Michael Smith feiert Zittersieg Fast-Desaster ist für Weltmeister ein gutes Zeichen
16.12.2023, 05:49 Uhr
Titelverteidiger Michael Smith gehört nach einem wenig überzeugenden Jahr nicht zu den Titelfavoriten bei der Darts-WM.
(Foto: picture alliance / empics)
Fast wäre der Titelverteidiger schon am ersten Abend der Darts-WM 2024 gescheitert. Doch im entscheidenden Moment dreht Michael Smith auf, verhindert das Debakel und hat jetzt neben neuem Selbstvertrauen auch die Turnier-Historie auf seiner Seite.
Seit 15 Jahren beginnt ausnahmslos jeder Darts-Weltmeister die Mission Titelverteidigung mit einem Sieg. So auch in diesem Jahr: Michael Smith, der Neun-Darter-Held der vergangenen WM, gewinnt am späten Freitagabend knapp mit 3:2 gegen den niederländischen Debütanten Kevin Doets. Es ist allerdings das erste Mal seit zwölf Jahren, dass ein Titelverteidiger erst im Entscheidungssatz sein Auftaktspiel klarmacht. Für den Engländer ist das ein gutes Omen. Aber dazu gleich mehr.
Für Michael Smith beginnt der Abend im altehrwürdigen Londoner Alexandra Palace wie aus dem Favoriten-Lehrbuch. Direkt das erste Leg schnappt sich der Weltmeister, obwohl sein Gegner beginnen durfte. Das frühe Break ebnet den Weg zum ersten Satzgewinn.
Doch der krasse Außenseiter Doets, der sich früher am Abend durch einen 3:0-Erfolg über den US-Amerikaner Stowe Buntz überhaupt erst für das Spiel gegen den Titelträger qualifiziert hatte, spielt groß auf. Den zweiten Satz gewinnt der 25-jährige Niederländer im letzten Versuch auf der Doppel-5. Nach der Pause hält Doets das Niveau hoch, nutzt die wenigen sich bietenden Chancen konsequent und gewinnt sensationell auch den dritten Satz.
"Dieses Finish war der Killer"
Plötzlich steht Smith mit dem Rücken zur Wand. In dieser Situation zeigt sich, wer ein Champion ist und die Nerven behält. Smith kann das an diesem Abend. Auch weil Doets eine Möglichkeit zum 2:2 in den Legs im vierten Satz auslässt, gleicht der Engländer aus.
Bevor ihm im ersten Leg des Entscheidungssatzes sein Meisterstück gelingt: Während Doets sich bereits auf die Würfe aufs Doppelfeld vorbereitet, checkt Smith aus dem Nichts 142 Punkte zur Führung. "Dieses Finish war der Killer. Solche Momente sind entscheidend", bilanziert der "Bully Boy" nach dem Spiel bei Sport1.
Auf den Monster-Checkout lässt Smith dominante Minuten folgen. Der niederländische Neuling gewinnt zwar noch ein Leg, weil es der Weltmeister am Ende unnötig spannend macht, die große Sensation bleibt am Ende aber aus. Smith gewinnt den fünften Satz mit 3:1 und bleibt im Turnier. "Jetzt fahre ich erstmal sechs Tage zu Nathan Aspinall (Weltranglisten-Sechster, Anm. d. Red.) und trainiere mit ihm, bevor es hier für mich nach Weihnachten weitergeht", erklärt Smith bei DAZN seine Planungen nach dem Zittersieg.
WM-Geschichte spricht für Smith
Ausgerechnet der überraschend knappe Sieg, begleitet von großem Zittern, dürfte die Chancen auf die Titelverteidigung erhöhen. Die Statistiken sprechen jedenfalls eine klare Sprache: Smith kann sich trotz des nur knapp entgangenen Schock-Aus keine Vorwürfe machen. Dass es so knapp werden konnte, lag vor allem an seinem auftrumpfenden Gegner, der das Spiel seines Lebens gemacht hat.
Hätte Smith nicht deutlich besser gespielt als über weite Strecken des Jahres, wäre das Aus im ersten Spiel nicht zu verhindern gewesen. Der Engländer hat es aber geschafft, sein Niveau auf WM-Maß zu steigern, das gibt enorm viel Selbstvertrauen. "Ich fühle mich gut. Das war genau das Spiel, das ich gebraucht habe", so der 33-Jährige.
Und auch ein Blick in die WM-Geschichte spricht dafür, dass der "Bully Boy" entgegen der meisten Expertenaussagen doch eine Rolle spielen kann im Kampf um die 20 Kilogramm schwere Sid Waddell Trophy. Der letzte Weltmeister, der sein Auftaktspiel bei der Titelverteidigung erst im fünften Satz gewann, verteidigte seinen Titel zweieinhalb Wochen später: Adrian Lewis gewann bei der WM 2012 mit viel Mühe 3:2 gegen Nigel Heydon, machte dann aber den WM-Doppelpack klar.
"11 Uhr Klempner-Einsatz, 20 Uhr WM"
Für einen ehemaligen WM-Finalisten wurde es im Auftaktspiel am Freitagabend ebenfalls zittrig. Der Australier Simon Whitlock bezwang Paolo Nebrida, einen von vier philippinischen WM-Teilnehmern, auch erst im Entscheidungssatz.
Deutlich entspannter verlief der WM-Auftaktabend für Cameron Menzies. Der Schotte gewann mit 3:0 gegen Rusty-Jake Rodriguez, den einzigen Österreicher im Turnier. Dabei hätte die Vorbereitung kaum komplizierter laufen können, schließlich war Menzies am Vormittag noch in seinem Hauptberuf als Klempner im Badezimmer eines Kunden im Einsatz. "11 Uhr Klempner-Einsatz, 20 Uhr bei der Weltmeisterschaft", kommentierte die ausrichtende Profidart-Organisation PDC bei X den ungewöhnlichen Tagesablauf des Schotten.
"Dieses Spiel zu gewinnen, bedeutet mir alles", frohlockte Menzies. "Ich glaube, es hat mir geholfen, dass ich heute zur Arbeit gegangen bin, weil ich gemerkt habe, dass Darts für mich ein Hobby ist."
Legenden-Duell am Abend
Besonders im Fokus steht der erste Auftritt von Gary Anderson. Der Weltmeister von 2015 und 2016 hat nach enttäuschenden Jahren zuletzt seine alte Form erstaunlich oft wiedergefunden. Gelingt das auch bei der WM, ist dem 52 Jahre alten Schotten viel bis alles zuzutrauen. Allerdings droht im Legenden-Duell mit Simon Whitlock (ca. 23 Uhr, Sport1/DAZN) direkt ein heißer Tanz.
Nicht nur Whitlock, auch Menzies schlägt nach seinem Auftakterfolg am Freitagabend heute direkt wieder im legendären "Ally Pally" auf. Im Zweitrundenspiel gegen Dave Chisnall (ca. 16 Uhr, Sport1/DAZN) ist der umtriebige Klempner aber nur Außenseiter. "Natürlich wäre ich in Zukunft gerne in einer Situation, in der ich die Arbeit aufgeben und mich auf Darts konzentrieren kann", erzählte Menzies am Abend. Ein Sieg über den Weltranglisten-11. und aus dem Traum könnte schon bald Realität werden. Immerhin ist die Vorbereitung auf seine heutige WM-Partie entspannter. "An Wochenenden muss ich zum Glück nicht arbeiten."
Quelle: ntv.de