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Thomas kommt aus tiefstem Tal Die Comeback-Sensation des vergessenen Superstars

Isaiah Thomas hat sein Lächeln zurück.

Isaiah Thomas hat sein Lächeln zurück.

(Foto: AP)

Isaiah Thomas ist zurück in der NBA. Nach jahrelanger Odyssee und unzähligen Comeback-Versuchen haben die Phoenix Suns den ehemaligen All-Star unter Vertrag genommen. Egal, wie lange sich "IT" in der Liga halten kann: Seine Story verdient tiefsten Respekt und Anerkennung.

Die Nachricht brach aus dem Nichts über den Live-Ticker herein, diesmal in Form eines Tweets von Insider Shams Charania: Isaiah Thomas unterschreibt einen 10-Tages-Vertrag bei den Phoenix Suns. Knapp zwei Jahre nach seiner letzten Partie in der NBA, und ganze sieben Jahre nach seiner letzten kompletten, einflussreichen Saison, ist einer der absoluten Lieblinge der Basketball-Association zurück in der besten Liga der Welt.

Wie lange er sich diesmal dort halten kann ist weniger relevant als die Tatsache, dass er es nach jahrelangem Spießrutenlauf, unzähligen Comeback-Versuchen und Abstechern über die G-League (und der amateurhaften Drew League) endlich geschafft hat, wieder Anschluss zu finden. Eine schwere Hüftverletzung hatte ihn einst mitten in seiner Glanzzeit aus der Bahn geworfen. Und obwohl er danach jahrelang ein ums andere Mal die Tür vor der Nase zugeknallt bekam, ließ "IT" nie locker, arbeitete weiter wie ein Besessener, mit nur einem einzigen Ziel vor Augen: sich irgendwie, irgendwann zurückzukämpfen.

Vom Nobody zum Superstar ...

Seine Story ist der Stoff, aus dem Profiträume gemacht sind. Es klingt klischeehaft, aber auch die absurdesten Geschichten haben irgendwo einen Ursprung. 2011 wurde er an 60. und letzter Stelle von den Sacramento Kings gedraftet. Er spielte sich im Eiltempo ins Rampenlicht, schaffte es ins All-Rookie Second Team. In Jahr drei erzielte er bereits 20 Punkte pro Abend, die Fans in Sacramento liebten ihn. Über Phoenix ging es in der Saison 2014/15 nach Boston, wo er den Durchbruch zum Star schaffte. Bei den Celtics avancierte der nur knapp über 1,70 Meter große Linkshänder zum Elite-Scorer und gefürchteten Crunchtime-Performer. "King in the Fourth" war sein Spitzname, im Schlussviertel lehrte dieser Basketball-Zwerg gegnerische Riesen das Fürchten.

Er führte die Celtics zurück in die Relevanz und in die Eastern-Conference-Finals, entwickelte sich in "Beantown" zum zweifachen All-Star (2016, 2017). In der Saison 2016/17 wurde er Fünfter bei der MVP-Wahl, nach bombastischen 28,9 Punkten im Schnitt. Die Leute in Boston vergötterten ihn, nicht nur aufgrund seiner "Otto-Normal-Statur" und Nahbarkeit in der Gemeinde, sondern vor allem dank seines Herzens, seiner Furchtlosigkeit auf dem Parkett und seiner inspirierenden Art, Schwierigkeiten zu überwinden. Als seine Schwester bei einem Autounfall ums Leben kam, erzielte er am selben Abend 33 Punkte in einem Playoff-Spiel. Zwei Tage später legte er mit 53 Punkten die zweithöchste Celtics-Playoff-Performance aller Zeiten auf. In Spiel sieben jener Serie powerte Thomas sein Team in die Conference Finals - zum ersten Mal nach fünf Jahren. Kurz darauf fiel er mit einer Hüftverletzung aus, Boston scheiterte knapp vor den NBA Finals. Der Anfang vom vorläufigen Ende.

… und wieder zurück zum Nobody

Die Celtics zeigten sich herzlos im Business und schickten Thomas im Sommer 2017 nach Cleveland, zu den Cavaliers. Nach und nach drang die Schwere seiner Hüftverletzung ans Tageslicht (Arthritis, degenerierendes Knorpelgewebe), die er seit Jahren mit sich herumgeschleppt hatte. Anstatt sich einer OP zu unterziehen, entschied sich Thomas für traditionellere Heilungsmethoden, um seine bevorstehende Free Agency nicht zu gefährden. Im Nachhinein ein Fehler, denn ohne gesunde Körpermitte und seine patentierte Beschleunigung aus dem Dribbling ging ihm jegliche Explosivität und Effektivität flöten. Seine Leistungen und seine statistischen Werte stürzten in den Keller, Thomas sollte nie wieder seine altbekannte Produktivität erreichen.

