
Für Mellentin sind die Special Olympics in seiner Heimatstadt etwas ganz Besonderes.
(Foto: picture alliance/dpa/LOC Special Olympics World Games Berlin 2023/Camera 4)
Eine Woche lang kämpfen Athletinnen und Athleten bei den Special Olympics in Berlin um Medaillen. Doch es geht um so viel mehr als Gold, Silber und Bronze. Deswegen entscheidet sich Dennis Mellentin gegen das Rad und für den Job beim Organisationskomitee. Der Berliner wirbt mit Feuereifer für Inklusion.
Da, wo sonst Blau-Weiß dominiert, war es am Samstagabend kunterbunt. Da, wo sich meistens zwei Teams duellieren, gab es ein riesiges Miteinander. Am Ende verließen das Berliner Olympiastadion alle glücklich und zufrieden, sonst ist es Dennis Mellentin gewöhnt, dass einer unzufrieden zur U- oder S-Bahn oder zum Auto aufbricht. In der abgelaufenen Saison der Fußball-Bundesliga gehörte meist er zu den unglücklichen.
Denn Mellentin ist Fan von Hertha BSC. Mehr noch: Er ist Mitglied und als Dauerkarten-Besitzer geht er in sein zehntes Jahr. Er wird wiederkommen, wenn seine Hertha spielt, auch in der zweiten Liga. "Der Abstieg tut halt weh", sagt er gegenüber RTL/ntv. Doch derzeit hat der 35-Jährige die beste Ablenkung, die er sich vorstellen kann: die Special Olympics.
Das Sportfest für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung ist das größte Sport-Event in Deutschland seit den Olympischen Spielen 1972 in München. Mehr als 7000 Sportlerinnen und Sportler aus 190 Nationen sind zu Gast in Berlin, sie feierten am Samstag eine überschäumende, ausgelassene, teils emotionale Party im Olympiastadion. Mellentin hat seine Freunde vom Sport nicht nur zu Gast in seiner Heimat, er hat sie direkt zu Gast in seinem "Wohnzimmer" gehabt.
Statt auf dem Rad ist er diesmal Organisator
Der Radsportler hat bereits an den vergangenen Weltspielen in Abu Dhabi teilgenommen und dort zweimal Bronze gewonnen. Er weiß ganz genau, wie aufgeregt Tischtennisspielerin Sophie Rensmann aus Dortmund am Samstagabend war. Sie durfte das Olympische Feuer entzünden - vor vier Jahren in Abu Dhabi durfte Mellentin als letzter Fackelträger agieren. "Es war einer der größten Momente für mich", blickt er gegenüber RTL/ntv zurück. Einer, an den er noch heute immer wieder erinnert wird. Denn ein Foto davon hängt in seinem Büro beim Landesverband der Special Olympics. "Jeder, der reinkommt, der in unser Büro kommt, der sieht das Bild und denkt 'Oh, so viel habt ihr schon erreicht.' Und ich glaube, das war schon eines der größten Highlights."
Diesmal ist der gebürtige Berliner in einer anderen Rolle dabei: Als Mitglied des Lokalen Organisationskomitees und als Sport Official beim Radsport. Mellentin musste sich entscheiden: Will er wieder Sportler sein oder für die Organisation mitverantwortlich sein? Er entscheidet sich für den Beruf, die andere Perspektive hat er schließlich bereits erlebt. Seitdem kümmert er sich als Organisator und als Athlet*innensprecher darum, dass sich alle in seiner Heimatstadt wohlfühlen werden. "Ich sehe das wie einen gedeckten Tisch. Die Athleten kommen an ihren fertigen Sportstätten an, ich sehe jetzt aber, dass ich diesen Tisch eindecken muss", sagte er gegenüber Sky.
Special Olympics bringt Freundschaften
Zum Radsport und damit zu den Special Olympics war er eher zufällig gekommen. Vor 15 Jahren wurde er in der Werkstatt, in der er arbeitete, vom damaligen Athletensprecher angesprochen: "Hey, du siehst fit aus! Komm doch mal mit zum Training." Nach nur zwei Wochen Training wollte der Trainer ihn testen und nominierte ihn für den ersten Wettkampf, berichtete er dem "Tagesspiegel". Er habe vorher noch mit seinen Teamkameraden gewitzelt, dass er es direkt aufs Podium schaffen würde. "Dann mussten sie mich zwicken", so Mellentin: "Ich habe das Rennen gewonnen!"
Sein Hobby wird ein großer Teil seines Lebens, er gewinnt Freunde hinzu, die für ihn inzwischen "wie eine gute zweite Familie" sind. Er sammelt Medaillen - und blickt über den Tellerrand hinaus. "Die sportlichen Erfolge stehen da ja eigentlich gar nicht im Mittelpunkt", erklärt er dem "Tagesspiegel". Denn anders als bei den Olympischen Spielen oder den Paralympics gibt es "keinen Druck, keine Leistung, die abgeliefert werden muss und kein Geld".
Er betont den Spaß und die Gemeinschaft - und den Booster für das Selbstwertgefühl: "Niemand muss sich hier verstecken", sagt Mellentin: "Ich kann zeigen, was ich kann." Denn, das ist ihm persönlich und als Mitglied des Organisationskomitees besonders wichtig, es ist völlig egal, welche Beeinträchtigung die Athletinnen und Athleten haben, diese würden nur wieder voneinander abgrenzen, dabei ist doch die Inklusion das große Ziel. "Es geht nicht um die Behinderungen, das soll auch nicht im Vordergrund stehen. Es soll der Spaß daran sein, der wichtig ist", sagt er RTL/ntv, "wir wollen zeigen, dass wir genauso sind wie alle Menschen." Gegenüber Sky erklärt er seine Vehemenz: "Menschen mit Handicap werden immer noch in eine Schublade gesteckt. Dann heißt es 'Nee, der kann nichts, der will nicht, der ist einfach nur faul', was nicht so ist. Da bin ich eines der besten Beispiele und meine Freunde zeigen das auch immer wieder. Wir zeigen, dass wir etwas können und dass wir alle gleich sind."
"Wir wollen selber zeigen, dass wir zu mehr in der Lage sind"
Mellentin ist ein glänzendes Beispiel, ein Vorbild für andere. Er arbeitet sowohl in einer Werkstatt in der Küche als auch beim Landesverband Special Olympics. In der Werkstatt hat er auch seine Freundin Lucie kennengelernt, mit der er glücklich ist. Beide Jobs machen ihm "enorm viel Spaß", beide Teams stehen voll hinter ihm. Der 35-Jährige hat es geschafft, was zu vielen Menschen mit Behinderung noch immer verwehrt bleibt: der Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt.
"Wir versuchen, die Barrieren abzuschaffen, sowohl sichtlich als auch geistig in den Köpfen der Menschen", erklärt er, was ihm neben dem Sport bei den Special Olympics besonders wichtig ist. "Wir wollen selber zeigen, dass wir zu mehr in der Lage sind. Dazu kann man die Leute nur einladen, zu den Wettkämpfen zu kommen und an unserem Festival teilzunehmen", ruft er Berlinerinnen und Berliner, aber auch Touristen auf. "Da kann man sehen, wie viel Inklusion gelebt werden kann. Einfach mal anschauen und zeigen und sehen, wie viel Emotionen die Athleten mitbringen und wie viel Empowerment sie mitbringen."
Quelle: ntv.de