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Spektakel vom "Bahamas Boy" Die Darts-WM hat schon jetzt ihren Sieger der Herzen

Brauchte nur wenige Minuten, um zum Publikumsliebling zu werden: Rashad Sweeting

Brauchte nur wenige Minuten, um zum Publikumsliebling zu werden: Rashad Sweeting

(Foto: PDC/Taylor Lanning)

Rashad Sweeting, der erste Spieler von den Bahamas bei der Darts-WM, spielt sich beim Debüt im "Ally Pally" in die Herzen der Fans wie selten ein Newcomer zuvor. "Das war der beste Tag meines Lebens", frohlockt Sweeting nach einem Kuriositäten-Feuerwerk.

Er ist schon jetzt einer der Spieler dieser Darts-WM. Trotz Niederlage in der ersten Runde. Rashad Sweeting. 34 Jahre. Mitarbeiter der bahamaischen Einwanderungsbehörde. Zum ersten Mal überhaupt hatte sich der "Candy Man" (zu Deutsch: "Süßigkeiten-Mann"), wie Sweeting wegen seines Nachnamens genannt wird, für die Weltmeisterschaft in London qualifiziert. Und dann einen Auftritt hingelegt, der in Erinnerung bleiben wird. Zwar verlor Sweeting sein Match gegen den klar favorisierten Schweden Jeffrey de Graaf mit 1:3-Sätzen. Für die großen Momente sorgte am Dienstagabend aber vor allem der "Candy Man".

Die erste Stufe des Kuriositäten-Feuerwerks zündet Sweeting schon vor Spielbeginn. Beim eigentlich schnurgeraden 20-Meter-Weg durch die Fans in Richtung Treppe, die die Spieler auf die Bühne führt, ist Sweeting kurz davor, sich zu verlaufen. Der 34-Jährige ist spürbar nervös, steuert Richtung Backstage-Bereich anstatt auf die Bühne. Ein Security-Mitarbeiter der Profidarts-Organisation PDC weist ihm den Weg. Puh, Glück gehabt.

Dank des beherzten Einschreitens werden die 3200 Fans im proppevollen "Ally Pally" und die Millionen Zuschauer vor den TV-Bildschirmen Zeugen des Sweeting-Wahnsinns. Der erste Qualifikant von den Bahamas braucht zwar ein paar Aufnahmen, um sich in seinem ersten Spiel vor Kameras und vor mehr als einer Handvoll Zuschauern zu akklimatisieren. Doch dann wird die nächste Zündstufe eingelegt. Sweeting gewinnt sensationell den ersten Satz. Sein Gegner Jeffrey de Graaf wirkt verdutzt. Für den Schweden hat der "Candy Man" zunächst nur Saures statt Süßes parat.

Von den Fans zur 180 verleitet

Und auch nach der ersten Satz-Pause behält Sweeting zunächst die Oberhand. Die ersten zwei Legs im zweiten Satz gehen an den Lateinamerika-Qualifikanten. Er kann es sich zunächst sogar erlauben, drei Satz-Darts zu verpassen. De Graaf kommt zurück, bringt den Durchgang ins Entscheidungsleg, bevor ein neuer Publikumsheld geboren wird.

Sweeting steht bei 194 Punkten Rest. Der erste Dart landet in der Triple 20, der zweite auch. 74 Punkte Rest und noch ein Dart in der Hand. Sweeting kann es selbst kaum glauben, wirkt von seiner Präzision selbst am meisten überrascht. Er macht einen Schritt nach hinten, es rattert in seinem Kopf. Kein professioneller Dartspieler würde in dieser Situation eine weitere Triple 20 "riskieren", um bei 14 Punkten Rest und damit auf der unbeliebten Doppel 7 zu landen. Doch das ist Sweeting egal. Er lässt sich vom Publikum zu dem taktisch unklugen Manöver hinreißen. Für diesen einen Moment. Für eine "One Hundred and Eighty" im Alexandra Palace. Für die Fans, die sich in dieser Sekunde nichts sehnlicher wünschen.

Als Sweeting nach diesem persönlichen Erfolgserlebnis zurück ans Board kommt, vermeidet er den Wurf auf die Doppel 7, stellt sich mit einem Wurf in die 6 auf 8 Punkte Rest. Doch die Doppel 4 verfehlt Sweeting mit zwei Versuchen. Der neue Fan-Held hat sich von den Zuschauern zu einer undurchdachten 180 verleiten lassen. Hätte er eine 174 geworfen, hätte er mutmaßlich einen Satz-Dart mehr bekommen. So kommt es stattdessen, wie es kommen muss. Sweeting bezahlt das Manöver mit dem Satzverlust, weil de Graaf ein Highfinish checkt.

