Warriors reparieren sich Feige Prügel-Attacke macht den Meister nicht kaputt
19.10.2022, 13:43 Uhr
Poole (links) wurde von Green im Training angegriffen.
(Foto: IMAGO/USA TODAY Network)
Die NBA startet, Golden State schlägt die LA Lakers locker, doch alles spricht über einen feigen Faustschlag: Der Prügel-Angriff von Warriors-Veteran Draymond Green auf einen Mitspieler verändert nicht nur die Saison des Meisters. Obwohl zum Auftakt alle so tun, als wäre nichts passiert.
Der Paukenschlag der NBA fand dieses Jahr schon vor dem ersten Spieltag statt. In den vergangenen Wochen gab es kein anderes Thema rund um die beste Basketball-Liga der Welt und auch am ersten Spieltag waren die Augen der Fans und Experten vor allem auf zwei Spieler der Golden State Warriors gerichtet: ausnahmsweise nicht Superstar Stephen Curry, sondern Draymond Green und Jordan Poole. Vor knapp zwei Wochen hatte der ältere und größere Green den 23-jährigen Poole im Training mit einem Faustschlag zu Boden geschickt. Ein Aufschrei durchfuhr die gesamte NBA - und dennoch standen nun beide im ersten Saisonspiel auf dem Parkett.
Nach der Übergabe der Championship-Ringe an den Meister Golden State vermöbelten - diesmal glücklicherweise nur in sportlicher Hinsicht - die Warriors zum Auftakt die Los Angeles Lakers um Megastar LeBron James, während Nationalspieler Dennis Schröder mit einer Daumenverletzung ausfiel. Beim 123:109 zeigte James mit 31 Punkten, 14 Rebounds und 8 Assists zwar eine starke Leistung, aber insgesamt wurde deutlich, dass das Team aus der Stadt der Engel dieses Jahr wohl nur eine Außenseiterrolle spielen wird. Anders die Warriors, die Topscorer Stephen Curry (33 Punkte) zum deutlichen Sieg führte.
Doch das Ergebnis war nur eine Nebenbemerkung an diesem Dienstagabend in Kalifornien. Golden State wurde nach der Meisterschaft im vergangenen Jahr im Sommer als einer der Top-Favoriten auf den diesjährigen Titelgewinn gehandelt. Doch alles änderte sich, als Green (knapp zwei Meter groß), der mit den Warriors vier NBA-Titel gewann, den Point und Shooting Guard Poole (gut 190 Zentimeter) mit voller Kraft feige ins Gesicht prügelte. Als der 32-Jährige den eigenen, schwächeren Mitspieler zu Boden schlug. Als er mit einer Aktion den Weg einer gesamten Mannschaft in Frage stellte.
"Video hat mein Herz gebrochen"
Anfang Oktober machte zunächst die Nachricht die Runde, dass Green Poole bei einer Auseinandersetzung geschlagen habe. NBA-Experten taten die Information als übliches Gerangel unter Teamkollegen ab. Doch dann veröffentlichte die Boulevard-Website TMZ ein geleaktes Handy-Video, das die schiere Brutalität und Feigheit des Faustschlages zeigte. Green und Poole lieferten sich zunächst ein Wortgefecht, standen dabei mehrere Meter auseinander. Welche Worte oder Beleidigungen fielen, war unklar, denn das Video wurde ohne Audio veröffentlicht. Dann schlenderte Green seelenruhig auf seinen Mannschaftskameraden zu. Parkte sein Gesicht Zentimeter vor dem seines Gegenübers. Poole schubste ihn daraufhin leicht weg, ging aber nicht in Abwehrhaltung, weil er wohl keinen wirklichen Angriff des Kollegen erwartete. Doch Green feuerte aus dem Nichts eine knallarte rechte Gerade ab, die den Aufbauspieler zu Boden streckte, und fiel auf ihn nieder.
Green, so schien es, schwang seine Faust mit der vollen Absicht, seinen eigenen Mannschaftskameraden zu verletzen. Das Video ging viral. Die Verurteilung erfolgte sofort. Es gab Forderungen, Green zu suspendieren, wenn nicht von Seiten der Warriors, dann von der NBA. Ex-Profi Jalen Rose, mittlerweile ESPN-Experte, sagte: "Das Video hat mein Herz gebrochen." Die Beziehung der beiden Spieler sei nun "beschmutzt" und würde "nie wieder dieselbe werden".
