Sport

Tognoni: "Dumme Trotzreaktion" Ex-Fifa-Direktor zu WM-Boykottaufruf

Guido Tognoni (r.) und taz-Chefredakteur Andreas Rüttenauer (l.) als Gäste von Heiner Bremer.

Guido Tognoni (r.) und taz-Chefredakteur Andreas Rüttenauer (l.) als Gäste von Heiner Bremer.

Englands Fußball-Verbandspräsident Dyke fordert Deutschland zu einem WM-Boykott auf, um gegen das System Blatter zu protestieren. Der frühere Fifa-Direktor Guido Tognoni hält das nicht für eine gute Idee. Er kritisiert aber, der DFB sei der FIFA "hörig".

Guido Tognoni, ehemaliger Spitzenfunktionär des Weltfußballverbandes Fifa, hat Forderungen nach einem WM-Boykott als "dumme Trotzreaktion" bezeichnet. Man solle die Fans fragen, was sie von solchen Forderungen hielten, argumentierte Tognoni in "Das Duell bei n-tv": "95 Prozent wären sicher dafür, dass Jogi Löw mit seiner Mannschaft in Russland den Titel verteidigt, und nicht zu Hause sitzt", sagte Tognoni. Der Schweizer war 14 Jahre in leitender Funktion bei der Fifa tätig.

Programmhinweis

Das Duell bei n-tv: Zum Thema "Allein in Europa – wie will Merkel die Krise lösen?" diskutiert Heiner Bremer mit seinen Gästen Kurt Beck und Klaus-Peter Willsch. Wiederholung um 23.10 Uhr.

Zuvor hatte der englische Verbandspräsident Greg Dyke Deutschland zu einem Boykott der Weltmeisterschaften aufgerufen. Anlass war der neuerliche Korruptionsskandal bei der Fifa – letzten Mittwoch waren in Zürich sieben Funktionäre festgenommen worden. Sie sollen für die Vergabe von Fernsehrechten Schmiergelder in Millionenhöhe eingestrichen haben.

Tognoni warf der UEFA im "Duell" vor, ihre sportpolitische Macht nicht hinreichend zu nutzen, um auf einen Wandel innerhalb der Fifa hinzuwirken. "Die UEFA ist das Zentrum des Fußballs, ohne die UEFA wäre die Fifa verloren – aber politisieren kann die UEFA nicht", kritisierte Tognoni. Insgesamt sei die UEFA "dem Sepp Blatter nicht gewachsen", sagte er. Blatter ist seit 1975 bei der Fifa und seit 1998 Präsident des Weltfußballverbandes. Eine direkte Beteiligung an den vielen Korruptionsskandalen im Fußball konnte ihm bislang nicht nachgewiesen werden.

"DFB ist der Fifa hörig"

Auch mit dem Deutschen Fußball-Bund um Präsident Wolfgang Niersbach ging Tognoni hart ins Gericht. "Ich kenne keinen Verband, der mehr Fifa-hörig ist als der DFB", sagte Tognoni. "Da konnte Sepp Blatter den DFB piesacken, wie er wollte: der DFB war absolut loyal, hörig. Preußischer Gehorsam: Dass gibt's nur mit Deutschland." Die Deutschen hätten laut Tognoni "noch gar nicht richtig gemerkt", welch wichtige Rolle im Weltfußball sie spielen würden. Tognoni forderte DFB-Präsident Niersbach auf, seinen Einfluss in der Fifa geltend zu machen: "Ein Weltmeister in einer Sportart, der derart wenig politischen Einfluss nimmt wie der DFB: Das gibt’s nirgends anders. Und da muss der Wolfgang Niersbach noch ein bisschen zusetzen, das wird von ihm erwartet."

Andreas Rüttenauer, taz-Chefredakteur und Tognonis Gesprächspartner, kritisierte den DFB-Präsidenten ebenfalls. Niersbach hatte sich trotz des Korruptionsskandals am Freitag in das Fifa-Exekutivkomitee wählen lassen. "Wenn man das ernst meint, dann darf man da nicht hingehen. Das ist doch ganz klar", sagte Rüttenauer, "andererseits hatte man wahrscheinlich Angst, es wurde ja was verhandelt in diesem Exekutivkomitee: Es ging um die Startplätze für den europäischen Fußball für die nächsten Weltmeisterschaften."

DFB ist Teil des Systems

Generell, so der langjährige Sportjournalist, sei auch der DFB "Teil dieses Systems, natürlich als großer Fußballverband gefangen in den Geschäftsmechanismen des Fußballs." Die Debatte um Blatter verdecke, dass es auch im deutschen Fußball immer wieder zu Ungereimtheiten komme: "Es wird ja schon kaum noch über die Fifa geredet, das ist ja inzwischen alles der Herr Blatter", bemängelte Rüttenauer, "die Korruption, die im eigenen Land stattfindet, die Probleme, die wir in unserem Fußball haben in Deutschland, die werden gar nicht angesprochen."

Rüttenauer zeigte sich skeptisch, ob Medienunternehmen und Sponsoren der Fifa daran interessiert seien, die Korruption im Weltfußballverband zu bekämpfen. "Es stört sie nicht, was da aufgedeckt wurde, sondern dass etwas aufgedeckt wurde. Deswegen glaube ich nicht an die moralische Säuberung des Sports durch die Sponsoren", sagte der taz-Chef. Fernsehsender, die Abermillionen für Übertragungsrechte auf den Tisch legen, sei nicht an Aufklärung gelegen, so Rüttenauer: "Die sind Mitveranstalter und werden das Produkt, das sie selbst mitgestalten, für das sie sehr viel Geld bezahlen, nicht schlecht machen."

Quelle: ntv.de

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