Sport

Hanning ist viel mehr als das Der Napoleon mit den bunten Pullis tritt ab

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(Foto: imago images/camera4+)

Bob Hanning hat sich in seiner Zeit beim Deutschen Handball Bund nicht nur Freunde gemacht. Im Gegenteil, viele Größen des Sports sind erbitterte Gegner des Managers. Trotzdem hat der Verband von seinen Visionen profitiert. Auch, wenn manche zu groß für die Realität waren.

Bob Hanning hat es immer schon verstanden, die Dinge in bildhafter Sprache zu erklären. Am Freitag saß er im Wintergarten in Berlin, einem Varietétheater im Stadtteil Mitte, und malte verbal ein neues Gemälde. "Ich kann mir meinen Traum erfüllen und baue mir ein Haus am See mit einem Steg", sagte der Mann, der seit knapp einem Jahrzehnt der wichtigste Mann für den Handball in Deutschland war. Am Wandlitzer See, nördlich von Berlin in einem Naturpark gelegen, hat er ein Grundstück erworben und gerade wurde der Bauantrag von den Behörden genehmigt. Bald, so malte es der 53-Jährige aus, bald könne er von seinem eigenen Steg ins Wasser springen, wann immer ihm danach sei. Bis dahin wolle er die freigewordene Zeit für die Umsetzung des Kindheitstraumes nutzen.

Nun endet seine Tätigkeit für den Deutschen Handballbund (DHB), für den er als Vizepräsident Leistungssport seit 2013 gleichzeitig Visionär, Manager und streitbarer Kopf war. Teile der Öffentlichkeit und Teile des Handball-Establishments haben sich an Hanning abgearbeitet - umgekehrt war es genauso. Der Geschäftsführer der Berliner Füchse hat in seiner Funktion beim DHB oft provoziert, immer wieder gestritten und sich damit nicht nur Freunde gemacht. Hanning hat seine Begleiter grundsätzlich in zwei Lager geteilt: in erbitterte Gegner und zugewandte Unterstützer.

Das Varietétheater Wintergarten wirbt damit, in ihren Shows zu polarisieren. Vielleicht wählte Hanning diesen Ort aus diesem Grund, um seine Autobiografie vorzustellen. Den Abschied aus dem Ehrenamt beim weltweit größten Handball-Nationalverband hat er damit verbunden, das Leben aus seiner Perspektive aufzuschreiben. "Hanning. Macht. Handball." heißt das Werk und das Titelbild des Buches polarisiert ebenso, wie der Manager es durch sein Schaffen seit vielen Jahren tut: Hanning sitzt auf einem riesigen goldenen Thron.

Das Motiv schmeichelt Hannings Eitelkeit, aber es ist ein Fehler, ihn und sein Handeln darauf zu beschränken. Die Motivation, sich für den Handball und den Verband zu engagieren, beruht nicht auf persönlichen Motiven. Es gibt wenig Applaus dafür, Nachwuchsmannschaften zu trainieren, aber es kostet viel Energie. Hanning tut es dennoch mit Hingabe. Es wird dem Macher nicht gerecht, ihn auf die bunten und teuren Pullover zu reduzieren, die er seit einigen Jahren aus zweierlei Gründen trägt: Sie gefallen ihm und er weiß um die Aufmerksamkeit, die sie auslösen. Die Strahlkraft von Hanning wird dem DHB in den kommenden Jahren fehlen.

Die Gold-Vision scheiterte

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Hanning hat die Entwicklung beim DHB in den zurückliegenden Jahren nicht allein vorangetrieben, aber er war doch ursächlich für vieles. "Amateure hoffen, Profis arbeiten", lautete die Überschrift eines Arbeitspapiers zum Start seiner Amtszeit vor acht Jahren. Seither krempelte er den Verband um und schuf professionelle Strukturen, in dem er dem ehrenamtlichen Präsidium einen hauptamtlichen Vorstand zur Seite stellte. Nach der Männer-WM vor zwei Jahren werden in den kommenden Jahren drei weitere internationale Großturniere in Deutschland folgen. Der DHB hat das "Jahrzehnt des Handballs" ausgerufen und Hanning hat an der Umsetzung entscheidend mitgewirkt.

Eine Vision des mächtigen DHB-Vizepräsidenten scheiterte, die Goldmedaille der Männer bei den Olympischen Spielen in Tokio blieb ein Traum. Zum Beginn seiner DHB-Tätigkeit hatte er "Gold 2020" ausgerufen - zu einem Zeitpunkt, als die Nationalmannschaft gerade die sportliche Qualifikation für die Europameisterschaft verpasst hatte. Mit dem Fernziel setzte er eine Entwicklung in Gang, die 2016 überraschend schnell zu Erfolgen führte: Mit dem Gewinn der Europameisterschaft und Olympia-Bronze unter Bundestrainer Dagur Sigurdsson waren die deutschen Handballer schneller als erwartet in der Spitze angekommen, konnten dieses Niveau aber nicht halten. Hanning setzte 2017 die Verpflichtung von Christian Prokop als Nationaltrainer durch - und räumt inzwischen ein, dass dieser Plan nicht funktionierte.

Ruheloser Exzentriker

Die Zusammenarbeit mit ihm funktionierte ebenfalls nicht für alle. Heiner Brand, Weltmeister 1978 und Weltmeister-Trainer 2007, warf Hanning eine "narzisstische Persönlichkeitsstörung" vor. Viele ehemalige Größen der Sportart haben in Hanning ein Feindbild gefunden: Christian Schwarzer, Daniel Stephan und andere. Die Zusammenarbeit mit Bernhard Bauer, zwischen 2013 und 2015 DHB-Präsident, endete im Unfrieden - die Alpha-Tiere fanden keinen gemeinsamen Weg. "Ich hätte ihm diese Schlammschlacht gerne erspart", sagt Hanning heute. Trotz vieler Reibereien ist Hanning mit sich selbst im Reinen, wenn er den Verband jetzt verlässt. Der Mann der bunten Designer-Pullover würde nicht alles, aber vieles genauso noch einmal machen. Das Engagement beim DHB geht zu Ende.

Wer sich eine Weile mit Bob Hanning beschäftigt, kennt dessen Hang zur Exzentrik. Er kennt aber auch die Ruhelosigkeit des Managers - und für ihn ist es deshalb nicht vorstellbar, dass der 53-Jährige sich bald darauf beschränkt, die Füchse fortzuentwickeln und vom eigenen Steg aus in den Wandlitzer See zu springen. Das Ende beim Deutschen Handballbund ist eine Zäsur für den Verband und dürfte für Hanning der Anfang für etwas Neues sein.

Im Umfeld des Hamburger SV hat er gerade eine Diskussion losgetreten. "Wenn mich in Hamburg noch einmal eine sportliche Aufgabe reizen würde, dann tatsächlich im Fußball. Da würde ich niemals nie sagen", steht in seiner Autobiografie. Hanning lodern weiterhin Feuer und Gestaltungswillen, nur nicht mehr für und beim DHB.

Quelle: ntv.de

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