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Debatte über das Relegationsrückspiel "Hertha ist beraubt worden"

Die Fans konnten es nicht abwarten, auf den Platz zu laufen.

Die Fans konnten es nicht abwarten, auf den Platz zu laufen.

(Foto: dpa)

Ist Hertha BSC regulär abgestiegen oder sollte das turbulente Relegationsrückspiel gegen Fortuna Düsseldorf wiederholt werden? Am Tag nach dem Skandal gehen die Meinungen weit auseinander. Die Berliner prüfend derweil weiterhin die Möglichkeit, Protest gegen die Wertung des Spiels einzulegen.

Nicht wegen des Fußballs, sondern nur auf Bitten der Polizei seien die Hertha-Spieler auf den Platz zurückgekehrt. "Gestern ging es nur darum, eine Eskalation zu verhindern, man hat von einem Blutbad gesprochen", sagte Hertha-Anwalt Christoph Schickhardt im "Morgenmagazin". "Es war ein irreguläres Spiel."

Ein Funktionär versucht die Fortuna-Anhänger aus dem Innenraum zu vertreiben.

Ein Funktionär versucht die Fortuna-Anhänger aus dem Innenraum zu vertreiben.

(Foto: dpa)

Die Ansichten über das unrühmliche Ende des Fußballspiels in Düsseldorf gehen weit auseinander. Der Sportrechtler Siegfried Fröhlich hält es für einen Fehler, dass die Spieler von Hertha BSC nach dem Spielabbruch im Relegationsrückspiel bei Fortuna Düsseldorf (2:2) auf den Platz zurückgekehrt sind. "Sie haben das Spiel noch zu Ende gespielt. Ein Protest hat daher wenig Aussicht auf Erfolg", sagte der Jurist im Gespräch mit n-tv.de. Die Chancen auf ein Wiederholungsspiel oder eine nachträgliche Wertung der Begegnung zugunsten der Berliner wären höher, wenn sich der Verein gegen eine Fortsetzung geweigert hätte. In diesem Fall hätte ein Sportgericht über die Ursache des Abbruchs verhandeln müssen.

"Grundsätzlich verliert dann die Mannschaft, deren Fans für den Abbruch sorgen", sagt Fröhlich. Wäre das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Sicherheit der Spieler gefährdet und eine Fortsetzung des Spiels nicht zumutbar gewesen ist, "hätte man das Spiel 2:0 für Hertha werten müssen". Fröhlich geht davon aus, dass der Protest scheitert und der Abstieg der Berliner in die zweite Fußball-Bundesliga besiegelt ist.

Der Anwalt und Sportrechtsexperte Michael Lehner sieht für einen Protest dagegen gute Erfolgschancen. "Das Spiel ist nicht ordnungsgemäß nach dem Prinzip der Chancengleichheit zu Ende gebracht worden. Es gab einen Bruch im Sinne der Spielentwicklung. Die Mannschaft von Hertha BSC ist durch das Verschulden Dritter einer reellen Chance beraubt worden, das Spiel noch zu gewinnen. Deswegen müsste es aus juristischer Sicht eine Spielwiederholung geben."

"Hertha konnte sich nicht mehr konzentrieren"

Fortuna-Manager Wolf Werner sagte: "Die Fans sind nach einem geglaubten Abpfiff auf das Spielfeld gelaufen. Wir haben dann aber alles getan, um sie wieder aus dem Innenraum zu bringen." Da der Unparteiische Stark dennoch nach 21-minütiger Unterbrechung das Spiel fortsetzte, ist für ihn die Sachlage klar: "Damit ist die Spielwertung nicht gefährdet." Düsseldorfs Vorstandsvorsitzender Peter Frymuth sagte: "Ich weiß gar nicht, ob ich mich nach diesen Bildern am Schluss des Spiels freuen soll."

Für Wolf Werner steht die Wertung des Spiels nicht zur Diskussion.

Für Wolf Werner steht die Wertung des Spiels nicht zur Diskussion.