Aus dem Star, Publikumsliebling und Franchise-Spieler wurde quasi über Nacht ein NBA-Wandervogel. Herumgereicht von Team zu Team, permanent auf der Suche nach der einen Station, die zur sportlichen Heimat werden könnte. Cavaliers, Los Angeles Lakers, Denver Nuggets, Washington Wizards, New Orleans Pelicans, wieder Lakers, Dallas Mavericks, Charlotte Hornets - Thomas' acht Teams in fünf Jahren illustrierten eindrucksvoll, wie schwer es ein winziger, schwer lädierter Guard haben kann, sich in der Liga zu halten, wenn ihm seine gefährlichsten Waffen (Speed und Selbstvertrauen) erst einmal abhandengekommen sind. Seine vorläufig letzte NBA-Partie machte er am 10. April 2022, mit 14 Punkten in 13 Minuten beim Hornets-Sieg gegen Washington im letzten Spiel der Saison. Niemand wollte ihm danach eine Chance geben.

Niemals aufgeben

Thomas blieb stur und versuchte es immer weiter. Selbst für Ausflüge in die unterklassige G-League war er sich nicht zu schade. Anfang März 2024 unterschrieb er bei den Salt Lake City Stars und brillierte dort mit 32.5 Punkten und 5.3 Assists im Schnitt, bei 45 Prozent von der Dreierlinie. Die Phoenix Suns machten Thomas' Traum von einem Comeback wahr und verpflichteten ihn via 10-Tages-Vertrag. Die werden in der Regel mindestens um zehn weitere Tage verlängert und führen häufig zu einer Unterschrift für den Rest der Saison - vor allem, wenn es sich um Veteranen kurz vor Beginn der Playoffs handelt. "Seine Geschichte inspiriert Basketballer auf der ganzen Welt", sagt Megastar Kevin Durant.

"Gott ist groß", twitterte Thomas in den letzten Tagen. Es ist unklar, ob und wie viel er bei den Suns tatsächlich spielen wird. Darum geht es ihm aber ohnehin nur sekundär. Phoenix könnte sowohl sein Shooting als auch seine Erfahrung gut gebrauchen in der derzeitigen Verfassung. Kein Team hat weniger Punkte von der Bank erzielt als Phoenix, deren Stars nicht zuletzt deshalb mehr Minuten gehen mussten, als allen lieb gewesen wäre. Die Schwächephase in den vergangenen Wochen (Phoenix hat sieben von 13 verloren) hat viel mit Ermüdung zu tun, allerdings fehlt auch - so haben viele den Eindruck - ein wenig das Feuer. "Jeder hier liebt IT", sagt Suns-Coach Frank Vogel. "Er genießt höchsten Respekt, ligaweit. Wir werden sehen, wo er steht zu diesem Zeitpunkt in seiner Karriere, und wie er zu unserem Kern passt."

Für seine Mitspieler könnten Thomas' Präsenz und Hunger inspirierend wirken und den notwendigen Schub geben, vor den letzten Wochen der regulären Saison. Nicht nur sein ehemaliger Teamkollege Bradley Beal weiß das aus erster Hand: "Es ist ungewöhnlich, dass jemand zu diesem Zeitpunkt nochmal zurückkehrt. Aber er ist ein Malocher. Er wird uns mit seinem Basketball-IQ und seinen Führungsqualitäten helfen. Ich bin ein Riesen-Fan. Früher haben wir gegeneinander gespielt, in Washington war er mein Teamkollege. Er wird immer ein echter Hooper bleiben. Nichts kann diesen Typen von seinen Zielen und Träumen abhalten."

Auf dem Zenit gesehen und im tiefsten Tal

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Thomas, der in seiner Karriere alle Höhen und Tiefen erlebt und mehr als 34 Millionen US-Dollar verdient hat, muss eigentlich nichts mehr beweisen. Weder sich selbst, noch Außenstehenden. Seine besten Tage in der unerbittlichen NBA liegen längst hinter ihm. Es wäre ein Einfaches, sich zurück zu lehnen und zu Hause das Leben zu genießen. Was ihn antreibt, ist die Liebe zum Spiel und eine ureigene Motivation, die von irgendwo ganz tief im Inneren kommt. Ein Feuer, das nicht erlöschen will, angestachelt vom ewigen Kampf des Underdogs, allen Widrigkeiten zum Trotz. Und das alleine ist es wert, Thomas und seiner Story den nötigen Respekt zu zollen. "Ich kann einfach niemals aufgeben", sagte der 35-Jährige vor wenigen Tagen. "Meine zwei Jungs haben mich auf meinem Zenit gesehen, und im tiefsten Tief, als ich nicht mal ohne Schmerzen aus dem Bett kriechen konnte. Ich mache das hier alles für sie. Um ihnen zu zeigen, dass man niemals aufgeben darf..."

Isaiah Thomas kam vergangene Nacht in seinem ersten Spiel zwei Minuten zum Einsatz und verteilte ein Assist. Phoenix gewann 115:102 gegen Philadelphia.

Quelle: ntv.de

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