Sport

Interview zum Frauenfußball "Frauen spielen anders"

Bei der WM in China wollen die deutschen Fußball-Frauen zum zweiten Mal Weltmeister werden. Im n-tv.de-Interview spricht Hannelore Ratzeburg, die als einzige Frau im DFB-Vorstand sitzt, über die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball und die Nachwuchssorgen des DFB.

n-tv.de: Gegen Argentinien haben die Deutschen elf Tore geschossen. Es scheint, im Frauenfußball große Leistungsunterschiede zwischen den Nationen zu geben. Woher kommen die?


Ratzeburg: Das weiß ich leider nicht. Ich bin auch ein wenig enttäuscht gewesen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das Spiel so hoch ausgeht. Das hat mich schon erschüttert, dass diese Diskrepanz so groß war. Vor allem war das für die Argentinierinnen ja auch demoralisierend. Man müsste sich das mal anders herum vorstellen. An sich haben die ersten WM-Spiele aber gezeigt, dass die Unterschiede gar nicht mehr so groß sind. Es gab immerhin einige Unentschieden.


Wie sieht es denn mit dem DFB-Nachwuchs aus? Spürt man auch im Frauenfußball die Nachwirkungen des WM-Booms von 2006?


Wir haben im Mädchenbereich einen ganz eindeutigen Boom. Das aber schon seit 2003, als die Frauen Weltmeister geworden sind. Von 2004 bis 2007 haben wir eine Steigerung der Mädchenmannschaften um 85 Prozent und der Frauenmannschaften um 23 Prozent. Natürlich hat die tolle WM im letzten Jahr nicht nur bei den Jungs, sondern auch bei den Mädchen viele noch mal dazu bewegt, in den Verein zu gehen.


Also müssen Sie sich um die Zukunft des deutschen Frauen-Fußballs keine Sorgen machen?


Doch. Wir machen uns vor allem wegen der demographischen Entwicklung Sorgen. Denn es gibt auch Vereine, die ihre Jugendmannschaften einfach nicht mehr zusammenbekommen. Allerdings haben wir bei den Mädchen bis jetzt noch nicht unser Potential ausgeschöpft. Es möchten mehr Mädchen Fußball spielen, als die Vereine aufnehmen können.

Grund sind fehlende Trainer?


Ja, das wird immer gesagt. Es fehlt vielleicht auch immer ein bisschen das Bewusstsein dafür, dass man auch die Mädchen fördern sollte. Ich glaube, dass viele Vereine noch nicht verstanden haben, dass auch Mädchen-Mannschaften notwendig sind, um den sozialen Auftrag, den so ein Verein hat, auch erfüllen zu können.

Auch wenn sie die Frage wahrscheinlich schon nicht mehr hören können Was unterscheidet den Frauen- vom Männer-Fußball?

Ja, das habe ich schon oft gehört in 35 Jahren. Frauen spielen anders als Männer. Es wird nicht mit einem so hohen Körpereinsatz gespielt und damit auch nicht so riskant. Es gibt weniger Verletzungen. Außerdem wird nicht so viel reklamiert. Natürlich gehen die Frauen auch mal zu Boden, aber wenn nichts ist, dann stehen sie auch wieder auf und machen nicht so ein Theater.

Wie erklären Sie sich das geringe Interesse an der Frauen-Bundesliga?

Das Problem ist vor allem die mangelnde Medien-Präsenz der Bundesliga. Die Gesichter der Bundesliga sind einfach nicht so präsent. Der Sport lebt aber auch von den Gesichtern und wenn diese nicht gezeigt werden, dann kann man ihn nicht populär machen.

Gibt es da beim DFB-Pläne, wie man die Liga besser vermarkten könnte?

Wir unterstützen die Vereine der Frauen-Bundesliga und der 2. Frauen-Bundesliga seit einigen Jahren mit Workshops, um die Situation der Vereine zu stärken und zu verbessern. Aber das geht alles nicht so schnell, weil da viele Ehrenamtliche tätig sind, die erst nach Dienstschluss Zeit für den Verein haben. Und für hauptamtliche Mitarbeiter reicht das Geld nicht. Wir haben jetzt allerdings den Vereinen auf Kosten des DFB Mitarbeiter aus dem WM-Organisationskomitee zur Verfügung gestellt, damit sich dort die Strukturen verbessern. Wir tun schon einiges, aber wir brauchen auch Geduld.

Glauben Sie, dass eine rentable Profi-Frauen-Liga in Deutschland entstehen kann, so dass die Spielerinnen von ihrem Sport leben können?

Als ich Anfang der 70er angefangen habe Fußball zu spielen, habe ich auch nicht gedacht, dass wir uns irgendwann mal ein WM-Spiel der Frauen im Fernsehen anschauen können. Ich denke, es ist noch einiges an Entwicklung möglich.

Der italienische Erstligist AC Perugia wollte vor einigen Jahren die deutsche Nationalspielerin Birgit Prinz und die Dänin Hanna Ljungberg für die erste Herren-Mannschaft verpflichten. Was halten Sie von solchen Überlegungen?

Gar nichts.

In anderen Sportarten, wie zum Beispiel beim Tennis oder Volleyball, scheint auch die Kleidungsfrage eine wichtige Rolle zu spielen. Wäre es eine Möglichkeit Fußballerinnen in weiblicheren Outfits antreten zu lassen?

Die Frauen tragen schon seit 1996 spezielle, weiblich geschnittene Trikots. Auch die aktuellen Trikots wurden extra für die Frauen-Nationalmannschaft entworfen. Die Frage ist auch, ob es wirklich darauf ankommt, welche Trikots die Frauen anhaben. Die Spielerinnen wollen sich gut bewegen können und vor allem wohlfühlen. So ein Outfit wie beim Beach-Volleyball gehört an den Strand. Da passt das auch hin, aber nicht auf den Fußballplatz.

Generell drängen ja immer mehr Frauen in den Fußball. Als Schiedsrichterin, begeisterter Fan oder wie in ihrem Fall als DFB-Vorstandsmitglied. Geht diese Entwicklung weiter?

Na ja, es ist nicht so, dass sie alle vor der Tür Schlange stehen. Aber die Mädchen und Frauen, die heute Fußball spielen sind sehr viel selbstbewusster. Und ich glaube, dass viele von denen nach ihrer Karriere sich auch für den Frauenfußball engagieren werden. Trainerinnen haben wir jetzt schon viele, aber auch für die anderen Bereiche werden wir motivierte Frauen finden.

Wie sehen Sie die Chancen, dass die nächste Frauen-WM in Deutschland statt findet?

Eigentlich nicht schlecht. Wir haben eine sehr gute Bewerbung abgegeben, wir sind gut vorbereitet und wir haben große Unterstützung. Das hat auch eine Untersuchung von "Sport und Markt" ergeben. Die sagt, dass 92 Prozent der Deutschen es begrüßen würden, wenn die nächste Frauenfußball-WM in Deutschland stattfindet. Es haben sich auch weit mehr Städte bei uns beworben, als wir brauchen. Und wir sind jetzt der einzige Bewerber aus Europa, nachdem sich die Schweiz und Frankreich zurückgezogen haben. Nun warten wir alle gespannt auf den 30. Oktober 2007, wenn die Entscheidung fällt.

Was trauen Sie der deutschen Mannschaft bei der aktuellen WM noch zu?

Alles.

Mit Hannelore Ratzeburg sprach Malte Buhse

Quelle: ntv.de

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