erhilft mir wo er kann. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis.
Wie ist es als Frau im Motorsport bestehen zu müssen? Es ist ja immer noch ein sehr stark von Männern dominiertes Geschäft.
Was soll ich sagen, ich kenne keinen anderen Weg. (Lacht) Aber im Ernst, es hat Vor- und Nachteile. Die Promotionarbeit ist etwas einfacher, eben weil es nur wenige Rennfahrerinnen gibt. Da ist natürlich das Interesse größer. Sind wir doch mal ehrlich: Natürlich bin in die DTM auch deshalb gekommen, weil ich eine Frau bin. Aber umgekehrt muss man sich als Frau den Respekt innerhalb des Teams vielleicht noch härter verdienen. Ich würde fast sagen, doppelt so hart. Und als Frau gibt es natürlich eine gewisse Barriere, was das kumpelhafte, das männliche Element in diesem Sport angeht. Da gibt es naturgemäß Hemmungen seitens der männlichen Kollegen.
Die Rennfahrer der aktuellen Generation sind viel zurückhaltender und cooler geworden als früher. Vor zwanzig Jahren galten sie als wilde Heißsporne, die nichts auslassen. Wie wichtig ist Coolness und Professionalität im modernen Rennsport?
Das ist sehr wichtig. Der Sport ist viel professioneller geworden. Das hängt mit dem vielen Geld zusammen, das mittlerweile mit dem Sport verbunden ist. Dadurch hat sich der Druck deutlich erhöht. Fehler bestraft der Sport sehr schnell und hart. Daher darf man sich keine Schwächen erlauben. Körperliche Fitness ist ein entscheidender Faktor geworden. Auch weil die Autos noch mehr fordern als früher. Die Belastung für den Körper während eines Rennens ist enorm. Die G-Kräfte, die auf den Körper wirken sind teilweise extrem. Dabei immer die Konzentration zu halten und keine Fehler zu machen ist das Entscheidende. Daher gehört auf der anderen Seite auch die mentale Fitness dazu. Viele Fahrer arbeiten deshalb auch mit Mentaltrainern zusammen. Ruhe zu bewahren ist der halbe Job. Wenn man es schafft es den Puls unter 80 zu halten, machst man die wenigsten Fehler. Das ist die halbe Miete.
Also ähnlich wie in anderen Sportarten eine Einheit aus geistiger und körperlicher Fitness?
Ja, die braucht es unbedingt. Michael Schumacher gehörte vielleicht zu den ersten, die das voll umgesetzt haben. Heutzutage sind alle Rennfahrer körperlich und geistig auf der Höhe. Schwächen kann sich da niemand mehr leisten. Die Autos sind derartig fordernd geworden, dass es ohne eine sehr gute Vorbereitung einfach nicht geht. Nehmen Sie Autos aus der Formel 1. Da wirken mittlerweile solche G-Kräfte, dass die Piloten in extremen Kurven oder bei harten Bremsmanövern kurz vorm Bewusstseinsverlust stehen. Die Verzögerung durch die Bremsanlagen ist derart hoch, dass es den menschlichen Körper an seine Grenzen bringt. Das ist extrem. Aber auch in der LMS-Serie (Langstreckenrennen der europäischen Le-Mans-Serie, Anmerk. d. Redaktion) gibt es beim Rennen in Le Mans nach dem Start zwei Links-Rechts-Kombinationen, wo derartige G-Kräfte herrschen, dass man rund zwanzig Sekunden keine Luft holen kann. Das ist höchste Belastung für den Körper. Dort die Konzentration zu halten und fehlerfrei durchzukommen ist aber gerade bei Langstreckenrennen das Entscheidende. Dazu muss man im Rennen seine Augen überall haben. Vorne, hinten und auf beiden Seiten. Es geht alles so schnell, dass man nur mit einem Höchstmaß an geistiger Frische klar kommt.
Wie wichtig ist das technische Feedback der Fahrer für den Erfolg des Teams?
Ganz entscheidend. Die Techniker sind trotz aller Telemetrie und anderen technischen Daten immer noch auf den Fahrer und sein Feedback angewiesen. Für Michael Schumacher war es zum Beispiel ein wichtiger Baustein seines Erfolges. Er war sehr tief in die technische Entwicklung eines Autos involviert. Dennoch gibt es auch heute noch Fahrer, die mehr mit dem Herzen fahren. Kimi Räikkönen ist so einer. Er gibt weniger Feedback und verlässt sich mehr auf sein Gefühl. Aber prinzipiell ist die Rückmeldung aus dem Cockpit ein wichtiger Beitrag zum Erfolg eines Teams.
Wie sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Zunächst möchte ich so lange wie möglich Rennen fahren. Ich hoffe, dass das klappt. Es ist eine sehr spannende Serie und ich habe festgestellt, dass mir Langstreckenrennen mehr liegen. Wenn es mit dem Motorsport mal enden sollte, dann möchte ich aber mit meinem Beruf etwas anfangen. Als Biologin im Bereich des Umwelt- oder Klimaschutzes zu arbeiten wäre eine tolle Sache. Das würde ich sehr spannend finden und auf diesem Wege könnte ich vielleicht der Erde auch wieder etwas zurückgeben. Ein kleiner Ausgleich für die Abgase, die ich durch den Motorsport in die Luft geblasen habe.
Mit Vanina Ickx sprach Markus Mechnich.
Quelle: ntv.de