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Mark Nzeocha im Interview "Die NFL ist ein Hardcore Business"

Der deutsche NFL-Linebacker Mark Nzeocha schwimmt mit den San Francisco 49ers auf einer Erfolgswelle. Das Team aus der Bay Area zählt zu den heißesten Super-Bowl-Anwärtern. Der 29-Jährige hat seinen Teil bereits dazu beigetragen. Im Interview mit n-tv.de verrät er, was die 49ers in dieser Saison ausmacht, und was er über Regeländerungen der Liga und Verletzungen denkt.

n-tv.de: Die Saison mit den 49ers läuft bislang sehr gut. Wie viele Ticketanfragen für den Super Bowl musstest du denn schon abwimmeln?

Mark Nzeocha: (lacht) Mich haben schon ein paar Freunde aus Deutschland angeschrieben wegen Tickets. Aber soweit denke ich noch nicht. Wir haben noch viele Spiele übrig und ein schweres Programm. "One game at a time" ist hier das Motto. Ich denke daher auch von Woche zu Woche.

Dennoch läuft die Saison besser als erwartet. Was zeichnet euer Team in diesem Jahr aus?

Man geht in jede Saison mit hohen Erwartungen, trotzdem ist unsere Bilanz mit zehn Siegen und einer knappen Niederlage in der Overtime echt irrsinnig. Wir sind jetzt das dritte Jahr im selben System und den gleichen Coaches - die Spieler haben das System einfach verinnerlicht. Wir haben natürlich auch bessere Spieler verpflichtet. Der Draft war richtig gut mit Jungs wie Nick Bosa, und in der Defensive Line haben wir Dee Ford dazu bekommen. Unsere Defensive Line ist eine der besten der Liga. Wir haben insgesamt eine richtig gute Defense und das hat uns geholfen, in diesem Jahr viele Spiele zu gewinnen. Das ist ein richtig gutes Team, das sich gut ausbalanciert: Spielt die Offense nicht gut, ist die Defense da - und umgekehrt.

Auch für dich persönlich hatte die Saison schon einige Highlights: Interception, ein Yard Raumgewinn und ein geblockter Punt. Ist das ein Zeichen für den nächsten Entwicklungsschritt?

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Nzeocha bekommt die Hand dazwischen: Punt Block in Spiel 1 der laufenden NFL-Saison.

(Foto: imago images / ZUMA Press)

Die Coaches haben uns einfach in gute Situationen reingesteckt. Der Punt Block im ersten Spiel war geplant. Wir haben die Situation vorher gescoutet, und da ich im letzten Jahr schon einen Punt geblockt habe, haben wir da unsere Chance gesehen. Auch bei der Interception hat für mich einfach alles gepasst. Einer unserer Linebacker musste raus, und ich war in der entscheidenden Situation einfach da. Ich würde nicht sagen, dass es der nächste Schritt in meiner Entwicklung ist, es steht eher für die "Next Man up"-Mentalität in unserem Team: Wenn der eine raus muss, dann ist ein anderer im Spiel und hängt sich genauso rein wie sein Teamkollege.

Wie würdest du dann deine Entwicklung seit dem Wechsel zu den 49ers beschreiben?

Hier gab es für mich einfach die Möglichkeit, zu spielen. Zu meiner Anfangszeit in der NFL bei den Dallas Cowboys war das alles sehr schwer. Ich war noch jung und neu in der Liga. Der Wechsel vom College damals in die NFL, das dauert einfach, bis du ankommst. Hier bei den 49ers war es gleich anders. Ich hatte einen festen Spot in den Special Teams und in der Defense kann ich auch sporadisch spielen. Das war auf jeden Fall der beste Wechsel, den ich machen konnte.

Du wirst vorwiegend in den Special Teams eingesetzt. Gibt es da eine strikte Hierarchie unter den Linebackern? Im letzten Jahr wurdest du noch als Sam Linebacker aufgestellt, der auf der starken Offensivseite des Gegners spielt.

Meine Hauptaufgabe ist in den Special Teams, das haben sie mir bei den 49ers von Anfang an gesagt. Wenn du kein Starter bist, musst du allerdings jede andere Position spielen können.

Dann müssen die Linebacker gewissermaßen zusammenhalten. Seid ihr denn ein verschworener Haufen?

Absolut. Wir sind eine richtige coole und enge Gruppe. Mittlerweile sind wir alle gut miteinander befreundet und gehen donnerstags oder freitags immer zusammen essen, um die Kameradschaft zu pflegen. Nach der letzten Saison sind wir sogar alle zusammen auf einen Linebacker-Trip nach Vegas gegangen.

Du hast vor kurzem einen neuen Vertrag über drei Jahre unterschrieben. Macht das die Arbeit leichter, gehst du freier ins Training und die Spiele?

Ganz ehrlich - nein. Die NFL ist ein Hardcore Business. Du musst dich jeden Tag neu beweisen, wenn du das nicht machst, dann ist es egal, ob du einen Zehnjahres-Vertrag hast oder nicht. Sie können dich jederzeit gehen lassen. Es gibt keine Zeit zum Relaxen.

Beim Training läuft sehr laut über große Boxen Hip Hop und Rap-Musik. Das ist doch eher ungewöhnlich.

Unser Headcoach Kyle Shanahan ist damit auch cool, und das sorgt für gute Stimmung. Das ist wichtig. Du musst Spaß damit haben. Wenn es keinen Spaß machen würden, wäre es nur noch angespannter und würde für Stress sorgen. Wir halten das alles richtig locker und gechillt.

