Radsport im Hi-End-Bereich Jan Ullrichs Feten-Zeche
06.07.2002, 08:20 UhrDer in der A-Probe positiv auf Amphetamine getestete Radprofi Jan Ullrich verzichtet im Rahmen seiner Doping-Kontrolle auf die Analyse der B-Probe. Bei der Pressekonferenz des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) erklärte der Olympiasieger in Frankfurt am Main, dass er im Rahmen eines alkoholfeuchten Diskothekenbesuchs Pillen genommen habe, von deren Harmlosigkeit er jedoch überzeugt gewesen sei. „Es war eine Dummheit, die unverzeihlich ist“, sagte der Merdinger.
Bei dem 28-Jährigen war am 12. Juni bei einer unangemeldeten Kontrolle das Stimulanzmittel Amphetamin gefunden worden. Ullrich droht eine sechsmonatige Sperre und die Entlassung aus dem Team Telekom.
Verantwortung für Menschen Ullrich
Die Vorgesetzten des Tour-de-France-Siegers von 1997 gehen jedoch davon aus, dass Ullrich seinen Vertrag bis 2003 erfüllen wird. Man habe auch soziale Verantwortung gegenüber dem Menschen Jan Ullrich, hieß es.
Menschliches Frustsaufen
Jan Ullrich erklärte, für ihn sei es menschlich, dass er in seiner Situation abends um die Häuser zieht. Die Frustration über die nicht enden wollenden Kniebeschwerden, unter denen der ehemalige „Radler-Mönch“ seit Dezember des vergangenen Jahres litt, trieben ihn nach eigenen Angaben den jugendlichen Vergnügungen zu. Er habe allerdings nur dies eine Mal Tabletten genommen – sonst nie.
Für Ullrich steht fest, dass sein Fall kein Doping sei: „Ich habe einen Fehler gemacht, aber ich habe nie versucht, mir einen unerlaubten Vorteil im Wettkampf zu verschaffen." Ein Karriere-Ende schloss der gebürtige Rostocker aus. „Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich werde jetzt mein Comeback vorbereiten", sagte Ullrich: „An dieser beschissenen Sache muss ich auch etwas Gutes sehen: Dass ich jetzt wieder topmotiviert bin und von ganz da unten wieder nach oben will." Eine Zukunft beim Team Telekom kann sich der Dopingsünder durchaus vorstellen. „Ich habe Unterstützung bekommen vom Team", erklärte Ullrich: „Ich bin nicht rausgeworfen, sondern beurlaubt, was absolut gerechtfertigt ist."
Kollegen sauer
Seine Teamkollegen betrachten die Affäre jedoch skeptisch. Sprinterkönig Erik Zabel sprach von „einer schwierigen Situation für uns alle“. Offenbar breitet sich bei den Fahrern die Angst aus, die Telekom könne ihr finanzielles Engagement für den Radsport einstellen. Außerdem glauben die Kollegen Ullrichs, dass der Tour-Sieger von 1997 im Moment nur schwer seiner Vorbild-Funktion nachkommen könne.
Der Kommunikations-Direktor der Telekom Jürgen Kindervater erklärte, dass noch nicht feststehe, ob die Telekom die Option auf Vertragsverlängerung mit den Fahrern bis zum Jahr 2004 oder 2005 wahrnimmt. Unterdessen hat das Team Telekom den Radprofi beurlaubt. Das bestätigte Teammanager Walter Godefroot unter dem Hinweis, das sei so üblich.
Die Deutsche Telekom investierte in den vergangenen Jahren Millionenbeträge in den Kampf gegen Doping. Jetzt hat das Unternehmen mit dem spektakulärsten deutschen Doping-Fall des neuen Jahrtausends den Kampf im eigenen Hause aufzunehmen.
Staatsanwaltschaft neugierig
Auch die Staatsanwaltschaft interessiert sich nun für das Vergehen Ullrichs. Der Merdinger muss mit Ermittlungen gegen ihn wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz rechnen. Die Einleitung eines Verfahrens werde geprüft, erklärte Oberstaatsanwalt Eduard Mayer von der Staatsanwaltschaft München.
Leipold, Baumann, Ullrich?
Der deutsche Sport hat damit den dritten spektakulären Doping-Fall der vergangenen fünf Jahre. Dem Freistilringer Alexander Leipold wurde in Sydney 2000 Gold aberkannt, Leichtathlet Dieter Baumann, 1992 in Barcelona Olympiasieger über 5.000 m, wurde nach seiner Doping-bedingten Disqualifikation der Start in Sydney verwehrt.
Quelle: ntv.de