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Ärger um Paralympics mit Russen "Für diese Entscheidung schäme ich mich zutiefst"

Beucher ist entsetzt von der Entscheidung.

Beucher ist entsetzt von der Entscheidung.

(Foto: imago images/Ralf Kuckuck)

Am Freitag starten die Winter-Paralympics in Peking - mit russischer und belarussischer Beteiligung. Die Athletinnen und Athleten werden nicht ausgeschlossen, entscheidet das Internationale Paralympische Komitee. Dies sorgt für Frust und Entsetzen.

Russische und belarussische Athleten dürfen bei den Winter-Paralympics in Peking antreten. So lautet die Entscheidung des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC). Sportlerinnen und Sportler dürfen nur als neutrale Athleten an den Start gehen, weder Flaggen noch Hymnen dürfen sichtbar sein. Beide Nationen tauchen nicht im Medaillenspiegel auf, wenn es von Freitag bis zum 13. März um Edelmetall geht.

IPC-Präsident Andrew Parsons begründet dies wie folgt: "Das IPC und die Paralympische Bewegung sind sehr besorgt über die grobe Verletzung des olympischen Waffenstillstands durch die russische und die belarussische Regierung. Das IPC Governing Board ist sich einig in seiner Verurteilung dieser Aktionen. Bei der Entscheidung, welche Maßnahmen der IPC ergreifen sollte, war es von grundlegender Bedeutung, dass wir im Rahmen unserer neuen Verfassung arbeiteten, um politisch neutral und im Einklang mit dem IPC-Handbuch, den Regeln und Vorschriften zu bleiben. Eine solche Neutralität ist fest verankert in der aufrichtigen Überzeugung, dass der Sport die transformative Kraft besitzt, um das Beste unserer Menschlichkeit aus uns herauszuholen, insbesondere in den dunkelsten Momenten."

Die Entscheidung sowie die Begründung sorgen für massive Kritik aus Deutschland und der Welt:

Friedhelm-Julius Beucher (Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes): "Das ist enttäuschend und mutlos. Angesichts der täglichen Kriegsgräuel in der Ukraine hätten wir einen solchen Beschluss nicht für möglich gehalten. Es hätte eine konsequente Entscheidung gebraucht, jetzt und nicht im Anschluss an die Paralympics. Dieser Beschluss sendet ein völlig falsches Signal. In der Ukraine tobt eine russische Invasion und das IPC beruft sich auf Regeln und Paragrafen, dafür haben wir keinerlei Verständnis. Im Falle eines Krieges ein Regelwerk heranzuziehen, dass nicht die Einhaltung des olympischen und paralympischen Friedens berücksichtigt, können wir nicht nachvollziehen und ist in unseren Augen falsch. In einer solchen Situation braucht es moralische und politische Entscheidungen, keine juristischen. Ich kann und will mir noch immer nicht vorstellen, dass russische und ukrainische Athlet*innen am Freitag bei der Eröffnungsfeier ins Stadion einziehen und sich ab Samstag in sportlichen Wettkämpfen messen. Wir respektieren eine demokratisch getroffene Entscheidung, können diese aber nicht akzeptieren."

Karl Quade (Chef de Mission und DBS-Vize): "Ich bin sehr, sehr enttäuscht. Am schlimmsten war für mich, als Parsons die Entscheidung bekannt gab, brach nebenan im Russen-Haus der Jubel aus. Das war unglaublich. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das IPC eine völlig andere Entscheidung trifft als der absolute Großteil der Sportwelt. Seit der Gründung des IPC 1989 bin ich Mitglied der paralympischen Bewegung, doch für diese Entscheidung schäme ich mich zutiefst. Viele nationale Komitees haben totales Unverständnis für diese Entscheidung gezeigt, auch wir."

Thomas Weikert (Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes): "Wir halten die Entscheidung des Internationalen Paralympischen Komitees gemeinsam mit dem Deutschen Behindertensportverband für falsch. Angesichts des Krieges, den Russland mit der Unterstützung Weißrusslands gegen die Ukraine und ihre Bevölkerung führt, greift der Sport weltweit zu harten Sanktionsmaßnahmen. Wir stehen weiterhin zu unserer Forderung, russische und belarussische Athletinnen und Athleten sowie russische und belarussische Funktionärinnen und Funktionäre bis auf Weiteres vom internationalen Sport auszuschließen. Eine auf Umbenennung in vermeintlich 'Neutrale' basierende Teilnahme unterläuft Absicht und Ziel der Sanktionen, dem eklatanten Bruch des Völkerrechts mit weltweit sichtbaren Zeichen zu begegnen."

Mareike Miller (DBS-Athletensprecherin): "Ich bin nicht überrascht, aber die Worte unseres Verbandes treffen es auf den Punkt. Es ist beschämend, dass das alles sein soll. Die ukrainischen Athleten, die in Peking gegen Russen und Belarussen antreten sollen, können einem nur Leid tun."

Sabine Poschmann (Sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion): "Die Entscheidung des IPC ist völlig unverständlich und sendet ein fatales Zeichen. Einzig der komplette Ausschluss der russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten wäre eine angemessene Reaktion auf den durch Belarus unterstützten russischen Angriffskrieg gewesen. Das IPC verpasst es, eine klare Haltung zu zeigen und schadet mit dieser halbgaren Entscheidung dem Sport".

Britischer Paralympischer Verband: "Wir sind enttäuscht über die heutige Entscheidung des Internationalen Paralympischen Komitees. Wie viele andere teilnehmende paralympische Nationen haben wir bereits erklärt, dass wir angesichts des Ausmaßes der humanitären Krise in der Ukraine nicht erkennen können, wie die Teilnahme von Russland oder Weißrussland an den Paralympischen Winterspielen 2022 in Peking mit den Zielen der paralympischen Bewegung vereinbar ist. Wir werden uns weiter beraten und über die Auswirkungen für ParalympicsGB nachdenken, bevor wir uns weiter äußern."

Es gibt aber auch Verständnis für die Entscheidung:

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Philipp Hartewig (Obmann der FDP im Sportausschuss): "Ich habe Verständnis für diese Entscheidung. Wir sollten die Entscheidung als Chance sehen, dass die russischen Paralympics-Teilnehmer gemeinsam mit der paralympischen Bewegung als Friedensbotschafter ein nachhaltiges Signal in die Welt senden."

Jitske Visser (Vorsitzende des IPC Athleten Council): "Es ist enttäuschend für die Athleten und alle Beteiligten der Spiele, dass 48 Stunden vor der Eröffnungszeremonie nicht über Sport, sondern über globale Politik gesprochen wird. Es ist absolut klar, dass Sportler auf der ganzen Welt unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema haben, und es ist wichtig, dass diese alle anerkannt und berücksichtigt werden. In meiner Funktion als Vorsitzende des Athletenrats des IPC war es meine Verantwortung, alle Ansichten der Athletengemeinschaft zu dieser Situation zusammenzufassen und sie dem IPC-Vorstand vorzulegen. Ich hoffe, dass jetzt, nachdem eine Entscheidung getroffen wurde, der Fokus wieder auf den Sport gelenkt werden kann."

Quelle: ntv.de, ara/sid

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