Es ist der Moment, der die Partie verändert. De Graaf gewinnt auch die Sätze drei und vier, gibt nur noch ein einziges Leg ab und zieht in die 2. Runde der Weltmeisterschaft ein. Der in den Niederlanden geborene Schwede spielt es am Ende bärenstark, doch die Schlagzeilen nach diesem Spiel gehören verdientermaßen dem Darts-Exoten, der den "Ally Pally" verzückt hat.

Sweeting imitiert Torjubel von Chelsea-Stürmer

Nach dem Spiel bekommt die Sweeting-Story ihre nächste unerwartete Wendung. Auf X veröffentlicht ein Darts-Fan einen Auszug aus einem Chat mit Sweeting. Vor dem Spiel hatte er dem bahamaischen WM-Teilnehmer viel Glück gewünscht und ihm eine Frage gestellt: "Ich verstehe, falls es etwas zu viel verlangt ist: Aber würdest du, wenn du eine 180 wirfst, diesen Jubel für mich machen?". Angehängt an die skurrile Anfrage ist ein Videoclip von Chelsea-Stürmer Cole Palmer und dessen berühmten "Cold-Palmer"-Jubel. Nach seinen Toren streift Palmer sich für gewöhnlich über die kalte Schulter, in Anlehnung an seinen Vornamen.

Und was macht Sweeting nach seiner ersten von insgesamt drei 180er-Aufnahmen? Na klar, genau diesen Jubel. "Fans, ich hoffe, ihr habt das gesehen. Ich liebe euch", sagt Sweeting nach seinem denkwürdigen Auftritt.

Ja, sie haben es gesehen. Die Darts-Welt hat es gesehen. Kein Spieler hat im bisherigen Turnierverlauf eine solche Geschichte kreiert wie Rashad Sweeting. Um den "Bahamas-Boy", wie in der Bouleverd getauft hat, ist ein regelrechter Hype entstanden. Der Titelsponsor der Weltmeisterschaft, ein Wettanbieter, kündigte an, Sweeting die gesamten Reisekosten zu erstatten für den kostspieligen Trip von Nassau nach London und zurück. "Rashad Sweeting hätte es vernünftig spielen können, aber er hat sich für die 180 entschieden. Als Dankeschön dafür, dass er eine Legende ist und mit der 180 eine weitere 1000-Pfund-Spende an die Protastakrebs-Stiftung möglich gemacht hat, übernehmen wir seine Reisekosten."

"Ich erzähle Ihnen eine lustige Geschichte ..."

Große Zuneigung verspürte Sweeting, der mit umgerechnet etwa 9000 Euro Preisgeld nach Hause reist, bei seinem WM-Debüt aber nicht nur von den Fans und vom Turniersponsor, sondern auch vom amtierenden Weltmeister. "Ich erzähle Ihnen jetzt eine lustige Geschichte", startete der "Candy Man" seine Anekdote über Luke Humphries. "Ich war im Spielerhotel im Trainingsraum, habe ein paar Darts geworfen. Plötzlich hörte ich ein Klopfen an der Tür, sie war verschlossen. Ich dachte, es sei die Putzfrau. Dann habe ich die Tür geöffnet und es stand Luke Humphries vor mir."

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Sweeting bekommt das Grinsen nicht aus dem Gesicht, als er die Geschichte erzählt. "Willst du, dass ich den Raum verlasse, weil du der beste Spieler der Welt bist?", fragte Sweeting den Titelverteidiger und Weltranglisten-Ersten. "Aber er sagte: 'Nein, nein, alles gut', und dann haben wir miteinander gesprochen. Er hat mir Tipps gegeben, mir gesagt, was ich zu erwarten habe. Und dann hat er mich viele Dinge gefragt, über mein Land und wie sich der Dartsport auf den Bahamas entwickelt. Was für ein cooler Typ!"

Das trifft nach dem denkwürdigen Abend im Alexandra Palace aber auch auf Rashad Sweeting zu. "Das war der beste Tag meines Lebens", sagte der 34-Jährige zum Abschluss und gab ein Versprechen ab: "Ihr werdet dieses Gesicht wieder sehen. Ich will mich nächstes Jahr unbedingt wieder für die WM qualifizieren."

Quelle: ntv.de

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