Fünf Antworten zur Frauen-WM Grillparty statt Fanmeile
16.06.2011, 11:02 UhrIn zwei Wochen fällt der Startschuss zur Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen. Es bleiben noch einige Fragen zu klären. Wie gut Deutschland wirklich ist, wer der neue Star wird und was das Turnier dem Frauenfußball im Allgemeinen bringt, lesen Sie hier.
Wie gut ist Deutschland?
Zweifelsohne gehören die deutschen Fußballerinnen bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land zu den heißen Titelanwärterinnen. Für das Team von Silvia Neid spricht vor allem die Erfahrung: Etliche Spielerinnen sind Welt- und Europameisterinnen. Birgit Prinz oder Inka Grings gehören zu einer Generation von Spielerinnen, die ihre ersten Länderspiele bestritten, als viele ihrer Teamkameradinnen gerade mal eingeschult wurden - wenn überhaupt.
Doch dieser vermeintliche Trumpf könnte sich gleichzeitig als Manko entpuppen: Obwohl Bundestrainerin Neid auf eine ausgewogene Mischung zwischen jungen und erfahrenen Kräften setzt, haben einige Routiniers ihren Zenit inzwischen überschritten. Ob sie noch in der Lage sind, zum dritten Mal den Titel zu holen, ist fraglich. WM-Rekordtorschützin Prinz (33) laboriert an einer Bänderdehnung, die 32-jährige Inka Grings musste zuletzt Fatmire Bajramaj weichen. Ob junge Spielerinnen wie die 22-jährige Stürmerin Okinyo da Mbabi oder Mittelfeldspielerin Kim Kulig, gerade mal 21 Jahre alt, die Mannschaft bei ihrem ersten großen Turnier bis ins Finale führen können, ist zu bezweifeln.
Wer wird der neue Star des Turniers?
In der Vorbereitung förmlich aufgedrängt hat sich eine weitere Nachwuchshoffnung: Stürmerin Alexandra Popp. Im Test gegen Italien kam die 20-Jährige zur zweiten Halbzeit für die glücklose Birgit Prinz in die Partie und setzte mit zwei Treffern in ihrem erst zweiten Länderspiel ein dickes Ausrufezeichen. Schon bei der U-20-WM im vergangenen Sommer macht die Duisburgerin auf sich aufmerksam, trifft in jeder Partie und holt mit zehn Toren den Goldenen Schuh sowie den Goldenen Ball als beste Spielerin. Bei aller Euphorie bleibt Popp bescheiden: "Ich habe da noch keine Ansprüche und bin froh, überhaupt bei der WM dabei zu sein", sagte sie nach ihrer Glanzvorstellung gegen die Italienerinnen.
Zur ernsthaften Konkurrenz im Kampf um den Titel des WM-Shootingstars könnte Namensvetterin Alexandra Morgan aus den USA werden. Bereits bei der U-20-WM duellierten sich die beiden um den Goldenen Ball, die 21-jährige Kalifornierin zog noch den Kürzeren und musste sich mit dem zweiten Platz und der silbernen Kugel begnügen.
Wie stark ist die Konkurrenz?
Der Kreis der Favoriten auf den Weltmeistertitel beschränkt sich auf drei Teams: Deutschland, Brasilien und die USA. Die Brasilianerinnen haben mit der fünfmaligen Weltfußballerin Marta die beste Einzelspielerin in ihren Reihen, die durchaus in der Lage ist, ein Spiel im Alleingang zu entscheiden. Gegen einen Triumph der Virtuosinnen vom Zuckerhut sprechen eklatante Abwehrschwächen und das Final-Trauma: Zuletzt verloren die Brasilianerinnen bei den Olympischen Spielen 2004 und 2008 sowie bei der Weltmeisterschaft 2007 drei große Endspiele.
Die US-Amerikaner gelten als Pioniere des Frauenfußballs und fördern die Sportart ihrer Soccer-Girls deshalb mit einer Konsequenz, wie sie in kaum einem anderen Teilnehmerland vorherrscht. Obwohl mit Mittelfeldspielerin Lindsay Tarpley eine der wichtigsten Stützen wegen eines Kreuzbandrisses ausfällt, gelten die US-Damen als ganz heiße Anwärterinnen auf den WM-Pokal. Wenn das Turnier wie erwartet verläuft, treffen die US-Amerikanerinnen im Halbfinale auf die DFB-Damen – beim bisher letzten Duell gingen Angerer, Prinz und Co. mit 0:4 unter …
Nicht zu unterschätzen sind auch die traditionell starken Teams aus Norwegen und Schweden. Den Skandinaverinnen werden aber bestenfalls Außenseiterchancen eingeräumt.
Werden die Stadien voll?
Laut Angaben des DFB genügt eine Auslastung der Stadien von 80 Prozent, um keine roten Zahlen bei der Weltmeisterschaft zu schreiben. Aber auch stimmungsmäßig wäre es wünschenswert, wenn möglichst viele Zuschauer die Stadien von Berlin, Frankfurt, Mönchengladbach, Sinsheim, Wolfsburg, Augsburg, Bochum, Dresden und Leverkusen kämen. Bislang sind 630.000 der 900.000 Tickets verkauft, Tatjana Haenni, die Frauenfußball-Chefin der FIFA, erwartet einen noch größeren Andrang: "Fast 800.000 Menschen werden die Spiele in den Stadien verfolgen", prognostiziert die Schweizerin.
  Überfüllte Fanmeilen wie 2006 wird es in diesem Jahr wohl nicht geben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Unwahrscheinlich ist, dass die Weltmeisterschaft der Frauen eine ähnliche Euphorie wie das Turnier 2006 auslösen wird. Zum einen wird in diesem Jahr nur mit 16 Teams gespielt, außerdem werden voraussichtlich viel weniger Fans aus dem Ausland anreisen. Betrachtet man die finanziellen Dimensionen, so wird der Unterschied auf einen Schlag deutlich: Der Etat für die Weltmeisterschaft 2006 war mit 530 Millionen Euro rund zehnmal so hoch wie bei der Frauen-WM in diesem Sommer. Auch DFB-Präsident Theo Zwanziger macht deutlich, dass sich auf der Berliner Fanmeile wohl kaum eine Million Menschen zusammenfinden werden: "Aber eine schöne Grillparty mit den Nachbarn im Garten und gut gefüllte Plätze beim Public Viewing halte ich durchaus für möglich."
Kann die WM einen Boom bewirken?
"Die WM kann einen Anschub leisten", glaubt Theo Zwanziger. Nicht mehr und nicht weniger. Fakt ist, dass der Frauenfußball in den Medien seit Jahren unterrepräsentiert ist. Die TV-Präsenz der Damen bewegt sich in Deutschland auf einem Niveau mit der dritten, vielmehr der vierten Liga. Der Sport ist nur in wenigen Ländern so professionalisiert wie in Deutschland und selbst hierzulande finden sich unter den Bundesligaspielerinnen noch Halbprofis und Amateure.
  Selbst in Deutschland steckt der Frauenfußball mancherorts noch in der Entwicklungsphase.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die kickenden Frauen werden sich damit abfinden müssen, dass König Fußball eine Männerdomäne bleibt – daran hat sich selbst in Deutschland trotz zahlreicher Titel nichts geändert. Allerdings geben rund 18 Millionen Deutsche an, sich für Frauenfußball zu interessieren – eine Zahl, die vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Darauf kann man sicher aufbauen, sollten sich die Damen gemäß dem Turnier-Slogan von ihrer schönsten Seite zeigen und die Zuschauer mit gutem Fußball und spannenden Duellen mitreißen können.
Quelle: ntv.de