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Nur Spanien feiert "A.C." Herbe Kritik an Contador

In Spanien wird der neue Tour-Sieger gefeiert, im Ausland überwiegt die Skepsis. "Contador siegt, aber die Zweifel bleiben", schrieb "Tuttosport" aus Italien. Und "La Gazzetta dello Sport" forderte von den Radprofis: "Rennfahrer, hört auf zu lügen!". Die französische Sportzeitung "L'Equipe" kommentierte den Sieg des umstrittenen Spaniers ebenfalls kritisch: "Man weiß nicht, ob Alberto Contador auf den Champs-lyses ein Gewinner der Zukunft oder ein Sportler der Vergangenheit ist."

In Deutschland griff Doping-Experte Werner Franke den Tour-de-France-Gewinner offen an. Ihn zum Tour-Sieger zu erklären, ist nach Frankes Worten "der größte Schwindel der Sportgeschichte". Dies erklärte Franke im ZDF-Morgenmagazin. Bereits am vergangenen Donnerstag hatte Franke Contador gegenüber n-tv als ganz sicher "dopingverseucht" bezeichnet.

"Voll protokolliertes Doping"

Contador wird immer wieder mit den Listen des spanischen Arztes Eufemiano Fuentes in Verbindung gebracht. Laut Franke "hat es aber in der jüngsten Zeit einen Vertrag gewissermaßen gegeben von der internationalen Radsport-Union UCI und den spanischen Justizbehörden, die das alles vertuscht haben und einfach gelogen haben".

Zudem erklärte Franke: "Ich habe die Dinge vor mir, ich kann sie direkt entziffern, welche Mittel genommen worden sind." Man habe "hier ein voll protokolliertes Doping-Dokument", sagte Franke. Danach habe Contador Insulinpräparate eingenommen: HMG Lepori zum Erhöhen der körpereigenen Testosteronsynthese sowie das Asthmamittel Trigon.

Spanien habe sich mit dem Vertuschen "das größte Ding aller Zeiten geleistet". Es sei ihm aber gelungen, sich in den Besitz der Unterlagen zu bringen. "Diese Befunde sind halt in meiner Aktentasche gelandet, das passiert manchmal, und ich hab sie dann gleich dem Bundeskriminalamt weitergegeben." Diese "auch weltweit korrupte Situation in verschiedenen Bereichen" werde in höchsten Kreisen "zumindest in Spanien akut gedeckt", kritisierte der Molekularbiologe.

150 Blutbeutel noch nicht identifiziert

Contadors früherer Teamkollege Jörg Jaksche stellte dazu in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" fest: "Die Polizei hat sauber gearbeitet, aber offenbar werden Namen gefiltert und herausgenommen. Von den 250 Blutbeuteln sind doch 150 noch nicht identifiziert, warum?" Spanien sei das Problem zu groß geworden, "weil es sich nicht nur auf Radsport beschränkt".

Dass sein ehemaliger Teamkollege ein Kunde des Dopingarztes Eufemiano Fuentes war, steht für den Deutschen nach Einsicht in einen Medikationsplan des spanischen Mediziners für das komplette Team von Liberty Seguros aus dem Jahr 2005 fest: "Ich habe auf diesem Zettel Fuentes' Handschrift wiedererkannt", sagte Jaksche der "Süddeutschen Zeitung". Die dort verzeichneten neun Kürzel seien identisch mit den Initialen der neun Profis des damaligen Teams. Neben R.H. (Roberto Heras) habe auch A.C. (Alberto Contador) auf dem Plan gestanden.

Über Contadors Beteuerungen, er sei sauber, sagte der Ansbacher in einem Interview mit dem Radiosender Bayern 3: "Ich war auch zehn Jahre in der Situation, dass ich lügen musste. Ich würde ihn auch gar nichts fragen, weil ich seine Antwort wahrscheinlich gar nicht akzeptieren könnte."

Totschweigen statt aufklären

Der frühere Radprofi Marcel Wüst erklärte in einem Interview mit Sport1.de: "Was ist denn mit den 150 anderen Sportlern auf der Fuentes-Liste? Ganz sicher sind auch andere Sportarten betroffen. Welche Sportarten sind das, welche Athleten sind verstrickt? Es besteht die Möglichkeit, dass das totgeschwiegen wird, weil kein Verband Interesse hat, im eigenen Lager einen Dopingfall in den Reihen zu haben. Da sind dann auch die Medien gefragt, das mal herauszufinden."

Rückendeckung für den umstrittenen Tour-de-France-Sieger gab es dagegen in der spanischen Heimat: "Alberto Contador musste unglücklicherweise auf seinen schmalen Schultern die Last der Schuld der Ungeheuerlichkeiten tragen, die der Radsport in den vergangenen Jahren begangen hat. Er hat die Tour zum falschen Zeitpunkt gewonnen. Niemand sprach gestern in Frankreich von ihm. Er ist ein verurteilter Sieger in einer verurteilten Tour de France", schrieb "El Pas".

Die Sportzeitung "As" befand: "Alberto Contador ist der König der Hoffnung und das Symbol des neuen Radsports. Mit ihm beginnt eine neue Ära. Nach diesem Sieg sollte der Radsport wieder ein Sport ohne Verdächtigungen und ohne Chemie sein."

Jubel, Trubel, Scheinheiligkeit

Am Tag nach seinem umstrittenen Sieg waren für Contador bei der Rückkehr nach Spanien glanzvolle Empfänge und Feiern angesagt. Vier Sonderbusse hatte Bürgermeisterin Miriam Rabaneda geordert, um den nun berühmtesten Bürger seines Heimatortes Pinto vom Madrider Flughafen nach Hause zu eskortieren. Die 38.000 Einwohner zählende Kleinstadt liegt 20 Kilometer südlich vor den Toren der Metropole. Bereits unmittelbar nach dem Tour-Sieg war Contador telefonisch von Regierungschef Jose Luis Rodriguez Zapatero beglückwünscht worden.

Viel Lob erhielt der 24 Jahre alte "Tour-Held" von Spaniens Radsport-Ikonen Federico Bahamontes und Miguel Indurain. Für Bahamontes, 1959 Spaniens erster Tour-Sieger, ist Contador "einer der besten Kletterer, die es momentan gibt. Wir werden von ihm noch weitere große Erfolge sehen."

Auch Indurain attestierte seinem Nachfolger eine große Leistung, schickte aber eine Warnung hinterher. Diese bezog sich jedoch nicht auf etwaige Dopingvergehen, sondern auf die Schattenseiten des Erfolgs: "Das Schwerste wartet noch auf ihn. Jetzt muss er lernen, mit dem Druck des Ruhms fertig zu werden." Ruhm, der zweifelhafter nicht sein könnte.

Quelle: ntv.de

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