Weltmeister ist K.o. Deutsche im WM-Halbfinale
30.01.2007, 10:29 UhrDeutschlands Handballer haben Weltmeister Spanien vom Thron gestoßen und sind nur noch zwei Siege vom ersten WM-Titel seit 1978 entfernt. Getragen von einer Welle der Begeisterung besiegte der Ex-Europameister dank eines überragenden Torhüters Henning Fritz im Viertelfinale die Iberer mit 27:25 (15:12) und verwandelte die Kölnarena vor den Augen von Bundespräsident Horst Köhler in ein Tollhaus.
Im Halbfinale des "Heimspiels" am Donnerstag trifft das Team von Bundestrainer Heiner Brand erneut in Köln auf Europameister Frankreich. Damit steht zum 13. Mal seit 1938 eine deutsche Mannschaft unter den letzten Vier einer WM.
Frankreich stoppte am Abend den Siegeszug der Kroaten. Zur Überraschung der Experten setzten sich die Franzosen mit 21:18 (10:9) gegen den bisher ungeschlagenen Turnierfavoriten und Olympiasieger durch. In der Kölnarena sorgte Luc Abalo (8) für die meisten Treffer der Franzosen.
Das zweite Halbfinale am Donnerstag in Hamburg bestreiten Polen und Dänemark. Die Polen besiegten im Viertelfinale in der Hansestadt Russland mit 28:27. Danach setzte sich Dänemark mit 42:41 (34:34, 16:17) nach Verlängerung gegen Island durch.
Weltmeister geht K.o.
Vor 19.000 Zuschauern in der seit Monaten ausverkauften Kölnarena besiegelten Torsten Jansen (6/4/Hamburg) und Holger Glandorf (5/Nordhorn) als beste deutsche Werfer den 23. Sieg im 50. Duell mit dem Vize-Europameister. Für die Spanier war Rolando Urios (8 Treffer) am erfolgreichsten. Damit hat die Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) weiter die Chance, sich als Weltmeister direkt für die Olympischen Spiele 2008 in Peking zu qualifizieren. Sicher ist durch den Halbfinaleinzug aber bereits, dass das Brand-Team bei einem möglichen Qualifikationsturnier für Olympia im Frühjahr 2008 Heimrecht genießt.
Knapp zweieinhalb Jahre nach dem Krimi von Athen, als die deutsche Mannschaft im olympischen Viertelfinale gegen Spanien nach zweimaliger Verlängerung im Siebenmeterwerfen (2:0) gewann, entwickelte sich auch diesmal von Anfang an eine spannende Partie. Den Ausfall von Kapitän Markus Baur (Wadenzerrung/Lemgo) konnte der quirlige Göppinger Michael Kraus als Spielmacher gut kompensieren.
Zum großen Erfolgsgaranten in der ersten Halbzeit avancierte aber wie von Brand gefordert die aggressive deutsche Deckung, hinter der Keeper Fritz (Kiel) erneut einen Glanztag erwischt hatte. Allein im ersten Abschnitt machte der zum Publikumsliebling avancierte Welthandballer von 2004 unter anderem zwei Siebenmeter zunichte und trug seinen Teil zum zwischenzeitlichen 13:9 (24.) bei.
Einziger Kritikpunkt bis dahin waren einige überhastete Abschlüsse, die die Spanier immer wieder herankommen ließen. Besonders der 105 kg schwere Kreisläufer Urios von Spitzenklub Ciudad Real war nie wirklich in den Griff zu bekommen.
Doch unterstützt von den begeisterten Zuschauern, unter ihnen auch IOC-Präsident Jacques Rogge, überstand der Olympia-Zweite auch einige kritische Situationen. Der 36-jährige Baur war in der Halbzeit zufrieden mit seinem Teamkollegen, mahnte aber gleichzeitig: "Wir müssen in der Abwehr weiter zulangen und das Tempo mitgehen." Die Lokalmatadoren hielten sich zunächst an die Vorgabe. Gestützt auf einen überragenden Mittelblock um Abwehrchef Oliver Roggisch (Magdeburg) kaufte das Brand-Team dem Titelverteidiger den Schneid ab.
In der 51. Minute kam Spanien nach einigen leichten Ballverlusten der DHB-Auswahl allerdings nach langer Zeit wieder zum Ausgleich (23:23). Doch Glandorf und Schwarzer sorgten mit ihren Toren wieder für einen Zwei-Tore-Vorsprung.
"Stand-by"-Nationalspieler Schwarzer, der erst vor dem abschließenden Vorrundenspiel nachnominiert worden war, hatte seine Mitspieler zuvor auf das Prestigeduell gegen Spanien mit speziellen Informationen vorbereitet. Von 1999 bis 2001 hatte der Kreisläufer beim FC Barcelona gespielt und mit den Katalanen vor sieben Jahren die Champions League gewonnen. Noch heute verbindet "Blacky" eine besondere Freundschaft mit Spaniens Keeper David Baruffet. "Wir haben auch vor dem Viertelfinale telefoniert", berichtete Schwarzer.
Erst am Montagabend hatte sich entschieden, dass Torjäger Oleg Velyky bei der WM definitiv nicht eingesetzt werden kann. Brand hatte zwar bis zuletzt gehofft, den Kronauer Rückraumspieler in der K.o.-Runde auflaufen lassen zu können, doch nach einem negativ verlaufenen Belastungstest musste Velyky enttäuscht passen. Damit setzte sich die unglaubliche Verletztenmisere der deutschen Mannschaft bei großen Turnieren seit sechs Jahren fort. "Irgendwie ist das wie ein Fluch, den wir nicht mehr loswerden", meinte Schwarzer, der die nationale Rangliste der Spieler mit den meisten WM-Einsätzen mit 49 Partien anführt.
Quelle: ntv.de