Vom Stiefvater niedergeschossen El-Halabi plant den Weg zurück
06.11.2012, 11:11 Uhr
Nicht nur diese Narbe bleibt: Boxerin Rola El-Halabi.
(Foto: dpa)
Es geschieht in der Kabine. Ihr Stiefvater stürmt herein und schießt sie nieder. Knapp zwei Jahre ist das jetzt her. Nun plant die Boxerin Rola El-Halabi nach ihrer Leidensgeschichte das Comeback im Ring. Und sagt: "Ich muss gewinnen, das ist meine Aufgabe."
Mit kaum einer Regung im Gesicht, sogar sichtlich entspannt spricht Rola El-Halabi über das Unfassbare. Über die Folgen des 1. April 2011, als ihr Stiefvater wutentbrannt in ihre Kabine gestürmt war und vier Schüsse auf sie abgefeuerte hatte. "Diese Erinnerung - mein Gott, mit der muss ich leben", sagt die Boxerin: "Ich habe mein gesamtes Leben gelernt zu kämpfen. Dieses mal erst recht."
Am 12. Januar, nach fast zweijähriger Leidenszeit, will El-Halabi in den Ring zurückkehren. "Das ist wie eine zweite Geburt", sagt sie. Ihre Geschichte spiele im Kampf gegen die gebürtige Italienerin Lucia Morelli in Neu-Ulm keine Rolle. "Ich bereite mich vor wie vor zwei Jahren auch", sagt sie: "Ich muss gewinnen, das ist meine Aufgabe." Gewonnen, so hat es bei El-Halabis Comeback-Ankündigung in ihrem Ulmer Café den Anschein, hat die 27-Jährige schon in jedem Fall. Kaum einer hatte mit der Rückkehr der damaligen Weltmeisterin, die im kommenden Jahr in einem Buch erzählt wird, gerechnet. Wochenlang war die Boxerin an einen Rollstuhl gefesselt, der Anschlag ihres Stiefvaters, zugleich ihr ehemaliger Manager, hatte sie in Fuß, Knie und ihre Schlaghand getroffen.
"Das ist da und muss auch da sein"
"Ich war Weltmeisterin und wurde von jetzt auf gleich aus dem Leben gerissen", sagt sie: "Das ist das Schlimmste, was mir passiert ist." Der schwerste Kampf erwarte sie deshalb "in der Kabine" vor dem Gang in die Halle. "Ich versuche einfach, das ein wenig in den Hintergrund zu stellen", sagt sie. Im Alltag, abseits der Trainingshalle, gelingt dies immer häufiger, aber nie so ganz. "Wenn ein Luftballon zerplatzt oder ich nur meine elf Narben am Körper anschaue, werde ich daran erinnert", sagt El-Halabi: "Das ist da und muss auch da sein. Man muss einfach lernen, sich aus diesen Erinnerungen immer wieder herauszuziehen."
Halt fand die gebürtige Libanesin bei ihrem Verlobten und ihrer Familie. "Wenn es mir schlecht ging, habe ich die hingesetzt und die mussten es sich anhören - und haben das auch gemacht", sagt sie. Mehr psychologische Hilfe wollte El-Halabi nicht, brauchte sie nicht. "Ich bin kein Mensch, der auf Knopfdruck über seine Gefühle reden kann."
Kontakt zu ihrem Stiefvater hat El-Halabi nicht. "Keinen Platz" habe der heute 45-Jährige in ihrem Leben. "Das letzte Mal habe ich ihn bei der Gerichtsverhandlung gesehen. Aber ich habe auch nicht vor, Kontakt aufzubauen", sagt sie: "Ich konzentriere mich auf mich, er ist jetzt noch einige Jahre drin." Das Berliner Landgericht hatte Hicham El-Halabi, nachdem Rola als Nebenklägerin aufgetreten war, im November 2011 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Hintergrund der Tat war laut Gericht, dass die damals 26-Jährige sich im Januar von ihrem Adoptivvater als Manager getrennt hatte. Dieser hatte ihre Karriere bis dahin eng begleitet. Neben ihrem Comeback-Kampf will die Boxerin im nächsten Jahr auch heiraten, ein Termin steht aber noch nicht fest. "Priorität hat mein Sport. Alles andere läuft ja nicht weg", sagt El-Halabi. Und lächelt.
Quelle: ntv.de, Jan Mies, sid