Sport

"Von Ihnen als Sportmediziner will ich nur eins: Medaillen" Dopingstudie belastet Genscher

Genscher war von 1969 bis 1974 Innenminister und damit für den Sport zuständig.

Genscher war von 1969 bis 1974 Innenminister und damit für den Sport zuständig.

(Foto: dpa)

Die Studie zu Doping in Westdeutschland enthält Vorwürfe gegen Politiker. Hans-Dietrich Genscher habe vor Olympia 1972 "Medaillen um jeden Preis" gefordert. Auch Wolfgang Schäuble soll sich indirekt für Doping ausgesprochen haben. Beide können sich nicht erinnern.

Am Wochenende hat die "Süddeutsche Zeitung" über politisch angewiesene Dopingforschung in Westdeutschland seit den 1970er Jahren berichtet, aus einer da noch unveröffentlichten Studie. Am Wochenende hat deshalb der frühere Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher der "Bild am Sonntag" zu diesem Thema gesagt: "Ich wüsste nicht, wer einen solchen Druck ausgeübt haben sollte. Ich halte das für völlig ausgeschlossen."

Nun, drei Tage später, schließt die "Süddeutsche Zeitung" die Gedächtnislücken des inzwischen 86-jährigen Genschers. Er selbst, von 1969 bis 1974 als Innenminister für den westdeutschen Sport zuständig, habe den Druck ausgeübt. Unter Berufung auf die Langfassung der Dopingstudie, die rund 680 Seiten mehr umfasst als die am Montag kurzerhand veröffentlichte Version, schreibt die SZ, dass Genscher dort von mehreren Zeitzeugen belastet wird.

Medaillen um jeden Preis

Vor den Olympischen Spielen 1972 in München wird ihm dabei folgender Satz zugeschrieben: "Unsere Athleten sollen die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen haben wie die Ostblockathleten."

Weiter heißt es, Genscher habe in München "Medaillen gefordert - koste es, was es wolle". Zu einem Arzt soll der FDP-Politiker gesagt haben: "Von Ihnen als  Sportmediziner will ich nur eins: Medaillen." Auf den Einwand hin, die Zeit bis Olympia sei knapp ("Ein Jahr vorher?"), soll Genschers Antwort gewesen sein: "Das ist mir egal." Zudem soll Genscher 1970 erklärt haben, man sollte vor allem Goldmedaillen für die bevorstehenden Spiele in München im Auge haben und alle Anstrengungen darauf konzentrieren.

Eine inhaltliche Stellungnahme gegenüber der SZ habe Genscher vorerst abgelehnt. Zuvor wolle er die Langfassung der Studie beim Bundesinnenministerium beantragen und einsehen, "um sachgerecht antworten zu können". Diese Langfassung liegt Genscher nach eigenen Angaben seit Mittwochmorgen vor, meldet "Spiegel Online".

Widersprüche bei der Veröffentlichung

Widersprüchliche Angaben gibt es derweil zu den Gründen für die monatelang herausgezögerte Veröffentlichung und die massive Einkürzung des am Montag auf der Website des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) bereitgestellten Abschlussberichts. Zunächst hieß es, der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, habe Bedenken geltend gemacht.

Das hat Schaar in seinem Blog zurückgewiesen: "In den letzten Tagen geäußerte Vorwürfe, datenschutzrechtliche Bedenken hätten die Veröffentlichung der seit vielen Monaten vorliegenden Studie verzögert oder behindert, kann ich deshalb nicht nachvollziehen. Zum einen war meine Prüfung Anfang Juli abgeschlossen. Zum anderen begreife ich den Datenschutz nicht als Decke, die über Versäumnisse der Vergangenheit gebreitet werden darf." Später wurden formale Anforderungen als Grund für die Kürzungen angeführt.

Schäuble kann sich nicht erinnern

Die auf öffentlichen Druck bereitgestellte 117-seitige Version weist laut SZ "substanzielle Unterschiede" zum 804-seitigen Bericht aus, der der Zeitung vorliegt. Herausgekürzt wurden nicht nur zahlreiche Augenzeugenberichte, sondern auch die Namen hochrangiger Politiker - nicht nur von Genscher, sondern auch vom aktuellen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Dem damaligen Sprecher der CDU-Fraktion im Sportausschuss wird von einem Sportmediziner die Aussage zugeschrieben, wenn es nicht schade, solle man auch das Bestmögliche unseren Sportlern angedeihen lassen.

Diese Aussage ist deshalb brisant, da laut der Studie negative Forschungsergebnisse zu untersuchten Dopingpräparaten wie Anabolika vom BBISp bewusst zurückgehalten wurden. Der SZ teilte Schäuble auf Anfrage mit, das Zitat könne er "vierzig Jahre später nicht mehr mit Sicherheit bestätigen oder verneinen".

Quelle: ntv.de, cwo/sid

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