(Foto: dpa)

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hält einen Protest trotzdem für gerechtfertigt. "Hertha konnte sich auch nicht mehr konzentrieren nach dieser Unterbrechung. Ich glaube, es ist ein guter Grund, hier Protest einzulegen", sagte Wowereit. Gleichzeitig kritisierte er Fortuna Düsseldorf und die Stadionbetreiber. Wenn solche Menschenmassen auf das Spielfeld können, seien zu wenig Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden."Wenn das kein Grund ist für einen Abbruch, was denn sonst?", sagte Wowereit.

Fußball-Bundestrainer Joachim Löw hat die skandalösen Vorfälle rund um das Relegationsrückspiel als "ungeheuerlich" bezeichnet und "aufs Äußerste verurteilt". Selbst gesehen habe er das Spiel nicht im Fernsehen, erklärte Löw. Dennoch äußerte er eine klare Meinung. "Ich finde es ungeheuerlich, dass eine Minderheit von Fans vor dem Schlusspfiff auf den Platz rennt. Ungeheuerlich gegenüber der Mannschaft und dem Verein, in einer Situation, in der es um so viel geht", erklärte der Bundestrainer: "Nach dem Abpfiff kann ich meiner Freude freien Lauf lassen." Ob es ein Wiederholungsspiel geben müsse, wollte Löw nicht beurteilen. "Da sind der DFB und die DFL gefragt", sagte er: "Das ist ein schwieriges Thema. Aber ich kann nachvollziehen, was in den Düsseldorfer Spielern und Verantwortlichen vorgeht. Das Ganze trübt die Freude und den sportlichen Erfolg in diesem Moment."

Lob für Starks Besonnenheit

Fanforscher Gunter A. Pilz hat Verständnis für die euphorisierten Düsseldorfer Fans, die den Platz gestürmt haben. "Wenn einer rennt, rennen sie alle. Das ist eine Unsitte, aber doch noch nachvollziehbar." "Es sei die richtige Entscheidung gewesen, das Spiel wiederanzupfeifen. "Sonst wäre alles noch katastrophaler geworden. Man muss sich klarmachen, dass so im Endeffekt nur wenig passiert ist. Und man muss sich klarmachen, dass der Schiedsrichter eine entscheidende Rolle spielt, die Massen abzukühlen, herunterzuholen. Wolfgang Stark hat mit seinem besonnenen Verhalten dazu beigetragen, dass die Lage nicht eskaliert ist."

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert den DFB zu konsequentem Handeln und härteren Strafen auf. "Offensichtlich bringen Appelle an Vernunft und Verstand nichts. Der DFB ist jetzt vor dem angekündigten Anti-Gewalt-Gipfel von Fußball und Justiz in der Pflicht zu prüfen, ob über Punktestrafen die Fans diszipliniert werden können", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut.

Nach Auffassung der GdP erzielten die bisherigen Maßnahmen wie Stadionverbote und Geldstrafen für Vereine nur noch eine geringe Abschreckung. "Erst wenn die Fans begreifen, dass ihre unbeherrschten Gewaltausbrüche zu Punktabzügen bei ihrem Lieblingsverein und somit im schlimmsten Fall zum Abstieg führen können, dürfte die Gewalt eher eingrenzbar sein", ergänzte Witthaut.

Die Münchner Polizei hält auch nach den nach Vorkommnissen in den Spielen in Düsseldorf und Karlsruhe an seinem Sicherheitskonzept für das Champions-League-Finale am kommenden Wochenende fest. "Natürlich haben wir die aktuelle Lage im Auge", sagte Sprecher Wolfgang Wenger. "Aber unser Konzept steht." Beim Finale der europäischen Fußball-"Königsklasse" erwarte er außerdem eine andere Atmosphäre als bei den Relegationsspielen in den vergangenen Tagen. "Das Publikum ist schon anders", betonte Wenger.

Quelle: ntv.de, cro/dpa/AFP/sid

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