Der Kommentar Ein riskanter Fallrückzieher
11.01.2008, 16:42 UhrJürgen Klinsmann wird neuer Trainer des FC Bayern. Bei dieser Sensations-Nachricht dürften so einige vom Hocker gefallen sein oder zumindest laut "Ja mei, des gibts do gar need" gerufen haben. Ausgerechnet Klinsmann, der als Nationaltrainer regelmäßig mit den Bayern-Oberen aneckte und als Spieler in München nie so richtig glücklich wurde - man denke nur an den legendären Tritt in eine Werbetonne. Und genau der soll die Bayern wieder ganz nach oben führen. Staunen ist erlaubt.
Gestaunt haben dürfte auch Bayern-Manager Uli Hoeneß, als er die Zusage von Klinsmann bekam. Schließlich wollten ja schon einige nicht gerade unbedeutende Vereins- und Nationalteams den ehemaligen Bundestrainer seit seinem Rückzug verpflichten. Doch kein Angebot war gut genug, um Klinsmann aus der Sonne Kaliforniens wegzulocken. Bis der "FC Hollywood" kam (hat da vielleicht jemand was verwechselt?).
Es bleibt allerdings die Frage, ob sich die Münchener mit diesem Überraschungscoup wirklich einen Gefallen tun. Okay, Klinsmann spricht im Gegensatz zu Mourinho Deutsch, er ist unverbraucht und hat Deutschland 2006 ein unvergessliches Sommermärchen beschert. Doch reicht das, um bei den Bayern erfolgreich zu sein?
Fakt ist, dass Klinsmanns Erfahrung als Trainer ziemlich überschaubar ist. Zwei Jahre Nationalmannschaft, das war’s! Wie es ist, Tag für Tag mit einem Vereinsteam zu arbeiten, noch dazu in einer Medienstadt wie München, das wird er erst noch lernen müssen. Außerdem muss Klinsmann beweisen, dass er die fachlichen Qualitäten hat, die einen guten Bundesliga-Trainer auszeichnen. Zweifel daran sind nicht völlig abwegig, denn einen großen Anteil an den Erfolgen mit der Nationalmannschaft hatte sein damaliger Co-Trainer Jogi Löw, der zuvor bereits zahlreiche Vereinsteams betreut hatte. Außerdem kann Klinsmann keine fundierte Trainerausbildung vorweisen, denn den Schein zum Fußball-Lehrer hat er in einem deutlich verkürzten Lehrgang für verdiente Nationalspieler gemacht.
Ein weiteres Problem könnte die Zusammenarbeit mit den Bayern-Bossen sein. Denn öffentliche Kritik an seiner Arbeit ( la Karl-Heinz Rummenigge versus Ottmar Hitzfeld) würde unweigerlich zu einem großen Knall führen. Ja, und irgendwie kann man sich kaum vorstellen, dass sich Hoeneß, Rummenigge und auch Beckenbauer grundlegend ändern werden, nur weil der Trainer jetzt nicht mehr Hitzfeld, sondern Klinsmann heißt.
"Der nächste Schuss muss sitzen", hat Hoeneß zu Beginn der Trainersuche gesagt. Jetzt hat er ihn losgelassen und sich dabei für einen ziemlich riskanten Fallrückzieher entschieden. Sitzt er, dann kann sich Hoeneß noch in vielen Jahren für diesen sensationellen Coup feiern lassen. Geht er allerdings auf die Tribüne, dann wirft das die Bayern auf dem Weg an Europas Spitze weit zurück.
P.S.: Trotz der beschriebenen Zweifel möchte ich den Bayern für ihre mutige Entscheidung gratulieren. Denn der deutsche Fußball, die Liga und die Fans werden von der Rückkehr der Lichtgestalt Klinsmann ganz sicher profitieren.
Quelle: ntv.de