Nach der Wasserschlacht Erinnerungen an 1974
12.04.2008, 11:26 UhrAm Samstagmorgen schien in Nürnberg wieder die Sonne - als hätte es dieses schwere Unwetter nur einige Stunden zuvor nie gegeben. Noch am Freitagabend war Schiedsrichter Jochen Drees im sintflutartigen Regen mit einem Schirm in der Hand fast verzweifelt über den mit Pfützen übersäten Platz im Frankenstadion gelaufen und hatte einige Ersatzspieler sogar Schussübungen ausführen lassen - doch der Ball wollte einfach nicht so richtig rollen.
Als dann auch noch das Nürnberger Wetteramt mit schlechten Nachrichten aufwartete, sah sich der Unparteiische aus Mainz zu einer "ganz schwierigen Entscheidung" gezwungen. Drees brach die Bundesliga-Partie zwischen dem 1. FC Nürnberg und dem VfL Wolfsburg beim Stand von 1:0 nach 45 gespielten Minuten und einer einstündigen Unterbrechung ab und sorgte dafür, dass die Fußball-Bundesliga am späten Freitagabend um 22.15 Uhr um ein historisches Ereignis reicher war.
Es war der erste Spielabbruch wegen Regens in 44 Jahren, der erste überhaupt seit 32 Jahren und der sechste insgesamt. Es wurden sogar Erinnerungen an die legendäre Wasserschlacht bei der WM 1974 zwischen Deutschland und Polen (1:0) in Frankfurt/Main wach.
Verständnis überwiegt
Begeisterungsstürme löste die Entscheidung angesichts der Führung bei den abstiegsbedrohten Nürnbergern zwar nicht gerade aus - doch letztendlich überwog bei allen das Verständnis für die ungewöhnliche Maßnahme. Die komplette Partie muss nun nachgeholt werden. Den Termin will die Deutsche Fußball Liga (DFL) zu Wochenbeginn bekanntgeben.
"In unserer Situation ist das natürlich nicht so schön, aber wir werden auch im Wiederholungsspiel Gas geben. Wir sind auf dem richtigen Weg", sagte FCN-Trainer Thomas von Heesen und fügte vor dem Spiel am kommenden Mittwoch beim VfB Stuttgart an: "Das war eine gute Einheit, um Kraft zu tanken. Außerdem bleibt ein bisschen mehr Zeit, die kleinen Wehwechen auszukurieren." Ansonsten nehme man aus den "Wasser-Festspielen" gegen Wolfsburg die Dinge mit, "die gut waren".
"Alles nur noch Zufall"
Dies einzuschätzen, fiel allerdings schwer. Nachdem es fünf Minuten vor Spielbeginn angefangen hatte, wie aus Kübeln zu gießen, stand der Platz nach einer guten Viertelstunde derart unter Wasser, dass an ein reguläres Spiel nicht mehr zu denken war. "Das hatte mit Fußball nichts mehr zu tun, das war alles nur noch Zufall", stellte Wolfsburgs Sascha Riether treffend fest.
Die Nürnberger Fans, die nach den Ausschreitungen vor einer Woche in Frankfurt diesmal im strömenden Regen friedlich feierten, quittierten den Abbruch zwar mit einem gellenden Pfeifkonzert. Aber es sei eben kein regulärer Ablauf mehr möglich gewesen, sagte Drees, der auch Unterstützung bei Schiedsrichter-Sprecher Manfred Amarell fand, der Augenzeuge im Frankenstadion war: "Es war eine Entscheidung der Vernunft."
Ball bleibt in der Pfütze liegen
Diese Einschätzung teilte auch Wolfsburgs Coach Felix Magath: "Die Bedingungen waren nicht mehr regulär." Wie schwierig die Verhältnisse waren, unterstrich vor allem eine Szene in der 43. Minute: Bei einem Schuss von Zvejzdan Misimovic blieb der Ball auf dem Weg zum 2:0 wenige Zentimeter vor der Linie in einer der zahllosen Pfützen einfach liegen.
In der 34. Minute war der Club durch Iwan Sajenko in Führung gegangen. Dessen eigentlich harmlosen Schuss hatte VfL-Keeper Diego Benaglio nicht festhalten können. Alles nur Makulatur, weshalb es für den Torschützen "sehr bitter" war: "Es tut schon weh, wenn man zuschauen muss, was die Konkurrenz am Samstag macht. Aber wir müssen das abhaken." Dies befand auch von Heesen. Am Samstag bat er die Mannschaft schon wieder zu einem normalen Training, nicht wie sonst nach Spielen üblich nur zum Auslaufen, "um auch in Stuttgart etwas mitzunehmen".
Zuletzt war am 27. November 1976 ein Punktspiel in der Bundesliga abgebrochen worden, damals musste die Begegnung zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Fortuna Düsseldorf beim Stand von 0:1 in der 76. Minute wegen Flaschenwürfen der Zuschauer vorzeitig beendet werden. Diesmal war es der Regen. Dabei hatten etliche Helfer eine Stunde mit allen Mitteln versucht, das Wasser vom Platz zu schippen. Sogar Bierbänke waren dabei im Einsatz - alles vergeblich.
Quelle: ntv.de, Thomas Niklaus, sid