Sport

Abgehängtes Schwimm-Prekariat Deutsche Vorstellungen desolat

Kaum hatte Europameister Paul Biedermann mit seinem Finaleinzug über 200 m Freistil für einen kleinen Lichtblick gesorgt, da stürzte Annika Lurz den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) mit dem blamablen Vorlauf-Aus noch tiefer in die Krise. Die Vize-Weltmeisterin schied nach einer desolaten Leistung aus und belegte in indiskutablen 1:59,98 Minuten lediglich den 22. Platz und blieb 4,30 Sekunden über ihrem deutschen Rekord.

DSV-Equipe als abgehängtes Schwimm-Prekariat

Auch für Petra Dallmann aus Heidelberg war als 24. (2:00,21 Minuten) bereits im Vorlauf Endstation, während die Italienerin Federica Pellegrini in 1:55,45 Minuten den Weltrekord ihrer französischen Erzrivalin Laure Manaudou um sieben Hundertstel unterbot.

Topstars souverän

Weniger überraschend als das Aus von Lurz war das Scheitern von Katharina Schiller und Sonja Schöber im Vorlauf über 200 m Lagen. Die Hildesheimerin Schiller belegte Rang 30 (2:18,00), die Dortmunderin Schöber strich als 34. (2:20,18) die Segel.

Souverän meisterte Superstar Michael Phelps die Vorlauf-Hürde über 200 m Schmetterling. Der 23-Jährige, der zuvor mit der 4x100m-Freistilstaffel der USA in einem packenden Rennen mit Weltrekord sein zweites Gold geholt hatte, qualifizierte sich in 1: 53,70 Minuten als Schnellster für das Halbfinale.

Kritik von Madsen

Doch im Deutschen Schwimm-Verband (DSV) hängt der Haussegen nach dem fortgesetzen Fehlstart schief. "Zu wenige sind meinen Vorstellungen gefolgt", sagte DSV-Sportdirektor Örjan Madsen und übte damit in Peking erstmals Kritik an der eigenen Mannschaft.

Laut Madsen tragen die Athleten und ihre Heimtrainer die Schuld an dem teilweise desolaten Auftreten des DSV. Das Konzept mit der Konzentration auf Höhentrainingslager und harten Wettkämpfen sei nicht konsequent befolgt worden, erklärte Madsen und gab zu, vor den Spielen an Rücktritt gedacht zu haben: "Ich hatte zwei Möglichkeiten: hinschmeißen oder unter den gegebenen Umständen weitermachen."


"Keine Angst, gegen Phelps zu schwimmen"

Immerhin erfüllte Madsens "Musterschüler" Biedermann sein Soll. Der 22-Jährige schaffte als Fünfter über 200 m Freistil den Sprung ins Finale und freute sich auf das Kräftemessen mit Phelps. "Ich messe mich gerne in großen Wettkämpfen und habe auch keine Angst, gegen Michael Phelps zu schwimmen", sagte der deutsche Meister und nationale Rekordhalter.

Für Deutschlands früheren Schwimm-Star Franziska van Almsick gibt Biedermanns Leistung Grund zur Hoffnung. "Die Mannschaft muss sich an ihm aufrichten. Sein Auftritt war erfrischend", sagte die ehemalige Welt- und Europameisterin, in Peking erstmals bei Olympia als ARD-Expertin im Einsatz.

Antje Buschschulte setzte jedoch zunächst den negativen Trend fort und scheiterte im Halbfinale über 100 m Rücken als 15. in schwachen 1:01,15 Minuten. "Ich kann nichts dafür, dass die Weltspitze so weit enteilt ist" sagte Buschschulte, die in Athen noch Bronze über die doppelte Distanz geholt hatte, lapidar.

Fabelweltrekorde am Fließband

Die Konkurrenz begeisterte unter anderem US-Präsident George W. Bush bei dessen zweiten Besuch im "Wasserwürfel" mit unglaublichen Leistungen. Die 4x100-m-Freistilstaffel der USA (3:08, 24 Minuten) stellte mit Phelps ebenso einen Fabel-Weltrekord auf wie der Japaner Kosuke Kitajima über 100 m Brust (58,91 Sekunden). Zudem blieben der Australier Eamon Sullivan als Startschwimmer der Staffel (47,24 Sekunden) und Kirsty Coventry aus Simbabwe (58,77) im Halbfinale über 100 m Rücken unter den Weltbestmarken.

Vor allem das Staffel-Rennen riss die 17.000 Zuschauer von ihren Sitzen. "Es war einfach unglaublich und verdammt knapp", sagte Phelps, der nach seinem Sieg über 400 m Lagen die zweite von insgesamt acht anvisierten Gold-Medaillen sicher hat. Die lange führenden Franzosen wurden vom US-Quartett noch abgefangen und landeten mit nur acht Hundertstel Rückstand auf Platz zwei. Bronze holte Australien.

Steffen-Rivalin Tricket mit Rekord

Ihr erstes Gold sicherte sich über 100 m Schmetterling die Australierin Lisbeth Trickett, die als größte Rivalin von Britta Steffen über 100 m Freistil gilt. Einen Überraschungscoup landete die britische 400-m-Freistilschwimmerin Rebecca Adlington bei ihrem Olympiasieg vor der favorisierten Amerikanerin Katie Hoff.

Von Jörg Soldwisch und Holger Luhmann, sid

Quelle: ntv.de, Holger Luhmann und Jörg Soldwisch, sid

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