Die Defensive der 49ers wird immer wieder gelobt, dabei läuft es in der Offense ebenfalls sehr gut. Jimmy Garoppolo spielt eine starke Saison und läuft nach einer langen Verletzung zur Hochform auf. Wie siehst du seine Entwicklung?

Jimmy ist schon krass. Das ist letztes Jahr blöd gelaufen, als er sich im dritten Spiel verletzt hat. Aber was er dieses Jahr abliefert, ist richtig richtig gut. Er macht einfach sein Ding und verbessert sich stetig. Es ist jetzt sein sechstes Jahr in der Liga, auch wenn er zuvor in den ersten vier Jahren bei den New England Patriots nicht so viel Spielzeit hatte. Er hat sich zu einem echten Leader entwickelt, der unser Team trägt und anfeuert.

Nach eurer ersten Niederlage gegen die Seahawks gab es allerdings vorwiegend Kritik für die Offense und Garoppolo. Ist das dann eher der Position des Quarterbacks geschuldet oder den überkritischen Medien in den USA?

Man muss sich das Spiel einfach nochmal anschauen. Da gab es auf beiden Seiten genügend Punkte, bei denen man etwas verbessern kann. Bei uns ist es jedenfalls nicht so, dass dann die eine oder andere Seite des Balles mehr Schuld an der Niederlage trägt. Es ist in dem Spiel einfach nicht so gelaufen, wie es sein sollte.

Um Football einem breiteren Publikum in Deutschland zu vermitteln, braucht es oft einen größeren Zusammenhang. Der Protest des ehemaligen 49ers-Quarterbacks Colin Kaepernick wäre so eine Geschichte oder die Vorwürfe gegen Skandalprofi Antonio Brown zu Saisonbeginn. Spielen solche Themen in eurer Kabine eine Rolle?

Vielleicht wird mal ganz kurz darüber geredet. Aber wir sind während der Saison so damit beschäftigt, uns auf unseren Job zu konzentrieren. Diese Geschichten von außen sind nicht wirklich ein Thema.

Wie nimmst du wahr, dass die NFL seit ein paar Jahren in Deutschland total im Kommen ist? Immerhin hast du im letzten Jahr das Fan-Voting zum "All-Star Game" im Bereich der Special Teams gewonnen, weil du so viele Stimmen aus Deutschland erhalten hast.

Das war das Geilste, was ich erlebt habe - dieser Support aus Deutschland. Alle sind sie durchgedreht. Das hat mir wirklich etwas bedeutet. Ich merke, dass der Sport wächst und das Interesse da ist. RanNFL ist ja mittlerweile riesig und ich bin auch mit den Moderatoren Björn Werner und Patrick Esume befreundet. Die machen einen richtig guten Job, den Leuten den Sport zu erklären. Viele in Deutschland kennen die Regeln ja nicht so genau.

Regeln sind ein gutes Stichwort. Die Regeln in der NFL werden ja regelmäßig geändert. Das trifft vor allem die Defense. Macht es das für Spieler wie dich schwerer?

Das ist schon schwer. Ab und zu kannst du beim Tackle nicht verhindern, dass beide Helme aneinander stoßen. Dann ist es gleich "Helmet to helmet" und wird als persönliches Foul gewertet. Du willst niemanden verletzen, aber du spielst Football immer noch, wie du es dein Leben lang gespielt hast.

Besonders in den letzten Jahren hat sich die NFL dafür eingesetzt, die Gesundheit der Spieler zu schützen. Es bleibt ein aufzehrender Sport und die Karriere kann kurz sein. Du hattest selbst schon eine schwere Verletzung. Gab es für dich Momente, in denen du gesagt hast, das war es mit Football?

Verletzungen sind Teil des Spiels. Die durchschnittliche Karriere eines NFL-Spielers liegt bei etwas mehr als drei Jahren. Das ist ein harter Sport, und viele Leute können das einfach nicht lange mitmachen. Damals im College, als ich mir das Kreuzband gerissen habe, da war dieser negative Gedanken da: ‚Das war‘s wahrscheinlich. Welches Team würde mich mit einem kaputten Knie noch nehmen.‘ Ich hatte wenige Spiele gemacht, wollte aber unbedingt in die NFL. Im Endeffekt hat es doch noch geklappt, und ich wurde gedraftet. Dafür bin ich auch super dankbar.

Du lebst jetzt seit acht Jahren in den USA, ein Großteil deiner Familie lebt noch in Bayern. Gibt es noch etwas außer deiner Familie, das du an Deutschland vermisst?

Ja, meine Freunde natürlich - und das deutsche Essen. Ich liebe deutsche Bäckereien und Döner, das ist so mein Ding (lacht). Als ich aufgewachsen bin, habe ich noch gedacht: Ami-Essen ist das geilste, die Süßigkeiten, die Getränke. Seit ich hier lebe, hat sich das aber geändert.

Was ist denn dein Wunsch für das kommende Jahr 2020 - sportlich gesehen?

Ich würde schon gerne mein Rolle erweitern und ein bisschen mehr in der Defense spielen. Aber in dieser Liga ist einfach nichts sicher. Einfach noch ein paar Jahre das Ding genießen und auf der Welle mitschwimmen.

Mit Mark Nzeocha sprach Michael Bauer

 

Quelle: ntv.de

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