Sport

Balance zwischen Alltag und Glamour Goldenes Duo hat Selfie-Wangenmuskelkater

Vor einigen Wochen die Goldmedaille, jetzt freut sich das Duo über die Deutsche Meisterschaft.

Vor einigen Wochen die Goldmedaille, jetzt freut sich das Duo über die Deutsche Meisterschaft.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Hype um die Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst ist enorm. Der olympische Goldrausch hält an, das wollen sie mittelfristig nutzen - und holen nebenbei den nächsten Titel.

Andreas Scheuerpflug hat schon viel erlebt in seinem Leben, das er auf Sand gebaut hat: Als Beachvolleyballer war der 49-Jährige fünf Mal Deutscher Meister, hat die Olympischen Spiele in Sydney und Athen mitgemacht und an den Stränden dieser Welt tausende Dollar an Preisgeldern ausgebuddelt. Aber solch eine Welle um zwei Athleten eines Genres, die in der modernen Kommerzwelt des mit Milliarden gepimpten Sports-Business ein nur am Rande beachtetes Nischendasein fristet, ist ihm absolut neu: "Unglaublich, was da derzeit passiert", sagt der Schwabe, der sich nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn um die Vermarktung des Strandspektakels kümmert. "Dieser Hype übersteigt selbst das, was nach dem Olympiasieg von Julius Brink und Jonas Reckermann vor vier Jahren abgegangen ist."

Seit mehreren Wochen werden sie gefeiert - und müssen ihre Kräfte nun gut einteilen.

Seit mehreren Wochen werden sie gefeiert - und müssen ihre Kräfte nun gut einteilen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seitdem sie vor Wochen in Rio de Janeiro Gold aus dem Sand der Copacabana gebuddelt haben, sind Laura Ludwig und Kira Walkenhorst allgegenwärtig. Die mediale Präsenz des Duos ist bemerkenswert: Lanz, Kerner, Sportstudio, beim "Sport-Bild-Award" in Hamburg waren Ludwig/Walkenhorst die umjubelten Stars des Abends und im kleinen Schwarzen ein echter Blickfang. Kira Walkenhorst schüttelte ungläubig den Kopf, "wir brauchten auf dem roten Teppich eine Stunde, um dreißig Meter hinter uns zu bringen".

Der Tagesablauf, der bis dato von Beachvolleyball, Krafttraining und nochmal Beachvolleyball geprägt war, sah zuletzt so aus: Morgens Training, danach Fotoshooting in Berlin und Sommerfest der "Bild"-Zeitung mit Treffen von Größen wie Bundeskanzlerin Merkel, Thomas Gottschalk und Peter Maffay. Laura Ludwig findet das, was über sie und ihre Partnerin in den letzten Wochen hereingebrochen ist "einfach nur krass, daran haben wir uns nicht so ganz daran gewöhnt. Es ist immer noch sehr komisch, in der Stadt beim Einkaufen oder einfach so auf der Straße erkannt zu werden." Seit dem Triumph von Rio habe sie so viele Selfies mit sich machen lassen, dass sie zwischendurch an "Wangen-Muskelkater" gelitten habe. Das ist die schöne Seite des frischen Ruhms, der aber nicht nur glänzt, wie Kira Walkenhorst inzwischen weiß: "Die Belastung der PR-Aktionen haben wir unterschätzt", sagt die Blockerin: "Im Blitzlichtgewitter zu stehen ist schön, spannend, aber auch unheimlich kräfteraubend."

Die Goldmedaille dieses Mal nutzen

Bei den Deutschen Meisterschaften am Wochenende in Timmendorfer Strand gelang der Balanceakt zwischen sportlichem Alltag und Glamour vortrefflich. Die Titelverteidiger sicherten sich im Wembley der Beachvolleyballer ihren dritten nationalen Titel und nutzten das Turnier zum dreitägigen Schaulaufen. Allerdings mussten sie sich in einem hochklassigen Finale gegen die Weltranglisten-Dritten Chantal Laboureur und Julia Sude mächtig strecken, um knapp mit 2:0 (22:20, 23:21) zu gewinnen. Mehr als 6000 Zuschauer auf dem sonnenüberfluteten Center Court in Timmendorfer Strand waren hingerissen von einem Spiel, das ein dichteres Niveau brachte als das olympische Finale. "Nach dem extremen Höhepunkt Rio, der enorm viel Kraft gekostet hat, ist es genial, noch einmal so eine Leistung rauszuholen", sagte Laura Ludwig, die an die Grenze ihrer körperlichen und mentalen Belastungsfähigkeit gehen musste, um mit ihrer Partnerin erneut ganz oben anzukommen. 

Der Lauf geht also weiter, nun gilt es, den Rückenwind möglichst für eine ganze Sportart zu nutzen. Trainer Jürgen Wagner, der in London bereits das Duo Julius Brink und Jonas Reckermann auf den Olymp führte, erinnert sich an die Situation vor vier Jahren, "als die Medaille von Jonas und Julius nicht richtig genutzt wurde". Dabei sei "das Potenzial der Sportart riesig." Als Inhaber eines Sportversenders weiß er, was zu tun wäre. "Ich bin Unternehmer, und wenn ich nichts unternehme, passiert nichts." Ein deutlicher Seitenhieb in Richtung Deutscher Volleyball-Verband. Denn bei einer Institution, in der die Sportart lediglich verwaltet und nicht gestaltet wird, ist zu befürchten, dass die Steilvorlage, die zwei strahlende Athletinnen an der Copacabana geliefert haben, erneut leichtfertig vertändelt wird.

Laura Ludwig und Kira Walkenhorst tangiert das nur am Rande, sie haben sich vom ersten Tag an unabhängig vom Verband gemacht und sind gut damit gefahren. "Unsere Vermarktungslage ist gut", sagt Manager Klaus Kärcher, "wir sind nachhaltig aufgestellt. Aber das waren wir auch schon in Rio." Wie es mit dem Duo Ludwig/Walkenhorst und dem Team drumherum weitergeht, wird nach dem World Tour Final entschieden, das in der kommenden Woche in Toronto stattfindet. Nach Lage der Dinge wird es bis Tokio 2020 in dieser Konstellation weitergehen. Denn wer so viel richtig macht, hat keinen Anlass, etwas zu ändern. Doch erst einmal beschäftigt Laura Ludwig etwas anderes: Für eine Unternehmerin, deren Arbeitsplatz die Strände dieser Welt sind, mag sich das merkwürdig anhören, doch die Abwehrspezialistin sagt: "Ich zähle die Tage bis zum Urlaub." 

Quelle: ntv.de

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