Es wurde auch gefordert, dass Green getradet werden solle. Denn es war nicht das erste Mal, dass der Forward, der berüchtigt ist für seine provokanten und teils hässlichen Eskapaden, im Mittelpunkt einer Kontroverse stand. Der Defensivspieler des Jahres 2017 landete seit 2015 in jeder Saison in den Top fünf der technischen Fouls und führte die Liga in dieser Kategorie sowohl 2016 als auch 2019 an. 2016 trat er Gegenspieler Steven Adams in die Weichteile und im Finale der gleichen Spielzeit wurde er nach einem Foul an LeBron James (damals Cleveland Cavaliers) für das entscheidende Spiel 5 gesperrt und Golden State verlor die Serie trotz einer Führung von 3:1 Spielen. In der Saison 2018/19 lieferte Green sich ein solch heftiges Wortgefecht mit seinem damaligen Mitspieler Kevin Durant, dass er zu einem der Gründe wurde, warum der Superstar die Warriors am Ende der Spielzeit verließ.
Kultur durch Faustschlag beschädigt
Green war bei Golden State lange eines der wichtigsten Puzzleteile und hatte als Defensivspezialist, hervorragender Passgeber und emotionaler Katalysator einen entscheidenden Anteil an den vier Meisterschaften. Aber oft schadete Green, dessen Fähigkeiten immer mehr nachließen, seinem Team mit seinen Emotionen mehr als ihm zu helfen. Mit der Prügel-Attacke überschritt er nun eine Grenze. Sie war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. So dachte man zumindest. Doch Green wurde nicht suspendiert, bekam nur eine Geldstrafe aufgebrummt. Er entschuldigte sich öffentlich und besiegte anschließend zusammen mit Poole die Lakers. Als wäre nichts geschehen.
Und dennoch wird die Dynamik beim Meister wohl einen Knacks abbekommen haben. Als Teamältester hat Green den selbstbewussten Jungstar Poole als eine Art Mentor betreut. Er hat ihm den Weg der Warriors gezeigt. Doch der Prügel-Angriff war ein Verrat. An seinem Mitspieler und am Team. Kann man so noch Meister werden? Golden State gibt sich stets mit viel Stolz als die Vorzeigemannschaft der NBA in Sachen Harmonie, Team-Chemie und Einheit. Trainer Steve Kerr sagte vor dem Saisonstart zu Reportern, dass die Kultur der Warriors "durch diesen Vorfall beschädigt wurde. Wir müssen daran arbeiten, das zu reparieren."
Wie lange Green noch mitreparieren darf, scheint unklar. Trotz des gemeinsamen Auftritts, trotz des beeindruckenden Siegs über die Lakers: Während sich der Vorhang für eine neue NBA-Saison hebt, könnte der Vorhang für Greens Karriere bei Golden State nach zehn Jahren fallen. "Die Tage für Green bei den Warrios sind gezählt", urteilt Ex-Profi Rose. Besonders, weil die Mannschaft auf die Jugend setzt und jüngst nicht nur Poole, sondern auch Andrew Wiggins (27 Jahre alt) für jeweils vier weitere Jahre unter Vertrag nahm. Da passt es, dass Green gegen die Lakers in 25 Minuten nur vier Punkte, jeweils fünf Rebounds und Assists, keinen Block und keinen Steal sammelte, Poole aber auf zwölf Punkte und sieben Assists kam.
Frust und Neid?
Green, der der Meinung ist, er verdiene einen Maximalvertrag, wird in dieser Saison 25,8 Millionen US-Dollar verdienen und hat eine Spieleroption für 27,5 Millionen in der Saison 2023/24. Die Warriors könnten Green vor der Trade-Deadline im Februar abgeben, um zu vermeiden, dass er sich für die nächste Saison verpflichtet. Das weiß der Forward natürlich. Auch Frust, Neid und das Gefühl, ersetzt und ausgemustert zu werden, dürften in seinen Faustschlag mit hineingespielt haben, auch wenn nichts diese Attacke rechtfertigen kann.
Die Warriors um Superstar Curry zeigen anders als die Lakers um James und Schröder direkt zum Liga-Auftakt, das trotz der Schlägerei mit ihnen zu rechnen ist. Der erneute Titel scheint mit dieser Mannschaft weiterhin möglich. Nur ist fraglich, wie lange Draymond Green dafür mitkämpfen darf - oder ob er sich tatsächlich seinen Weg aus Golden State geprügelt hat.
Quelle: ntv.de