
Die IOC-Vorstellung von E-Sport...
(Foto: IOC)
Das Internationale Olympische Komitee befasst sich mit E-Sport und schenkt dem ganzen mit einer Veranstaltungswoche eine riesige Plattform. Eigentlich ein großer Moment für die Gaming-Welt. Stattdessen droht die Idee schon vorab zu scheitern - ausgerechnet wegen olympischer Statuten.
Mit beliebten Videospielen wie "Counter-Strike", "League of Legends" oder "Fortnite" hat der E-Sport in den letzten zehn Jahren einen Boom erlebt. Live-Turniere füllen Stadien und ziehen Millionen von Online-Zuschauern an. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) will dem kompetitiven Videospielen nun erstmals eine große Plattform geben, nachdem die Organisation die Sparte bereits 2017 offiziell als Sport anerkannt hatte. Die Umsetzung bei der "Olympic Esports Week" (23. bis 25. Juni) in Singapur spiegelt allerdings in keiner Weise wider, was eigentlich hinter E-Sport steckt. Vielmehr lässt das IOC bereits olympische Sportarten in digitaler Form austragen.
Die Auswahl der Videospiele, in denen sich in Singapur die Zocker messen sollen, ist kaum nachvollziehbar. Einige sollen bekannte Sportarten simulieren, wie "Virtual Tennis" oder das Segel-Spiel "Virtual Regatta". In "Tic Tac Bow" präsentiert das IOC ein Mobile Game als Bogenschießen. Im App Store schafft die wenig imposante Umsetzung bei den Bewertungen keine zwei von fünf Sterne. Wohl kaum ein Aushängeschild für eine boomende E-Sport-Branche. Neben weiteren Disziplinen wie Schach, Rennradfahren, Taekwondo und Baseball hat es auch das Virtual-Reality-Tanzspiel "Let's Dance" in die Riege geschafft. Der einzige echte kompetitive Titel, der die E-Sport-Welt zufriedenstellen dürfte, ist die Rennsimulation "Gran Turismo" - sowohl Optik als Spielmechanik sind hier olympiareif.
"Die Liste ist enttäuschend und beschämend"
Und ja, mit "Fortnite" gibt es einen der ganz großen Titel im Aufgebot, allerdings nicht im populären "Battle Royal"-Modus, bei dem sich die Zocker nach und nach gegenseitig ausschalten, bis nur noch einer übrig bleibt. Diese Änderung beruht darauf, dass das IOC keine Spiele zulässt, die gegen die olympischen Werte verstoßen. Sprich: Gewaltdarstellungen sind tabu. Das ist angesichts der Entwicklung auf olympischer Ebene natürlich ein massives Problem. Denn bei fast allen etablierten E-Sport-Spielen schießen die Teams aufeinander oder greifen einander an - ein grundlegendes Konzept des wettbewerbsorientierten Spielens, das der Philosophie der Olympischen Spiele völlig zuwiderläuft.
So richtig auf den E-Sport einlassen will sich das IOC auch irgendwie nicht. Das merken auch Branchenvertreter. "Für den durchschnittlichen E-Sport-Fan hätte die Aufnahme in die Olympischen Spiele ein triumphaler Moment sein sollen, der einen Schritt nach vorne für die Gemeinschaft bedeutet", sagte Matt Woods von der E-Sport-Agentur AFK dem "Guardian". Die Liste der Spiele sei "enttäuschend" und "beschämend". "Anstatt mit bestehenden Spieleherausgebern oder etablierten Turnieren zusammenzuarbeiten, scheint das Olympische Komitee stattdessen beschlossen zu haben, dieses Event als Marketinginstrument für neue, schlecht durchdachte und nicht lizenzierte Handyspiele zu nutzen."
Trostpflaster "Exhibition Show Matches"?
Um die Gamer-Gemeinde nicht komplett zu vergraulen, wurde in der Woche dann doch ein Programm mit populäreren Videospielen zusammengestellt. Die Prügelsimulation "Street Fighter", die Autoball-Variante "Rocket League" oder "NBA2K23" laufen unter der Rubrik "Exhibition Show Matches". Alleine die Bezeichnung dürfte aufhorchen lassen. Wer im Boxen schon mal ein "Exhibition Match" begutachten durfte, weiß: Es geht um nichts, die Protagonisten sollen dabei gut aussehen, die Zuschauer bekommen eine kleine Show geboten, jenseits eines echten Wettbewerbs.
Das IOC verteidigt sein Game-Ensemble. Sportdirektor Kit McConnell erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, dass die Auswahl getroffen wurde, um virtuelle Sportarten zu unterstützen. "Aus diesem Grund haben wir uns in der Wettbewerbsreihe zunächst auf virtuelle und simulierte Sportspiele konzentriert", sagte er. Er fügte hinzu, dass die ausgewählten Spiele barrierefrei sein mussten und keine technischen Zugangsbeschränkungen aufweisen durften. Dazu musste die Gleichstellung der Geschlechter gewährleistet sein, was "im Bereich der Wettkampfspiele oft noch nicht der Fall ist".
Das Thema Gleichberechtigung ist im IOC allerdings eher Auslegungssache. Bei den letzten Spielen in China, ein Land, das wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik steht, wurde das Thema wegignoriert. Selbst offizielle Sponsoren waren angesichts der Macht des Komitees zurückhaltend mit kritischen Äußerungen. Das IOC hat gerne die volle Kontrolle über seine Veranstaltungen. So ist es auch im E-Sport. Da die beliebten kompetitiven Spieletitel als intellektuelles Eigentum den Entwicklern und Herausgebern gehören, müsste das IOC neue Deals eingehen und wohl etwas von seiner Kontrolle abgeben.
Medaillen sind bei der "Olympic Esports Week" ohnehin nicht vorgesehen. Zwar gibt es auch keine konkreten Pläne, E-Sportler irgendwann einmal mit Gold, Silber und Bronze auszuzeichnen, doch die Resonanz auf die Veranstaltung in Singapur könnte richtungsweisend sein, ob das in Zukunft möglich wird. Mit dem Ansatz des IOC dürfte es allerdings schwer werden, ein großes Publikum anzusprechen.
Quelle: ntv.de