Sport

BMI: 804-seitige Studie nur "Zwischenprodukt" Genscher bestreitet Doping-Mitwisserschaft

Der damalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (l.) als Zuschauer bei den Olympischen Spielen 1972 in München.

Der damalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher (l.) als Zuschauer bei den Olympischen Spielen 1972 in München.

(Foto: imago sportfotodienst)

Hat Hans-Dietrich Genscher in den 1970er Jahren Druck auf den Sport ausgeübt und Doping in Kauf genommen? Nein, sagt der 86-Jährige. Ja, heißt es einer unveröffentlichte Langfassung der BRD-Dopingstudie. Der spricht das BMI jedoch wissenschaftliche Validität ab.

Der frühere FDP-Spitzenpolitiker Hans-Dietrich Genscher weist Vorwürfe zurück, in den 1970er Jahren als Bundesinnenminister zu westdeutscher Dopingforschung aufgefordert zu haben. Weder habe er von Forschungsprojekten gewusst, noch sie gefordert oder gar gefördert, teilte er "Spiegel Online" auf Anfrage mit. Zuvor hatte die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf eine nicht-öffentliche Langfassung der Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute (...)" berichtet, dass Genscher von mehreren Zeitzeugen belastet wird.

Vor den Olympischen Spielen 1972 in München wird ihm dabei folgender Satz zugeschrieben: "Unsere Athleten sollen die gleichen Voraussetzungen und Bedingungen haben wie die Ostblockathleten." Weiter heißt es, Genscher habe in München "Medaillen gefordert - koste es, was es wolle". Zu einem Arzt soll der FDP-Politiker gesagt haben: "Von Ihnen als  Sportmediziner will ich nur eins: Medaillen." Auf den Einwand hin, die Zeit bis Olympia sei knapp ("Ein Jahr vorher?"), soll Genschers Antwort gewesen sein: "Das ist mir egal."

Zudem soll Genscher 1970 erklärt haben, man sollte vor allem Goldmedaillen für die bevorstehenden Spiele in München im Auge haben und alle Anstrengungen darauf konzentrieren. In den vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) am Montag veröffentlichten Fassungen der Dopingstudie sind diese Passagen nicht enthalten. Unklar bleibt zudem, wie verlässlich die gut 40 Jahre später erfolgten Einordnungen und Erinnerungen sind.

Kürzung der Studie wissenschaftlich geboten

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums rechtfertigte die Straffung auf eine 117-seitigen inhaltlichen (zum pdf-Download) und einen 84-seitigen administrativen Schlussbericht (zum pdf-Download) gegenüber n-tv.de mit "massiven wissenschaftsmethodischen und datenschutzrechtlichen Bedenken". Die der SZ vorliegende Langfassung sei lediglich ein "stark überarbeitungsbedürftiges Zwischenprodukt", das vom BISp als Auftraggeber der Studie und dem wissenschaftlichen Projektbeirat zurückgewiesen wurde. Die HU Berlin habe die Version "fälschlicherweise als 'Abschlussbericht' tituliert".

Im Statement des wissenschaftlichen Beirats vom Mai 2012, das n-tv.de vorliegt, wird den Berliner Forschern unter anderem unwissenschaftliches Arbeiten vorgeworfen. So heißt es, dass ...

  • ... "die Darstellungen und Bewertungen offensichtlich einem vorgefassten Ergebnis unterworfen wurden und dazu beispielsweise Quellen wie einzelne Dissertationenen überbewertet werden;"
     
  • ... "tendenziöse Adjektivierungen die Wissenschaftlichkeit verdrängen".

Dennoch habe das BMI der Sportausschuss-Vorsitzender Dagmar Freitag (SPD) die Langfassung der Studie "zur persönlichen vertraulichen Unterrichtung zugestellt". Ziel sei die Versachlichung der Diskussion "zur Herstellung einer möglichst vollständigen Transparenz". Der Sportausschuss tritt am 29. August zu einer Sondersitzung zusammen. Für die öffentliche Sitzung hat auch der für den Sport zuständige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) seine Zusage gegeben.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) fordert unterdessen, dass die Langfassung der Studie veröffentlicht wird. Diese Forderung richtet sich aber explizit nur an die Berliner Forscher - nicht an das BMI und das BISp, die ebenfalls in Besitz der Studie sind.

Damit scheint eine Veröffentlichung der Langfassung ausgeschlossen, da die Forscher von ihrem Auftraggeber BISp Rechtsschutz für die Studie fordern. Dazu aber hat das BISp der HU Berlin bereits am 30. Mai 2012 mitgeteilt: "Die von Ihnen gewünschte Rechtsschutzzusage durch das BISp als Projektträger kann nicht gewährt werden, da die urheberrechtliche Verantwortung nur durch die Verfasser der Berichtstexte getragen werden kann."

Quelle: ntv.de, cwo

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