Alle im Training, kein Rüffel für Lahm Löw noch beim Feinschliff
06.07.2010, 21:39 UhrVor dem WM-Halbfinale gegen Europameister Spanien verzichtet Bundestrainer Joachim Löw darauf, dem in forschen Interviews seines Ersatz-Kapitäns Philipp Lahm angegriffenen Michael Ballack den Rücken zu stärken. Lieber freut sich Löw, dass alle DFB-Kicker fit für Spanien sind.
Bundestrainer Joachim Löw hat in Durban mit dem kompletten Kader das Abschlusstraining für das WM-Halbfinale gegen Spanien bestreiten können. Bei der Übungseinheit auf dem Platz der Northlands Primary School waren nach einer Trainingspause am Vortag auch die angeschlagenen Sami Khedira (Muskelverhärtung) und Arne Friedrich (Oberschenkelprellung) wieder mit dabei.
Allerdings durften die Reporter nur das Aufwärmen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft beobachten. Die restliche Trainingseinheit fand wie üblich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. "Das Wichtigste ist, dass der Trainer auf alle Spieler zurückgreifen kann", hatte Teammanager Oliver Bierhoff bereits am Morgen mitgeteilt.
Löw wollte beim Abschlusstraining auch letzte Erkenntnisse für seine wichtigste Personalentscheidung gewinnen. Auf dem rechten Flügel muss er den nach zwei Gelben Karten gegen Spanien gesperrten Thomas Müller ersetzen. Für den vierfachen Torschützen werden Piotr Trochowski sowie Toni Kroos und Angreifer Cacau als Alternativen gehandelt. Ansonsten wird mit der zuletzt gegen England und Argentinien glänzenden Formation gerechnet.
Kapitänsfrage bleibt Trainersache

Die Machtspielchen von Philipp Lahm lässt Löw dem Kapitän durchgehen. Ist Ballacks Zeit also abgelaufen?
(Foto: dpa)
Vor dem letzten Training hatte Löw auf einen öffentlichen Rüffel gegen Philipp Lahm verzichtet und eine Entscheidung über das Kapitänsamt in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft vertagt. "Das berührt uns hier überhaupt nicht", sagte Löw in der Pressekonferenz am Abend vor dem WM-Halbfinale zu Lahms provokanten Aussagen. "Natürlich macht es ihm Spaß, Verantwortung zu übernehmen, und natürlich würde er sie gerne auch weiter übernehmen. Jeder kann hier seine Meinung sagen, und das ist die Meinung von Philipp", sagte Löw. Dass Lahms Meinung nicht auch seine ist, sagte Löw nicht. Er stellte nur klar, was selbstverständlich ist: "Natürlich weiß Philipp, dass der Trainer diese Entscheidung übernehmen wird, und das wird nach der WM geschehen."
Löw erklärte, dass Ballack im Falle eines Sieges gegen Spanien noch einmal zur Mannschaft zurückkehren werde. Ballack habe sich vom Nationalmannschaftsarzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt behandeln lassen. "Die Diagnose war so positiv, dass der Doktor gesagt hat, er sollte jetzt wieder trainieren. Unsere Physios sind voll eingespannt mit den anderen Spielern, sodass er zu Hause besser trainieren kann. Wenn wir erfolgreich sind im Halbfinale, wird er am Wochenende wieder zur Mannschaft kommen."
Kahn kritisiert Lahm
Lahm hatte in diversen Interviews klar gemacht, dass er die Kapitänsbinde auch nach dem Turnier in Südafrika tragen wolle. Aufgrund der Verletzung von Stamm-Spielführer Ballack, der am Montagnachmittag nach seiner Stippvisite in Südafrika wieder die Heimreise angetreten hatte, war Lahm von Bundestrainer Joachim Löw mit dem Kapitänsamt betraut worden.
Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff hatte Lahms Aussagen im Gegensatz zu Löw kritisiert. "Es ist schade, dass so etwas zusammenkommt und zu Missinterpretationen führen kann. Jede Diskussion ist unnötig", sagte Bierhoff mit Blick auf das Halbfinale. Der DFB-Manager weiß aber auch, dass alle wissen: Von Missinterpretationen kann bei Lahm, der jedes Interview genau überlegt, keine Rede sein.
Deshalb sieht auch Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn die Aussagen von Lahm über den verletzten Ballack kritisch. "Ich halte die Äußerung von Philipp für mehr als fragwürdig", sagte der ZDF-Experte: "Das hat Lahm doch gar nicht nötig, das entspricht auch nicht den Werten, die er für sich selbst reklamiert. Damit hätte man gut bis nach der WM warten können."
Quelle: ntv.de, dpa/sid