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Marathon-Ass Kejeta im Interview "Der Stress hat mich nicht untergekriegt"

Kejeta bei den European Championships in diesem Sommer.

Kejeta bei den European Championships in diesem Sommer.

(Foto: IMAGO/Insidefoto)

Nach ihrem bitteren Aus bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris kehrt Melat Kejeta zu ihrem Ort des Marathon-Durchbruchs zurück. Beim Berlin-Marathon 2024 am Sonntag (8.30 Uhr/RTL und RTL+) plant sie eine Attacke auf ihre Bestzeit. Im Interview mit sport.de/ntv spricht die 31-Jährige über ihren harten und außergewöhnlichen Karriereweg, den Berlin-Plan, ihren größten Wunsch und warum sie manchmal einfach im Wald schreien muss.

ntv.de: Frau Kejeta, Sie haben jetzt schon ein ereignisreiches Jahr hinter sich: Im Sommer waren Sie bei Olympia dabei - sind dort relativ früh ausgestiegen mit Magenproblemen: Wie schlimm war diese Situation?

Melat Kejeta: Ich hatte einen Tag vorher schon Magenprobleme und die Ärzte haben mir Schmerztabletten gegeben. Das hat leider nicht ganz funktioniert. Beim Bergablaufen hatte ich diese Übelkeit. Ich musste früh aussteigen, konnte nicht weitermachen. Das war sehr schade.

Wie ging es danach weiter - lief die Vorbereitung weiter nach Plan?

Nach Paris bin ich zurück nach Deutschland, dann ein, zwei Wochen später ins Trainingslager nach St. Moritz und da bin ich jetzt mitten in der Berlin-Vorbereitung. Ich habe ein bisschen Probleme mit dem Knie. Trotzdem läuft es ganz gut.

Jetzt steht das große Highlight Berlin an: Was haben Sie sich vorgenommen?

Ich hatte insgesamt vier Monate Vorbereitung für Paris, war in Äthiopien und St. Moritz. Das wollte ich noch nutzen, weil wir so viel investiert haben. Ich wollte unbedingt in Berlin laufen. 2019 bin ich dort meinen ersten Marathon gelaufen und ich wollte das wiederholen. Ich will gerne Bestzeit laufen in der Heimat.

In Berlin ging 2019 der Stern von Kejeta auf.

In Berlin ging 2019 der Stern von Kejeta auf.

(Foto: imago images/Camera 4)

In Berlin ist damals ihr Marathon-Stern aufgegangen. 2019 sind Sie furios gelaufen - zum schnellsten Debüt einer deutschen Frau. Was für Erinnerungen haben Sie daran?

Ja, das war unglaublich. Und es war gleichzeitig mein Geburtstag. Dadurch habe ich mir auch den Olympia-Traum erfüllt. Ein toller Tag.

Wie wichtig war das damals für Sie, dieses Erlebnis?

Das war sehr wichtig, weil ich mir eben den großen Traum mit der Olympia-Quali erfüllen konnte. Und zum ersten Mal nach meiner Einbürgerung ging ich als Deutsche an den Start.

Wie schätzen Sie die Konkurrenz in diesem Jahr ein?

Sie sind sehr stark, habe ich gleich gedacht, als ich die Starterliste gesehen habe. Da sind Top-Läuferinnen dabei.

Anfang des Jahres haben Sie in Dubai ein Ausrufezeichen gesetzt und ihre Bestzeit auf 2:21:47 Stunden gedrückt. Sind Sie in Form ihres Lebens?

Das weiß ich nicht. Ich würde gerne 2:18:00 laufen, das ist mein großes Ziel. Meine beste Form kommt noch. Ich muss weiter hart arbeiten und gesund bleiben. Jetzt will ich erst mal meine Bestzeit verbessern und in den nächsten Jahren die 2:18:00 angreifen.

Nach ihren ersten Olympischen Spielen 2021 in Japan haben Sie eine fast zweijährige Pause eingelegt, weil Sie eine Tochter bekommen haben. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Es war ein Geschenk Gottes. Ich habe mir immer gewünscht, ein Kind zu haben. Ich bin Gott sehr dankbar. Als Mutter ist es nicht einfach, zu trainieren. Ich habe aber Helfer. In Äthiopien habe ich meine Mutter. Und hier habe ich durch meinen Trainer Hilfe, die auf die Kleine aufpassen.

Nach der Babypause haben Sie sich 2023 zurückgemeldet. Wie schwer war es für Sie wieder in den Profi-Rhythmus zu kommen?

Zurückzukommen war gar nicht so schwer. Ich habe gegoogelt, wie andere Athletinnen zurückgekommen sind, wie sie das gemacht haben und mich daran orientiert und dann genauso trainiert.

Wie ist das jetzt: Training mit Kleinkind - ist Ihr Kind im Trainingslager dabei?

Mein Kind ist immer dabei. Ohne sie kann ich nicht so lange irgendwo bleiben. Wenn ich in Afrika bin, bleibt meine Tochter bei meiner Mutter. In Kenia habe ich auch ein Hausmädchen, das hilft.

Sie haben schon viel erlebt: Sie sind in Äthiopien aufgewachsen. 2013 sind Sie dann nach Deutschland geflohen aufgrund der politischen Situation - wie schwer war dieser Schritt damals?

Es ist nicht einfach gewesen. Aber man gewöhnt sich daran. Am Anfang, vor allem im ersten Jahr, ist es nicht einfach gewesen, sich an alles und die neue Kultur zu gewönnen. Ich hatte auch eigenen Stress durch all die politischen Dinge.

War Laufen da für Sie ein Ventil, etwas Beruhigendes in dieser schwierigen Situation? Hat es Ihnen geholfen?

Ja, es hat mir immer sehr geholfen. Immer wenn ich Stress habe, gehe ich raus, am besten irgendwo in den Wald. Meistens gehe ich in den Wald. Da kann ich auch mal schreien - deswegen gehe ich gerne dorthin. Als Stressabbau.

Kejeta beim Berliner Halbmarathon 2017, zwei Jahre vor ihrem Durchbruch.

Kejeta beim Berliner Halbmarathon 2017, zwei Jahre vor ihrem Durchbruch.

(Foto: imago/Camera 4)

Was haben Sie aus dieser Situation damals gelernt?

Ich wollte mir immer meinen Traum erfüllen. Der Stress hat mich nicht untergekriegt. Wenn ich mal verliere, macht mich das stärker, da wieder rauszukommen. Mein Trainer in Kassel, Winfried Aufenanger, hat mir am Anfang sehr viel geholfen, mit dem Papierkram und der Einbürgerung. Er war mein bester Trainer. Er hat mir sehr viel in Kassel geholfen, ich bin ihm für immer dankbar. Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft. Dann wäre ich nicht hier.

Sie haben in Äthiopien als Frisörin, in Deutschland am Anfang als Putzkraft gearbeitet, lokale Sponsoren haben dann Ihre Läuferkarriere unterstützt. Hätten Sie am Anfang, in dieser schwierigen neuen Situation gedacht, dass es klappt mit der Profikarriere in Deutschland?

Ich habe schon gedacht, dass ich weit kommen kann. Ich war schon eine Top-Läuferin in Äthiopien. Dann ging es erst mal etwas runter, weil alles neu war in Deutschland. Ich habe einfach an Gott geglaubt und er hat mir den Weg gezeigt und ich habe es geschafft.

Haben Sie weiter Kontakt zur Familie in Äthiopien? Werden dort die Daumen gedrückt, wenn Sie in Berlin an den Start gehen?

Die meisten haben nicht so viel Ahnung von den Lauf-Wettbewerben. Meine Mutter verfolgt alles, aber sie weiß nur, dass ich einen Wettkampf habe. Ich sage ihr aber nicht immer, wo sie es anschauen kann. Sie guckt dann oft hinterher die Highlights auf dem Laptop an.

Wovon träumen Sie noch, was ist ihr großes Ziel?

Ich würde gerne nochmal bei den Olympischen Spielen antreten, weil es in Paris jetzt leider nicht geklappt hat. Das war leider enttäuschend. Mein Traum ist es, mal bei Olympia eine Medaille zu gewinnen. Das wäre mein größter Wunsch.

Mit Melat Kejeta sprach Emmanuel Schneider

Quelle: ntv.de

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